Vermummungsverbot: Nein, in Österreich kostet Maske-Tragen in Öffis nicht 150 Euro Strafe
Das Ende der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr brachte in Österreich ein älteres Gesetz wieder in die Debatte: Das sogenannte Vermummungsverbot. Muss, wer in Bus, Zug oder Straßenbahn eine Maske trägt, nun eine Strafe zahlen? Nein, stellte das Innenministerium klar.
Am 1. März 2023 wurde die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien aufgehoben. Das rückte ein älteres Gesetz wieder in die mediale Debatte: das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, das bis zu 150 Euro Strafe vorsieht, wenn eine Person ihr Gesicht verbirgt. Tagelang herrschte in den Medien teilweise Unklarheit darüber, ob das nun auch beim Tragen medizinischer Masken greift, bis Innen- und Gesundheitsministerium dazu die Details klarstellten.
Auf Facebook verbreiteten Nutzerinnen und Nutzer vor und nach diesen Klarstellungen die Behauptung, in Österreich müsse man nun 150 Euro Strafe zahlen, wenn man in den „Öffis” eine Maske trage. Das stimmt nicht: Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, auch Vermummungs- oder Verhüllungsverbot genannt, sieht Ausnahmen aus gesundheitlichen Gründen vor. Ein Attest brauche man dafür nicht, sagen Verwaltungsjuristen.
Medien rätselten darüber, ob das Vermummungsverbot nun wieder bei medizinischen Masken greift
Politisch zielte das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz darauf, das Tragen von Burkas, also Ganzkörperschleier, zu verbieten. Im Gesetz, das am 1. Oktober 2017 in Kraft trat, steht: „Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller in Österreich lebenden Menschen abhängt und auf persönlicher Interaktion beruht“. Es regelt, dass Gesichtszüge nicht so weit verhüllt oder verborgen werden dürfen, dass eine Person nicht mehr erkennbar ist. Medien berichteten in der Vergangenheit von Strafen gegen Personen, die ihr Gesicht mit einem Schal verdeckten oder – vor der Pandemie – ohne Attest einen Mundschutz trugen. Es gibt aber Ausnahmen im Gesetz: Etwa wenn man sich bei Brauchtumsveranstaltungen verkleidet, wenn es kalt ist oder wenn es gesundheitliche Gründe gibt.
Nun wird das Gesetz mit Blick auf medizinische Masken diskutiert. Denn während der Pandemie wogen bundes- und landesweite Maskenpflichten schwerer als das Vermummungsverbot. Nachdem am 1. März 2023 in Wien – und damit im letzten Bundesland Österreichs – die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr abgeschafft wurde, warfen mehrere österreichische Medien die Frage auf, ob deswegen das Tragen von Masken wieder strafbar sei.
Teilweise hieß es, dass das Vermummungsverbot bei medizinischen Masken nun wohl nicht greifen werde. So wies etwa der Falter am 8. März in einem Artikel auf die Ausnahmen für das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen hin. Am selben Tag schrieb der Kurier: „Wenn die Person eine gesundheitliche Begründung glaubhaft machen kann, liegt keine Verwaltungsübertretung vor“. Diese Aspekte fehlen in einem Online-Text vom 9. März der Gratiszeitung Heute, die dazu auch eine fünfzeilige Kurzmeldung in ihrer Printausgabe veröffentlichte. Laut der sei ein Attest notwendig. Ein Screenshot der Meldung verbreitete sich neben anderen Medienberichten auf Facebook und Telegram.
Juristen betonen: Wer eine medizinische Maske tragen will, braucht kein Attest, Ministerien veröffentlichten Klarstellungen
Es herrschte also Unklarheit, ob das Tragen einer Maske im öffentlichen Verkehr eine Strafe nach sich ziehen würde oder nicht. Das lag daran, dass zwar im Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz Ausnahmen aus gesundheitlichen Gründen festgeschrieben sind – aber nicht klar war, wie diese bewiesen werden müssen. Einerseits ist im Gesetz keine Rede von notwendigen Attesten, andererseits wurden Leute in der Vergangenheit gestraft, wenn sie keines hatten.
Doch: Verfassungs- und Verwaltungsjurist Bernd-Christian Funk, Professor an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien, sagte in einem Artikel der Kleinen Zeitung vom 10. März 2023, das Verlangen eines Attests sei schon früher „problematisch“ gewesen, auch jetzt sei das aus rechtlicher Sicht „nicht zulässig“.
Verwaltungsjurist Peter Bußjäger, Professor am Institut für Öffentliches Recht der Universität Innsbruck, sagt im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck: Ein Attest brauche man nicht. Man müsse aber der Polizei „glaubhaft machen“ können, warum man sich mit einer Maske verhülle.
Ebenfalls am 10. März stellten Gesundheits- und Innenministerium ihre Rechtsansichten klar. Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch veröffentlichte einen Tweet, in dem er schreibt: „Maskentragen stellt KEINEN Verstoß gegen das Vermummungsverbot dar! Wer freiwillig Maske trägt, schützt sich und andere. Die Klarstellung wird gerade vom Innenministerium ausgearbeitet“.
Am selben Tag habe das Innenministerium einen Erlass herausgegeben, schreibt Ministeriumssprecher Harald Sörös auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Der diene als interne Handlungsanleitung für Polizistinnen und Polizisten und besage, dass man kein Attest oder einen anderen Nachweis zeigen müsse, wenn man aus gesundheitlichen Gründen eine Maske tragen würde. Öffentlich verfügbar ist der Erlass nicht.
Anwendungsgebiete des Vermummungsverbotes wandelten sich durch die Pandmie
Ministeriumssprecher Sörös schreibt auch: Man könne die aktuelle Situation nicht mit der Situation vor der Pandemie vergleichen, die sei nun „eine gänzlich andere“. So sieht das auch Verwaltungsjurist Bußjäger. Der Erlass bedeute nicht, dass jene Strafen, die vor der Pandemie wegen fehlender Atteste verhängt wurden, unzulässig gewesen seien. Auch Gesetze müsse man im Lichte neuer Erkenntnisse neu bewerten, sagt Bußjäger. Der Erlass helfe also dabei, „bei jedem Vollziehungsorgan das Bewusstsein zu schärfen und zu wissen, was zu tun ist, wenn er einer Maskenträgerin oder einem Maskenträger begegnet”.In Deutschland ist die Rechtslage anders. Auch hier gibt es keine Maskenpflicht mehr im öffentlichen Verkehr mehr. Aber das deutsche Vermummungsverbot gilt nur bei öffentlichen Veranstaltungen.
Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: