Faktencheck

Hinter diesem Fake über die Entführung eines Mädchens steckt eine Betrugsmasche

Auf Facebook kursiert eine Meldung über eine Entführung. Ein fünfjähriges Mädchen sei verschwunden, heißt es in diversen Ortsgruppen. Der Fall ist erfunden – damit sollen wohl persönliche Daten gestohlen werden. Die Beiträge missbrauchen das Foto eines ermordeten Mädchens aus Texas.

von Sarah Thust

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Diese Falschmeldung über den Fall einer vermissten Fünfjährigen wurde in mehreren Ortsgruppen auf Facebook verbreitet. Dahinter verbergen sich kriminelle Interessen. (Quelle: Facebook; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein fünfjähriges Mädchen sei laut eines Videos entführt worden. Die Polizei suche mit einem Phantombild nach einem Mann und bitte um Hilfe.
Bewertung
Frei erfunden
Über diese Bewertung
Frei erfunden. Den Fall der entführten Fünfjährigen gibt es nicht, das angebliche Video führt zu Internetseiten, die persönliche Daten abfragen. Diese verwenden für den angeblichen Artikel Bilder von Personen, die nichts mit einer aktuellen Entführung in Deutschland zu tun haben. Polizeibehörden warnen in mehreren Bundesländern vor Falschmeldungen wie dieser.

Ein angeblicher Entführungsfall macht einige Nutzerinnen und Nutzer auf Facebook skeptisch. Eine Fünfjährige sei entführt worden, heißt es im Februar in mehreren Beiträgen. Mal war der angebliche Tatort in Bietigheim-Bissingen (Baden-Württemberg), mal in Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) oder in Rottweil (Baden-Württemberg). Ein Link soll zu einem vermeintlichen Video von Überwachungskameras führen. Doch unter dem Link werden persönliche Daten abgefragt. Darauf weisen Nutzer auch in den Kommentarspalten hin: „Die fischen deine Daten ab“, schreibt einer unter einem Beitrag mit dem Foto eines blonden Mädchens. Nutzerinnen und Nutzer sollten ihre Daten auf keinen Fall teilen.

Unsere Recherche ergab: Das Mädchen auf dem Foto verschwand nicht in Deutschland, sondern wurde Ende 2022 in Texas entführt und ermordet. Ihr Foto wird aktuell im falschen Kontext verbreitet – die Meldung über eine Entführung in Deutschland ist erfunden. Polizeibehörden warnten bereits in mehreren Bundesländern vor einer ähnlichen Falschmeldung.

Fake-Beitrag nennt Bietigheim-Bissingen
Eine Suche nach den Bildern in diesem Beitrag zeigt, dass die Meldung erfunden ist (Quelle: Facebook; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Link zum angeblichen Video wurde seit dem 18. Februar in unterschiedlichen Facebook-Ortsgruppen verbreitet. Auf welche Städte sich die von uns entdeckten Falschmeldungen bezogen, zeigt diese Karte:

Mit welchen Städte-Namen wurde die Falschmeldung verbreitet?
Der Link zum angeblichen Video über die Entführung des Mädchens wird mindestens seit dem 18. Februar in verschiedenen Facebook-Ortsgruppen verbreitet. Wir haben auf dieser Karte die Orte markiert, in denen die Falschmeldung auftauchte. (Grafik: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Fotos stammen von unterschiedlichen Mordfällen und sind nicht aktuell

Einige Bundesländer listen vermisste Personen in Online-Datenbanken der Polizei auf. Wir haben die Datenbanken von Hessen und Nordrhein-Westfalen, wo das Mädchen zum Beispiel verschwunden sein soll, nach dem Foto durchsucht – und fanden es nicht. Zudem fragten wir bei einigen Polizeidienststellen nach, ob der Fall des Mädchens, wie er in Ortsgruppen von Bietigheim-Bissingen und Rottweil zu sehen ist, bekannt ist. 

