Faktencheck

Erfundenes Zitat kursiert erneut: Annalena Baerbock will die Witwenrente nicht abschaffen

Bereits im Vorfeld zur Bundestagswahl 2021 hieß es im Netz, Grünen-Politikerin Annalena Baerbock wolle die Witwenrente abschaffen, um das Geld für die Integration von Geflüchteten einzusetzen. Aktuell kursiert das Zitat erneut. Doch Baerbock hat sich weder als Grünen-Parteichefin noch jetzt als Außenministerin so geäußert.

von Kimberly Nicolaus

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Von Annalena Baerbock kursieren immer wieder gefälschte Zitate – aktuell erneut zur Witwenrente, doch die Außenministerin will diese Rente nicht abschaffen (Symbolbild: Wolfgang Kumm / Picture Alliance / DPA)
Behauptung
Annalena Baerbock habe gefordert: „Witwenrente abschaffen.“ Die eingesparten Mittel wolle sie für die Integration von „Flüchtlingen“ verwenden.
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Frei erfunden. Baerbock will die Witwenrente nicht abschaffen. Das Zitat ist eine Fälschung und kursiert seit 2021.

Ein Bild mit einem angeblichen Zitat von Annalena Baerbock verbreitet sich momentan vielfach auf Tiktok. Darin heißt es: „Frau Baerbock: ‚Witwenrente abschaffen’“. Laut der Grünen-Politikerin sei sie ein „Relikt der Vergangenheit“, mit den eingesparten Mitteln könne „viel für die Integration von Flüchtlingen“ getan werden. 

Ein Tiktok-Video, in dem das Bild mit dem Zitat zu sehen ist, hat über 750.000 Aufrufe; mehr als 15.000 Personen gefällt der Beitrag, in dem es unter dem angeblichen Zitat heißt: „Die Alte hat sie doch nicht mehr alle!“

Die Behauptung, dass Baerbock die Witwenrente abschaffen wolle, kursierte schon im Mai 2021 auf Facebook und Whatsapp, wenige Monate vor der Bundestagswahl, und verbreitet sich seitdem immer wieder. Baerbock, damals noch Grünen-Parteichefin, kandidierte zu diesem Zeitpunkt für das Kanzleramt. Aktuell ist sie Außenministerin. 

Ein virales Tiktok-Video verbreitet ein Bild und ein gefälschtes Zitats zur Witwenrente von Annalena Baerbock erneut (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Erfundenes Zitat von Annalena Baerbock zur Witwenrente kursiert seit Mai 2021

Wie wir 2021 bereits berichteten, ist das Zitat frei erfunden, Nicola Kabel, damalige Grünen-Parteisprecherin, heute Leiterin der Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums, bezeichnete das angebliche Baerbock-Zitat auf Twitter am 6. Mai 2021 als „schlicht und einfach gefälscht“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts bestätigte uns auf Nachfrage am 9. März 2023: „Außenministerin Baerbock hat nie gefordert, die sogenannte Witwen- oder Witwerrente abzuschaffen.“

Im Wahlprogramm der Grünen für die Bundestagswahl im September 2021 tauchten die Worte „Hinterbliebenenrente“ und „Witwenrente“ nicht auf. Auch eine aktuelle Google-Suche nach den Begriffen „Baerbock Witwenrente“, „Baerbock Witwenrente abschaffen“ oder nach dem ersten Satz des angeblichen Zitats liefert keine Treffer für Aussagen von Annalena Baerbock zu diesem Thema. 

Finanzielle Versorgung durch Witwenrente nicht nur für Frauen

Auf dem Bild mit dem gefälschten Zitat heißt es weiter, Baerbock wolle die Witwenrente abschaffen, weil Frauen heute „selbstbestimmt und finanziell nicht mehr von Männern abhängig” seien. „Diesem Umstand sollten wir Rechnung tragen.“ Damit wird suggeriert, die Witwenrente sei nur für Frauen. 

Doch die „Witwenrente“ gibt es nicht nur für Frauen, sondern für alle, deren Ehepartnerin oder Lebenspartner gestorben ist. Sie wird auch „Rente für Hinterbliebene“ genannt, die die finanzielle Versorgung der hinterbliebenen Person sicherstellen soll. Laut Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (Download, PDF) bekommen Frauen insgesamt öfter eine Hinterbliebenenrente. Je nach Alter der Hinterbliebenen und abhängig von anderen Faktoren beträgt die Rente laut der Deutschen Rentenversicherung zwischen 25 und 60 Prozent der Rente der gestorbenen Person. 

Annalena Baerbock wurde in der Vergangenheit schon häufig zur Zielscheibe von Falschinformationen: Wie wir in einer Analyse zu Desinformation im Zuge der Bundestagswahl 2021 berichteten, häuften sich nach Verkündung von Baerbocks Kandidatur im April 2021 negative Memes und abfällige Kommentaren über sie in Sozialen Netzwerken. In Beiträgen wurden ihr mehrere gefälschte Zitate zugeschrieben. Eine gezielte Kampagne konzentrierte sich in den zwei darauffolgenden Monaten auf ihren Lebenslauf und beschuldigte sie, ihren Universitätsabschluss gefälscht zu haben.

Redigatur: Sophie Timmermann, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Renten für Hinterbliebene, Deutsche Rentenversicherung: Link
  • Desinformation: Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Bundestagswahl 2021, CORRECTIV.Faktencheck: Link (Englisch)
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