Dem für den Landkreis Rottweil zuständigen Polizeipräsidium Konstanz war nichts bekannt. Dem Polizeipräsidium Ludwigsburg, in dessen Gebiet Bietigheim-Bissingen liegt, lagen ebenfalls „keine Erkenntnisse über einen entsprechenden Vermisstenfall vor“. Es gibt auch keine aktuellen Medienberichte über einen solchen Fall in Deutschland. Es gibt aber mehrere Faktenchecks über die Facebook-Beiträge mit der erfundenen Entführung.

Der Name des angeblich entführten Mädchens wird in den aktuellen Facebook-Beiträgen nicht genannt. Eine Bilderrückwärtssuche mit ihrem Foto führt in die USA. Am 3. Dezember 2022 berichtete der texanische Nachrichtensender KLTV über die siebenjährige Athena, die am 30. November 2022 von einem Mann entführt und ermordet worden sei. Das Foto dieses Mädchens nutzen die Facebook-Beiträge.

Die Phantomzeichnung des Mannes in den Facebook-Beiträgen hat mit diesem Mord nichts zu tun: Sie findet sich in einem Artikel der Münchener Abendzeitung von 2009. Zu sehen ist darauf ein Verdächtiger im bislang ungelösten Fall der ermordeten Rentnerin Luise Z.

Polizeibehörden warnen vor einer Falschmeldung – daraufhin tauchen ähnliche Beiträge mit anderen Fotos auf

Wie ein Faktencheck der Deutschen Presse-Agentur zeigt, kursierte eine ähnliche Falschmeldung bereits Anfang Februar auf Facebook, jedoch mit anderen Fotos. Darin hieß es, ein fünfjähriges Mädchen namens Julie sei entführt worden – zum Beispiel in Frankfurt, Hemsbach oder Mannheim. Zu dieser Meldung waren andere Fotos zu sehen, doch auch sie stammen nach unserer Recherche aus älteren Medienberichten

Polizei Mannheim warnt vor Facebook-Falschmeldung
Laut mehrerer Polizeidienststellen handelt es sich bei diesen Beiträgen um eine Fälschung (Quelle: Polizei Mannheim; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Mehrere Polizeidienststellen warnten daraufhin, es handele sich um eine Falschmeldung (Polizei Mannheim, Polizeipräsidium Koblenz, Polizei Kreis Viersen, Polizeidirektion Landau). „Wir bitten Sie, auf Basis von Gerüchten keine Falschinformationen zu verbreiten“, schrieb die Polizeidirektion Landau. Die Kreispolizei Viersen in Nordrhein-Westfalen kommentierte: „Hier sind Kriminelle am Werk!“ Es handele sich um den Versuch, Daten der Nutzer abzugreifen: „Damit bekommen die Täter Zugriff auf Ihr Facebook-Konto – und im schlimmsten Fall auf alles, was Sie damit verknüpft haben – auch auf Bankdaten.“ 

Nutzer können den Beitrag melden und sollten keine persönlichen Daten eingeben

Fakt ist: Die Links, auf die sowohl die älteren als auch die neueren Facebook-Beiträge verweisen, führen zu gefälschten Internetseiten. Klickt man sie an, öffnet sich etwa eine Website, die wie ein Facebook-Beitrag des Spiegels aussieht und Nutzende auffordert, ihr Alter anzugeben und sich anzumelden. Diese Betrugsmasche heißt Phishing

Gefälschte Internetseite imitiert Spiegel-Facebook-Beitrag
Dies ist kein Facebook-Beitrag, sondern eine Fälschung, mit der offenbar Facebook-Nutzerdaten erbeutet werden sollen (Quelle: juanitadance.com; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ziel von Phishing ist das vorsätzliche Ausspähen und Stehlen von persönlichen Daten über gefälschte Websites und damit einhergehend Identitätsdiebstahl. Die Polizei rät: Klicken Sie nicht auf solche Links und füllen Sie keine Formulare mit persönlichen Daten aus. Ist es dafür bereits zu spät, sollten Sie die Zugangsdaten sperren. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Viktor Marinov

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