Faktencheck

Nein, diese Liste zur „Versklavung der Völker“ stammt nicht von Karl Marx

Seit Jahren kursiert eine Liste im Internet, die dem Philosophen Karl Marx zugeschrieben wird. Darauf stehen 19 Punkte zur „Versklavung der Völker“. Marx veröffentlichte laut Experten aber nie eine derartige Liste.

von Matthias Bau

Karl Marx Versklavung Völker Liste
Der Philosoph Karl Marx ist weltweit durch sein Werk „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“ berühmt geworden (Symbolbild: Markus Schreiber / Associated Press / Picture Alliance)
Behauptung
Eine Liste mit 19 Punkten zur „Versklavung der Völker“ stamme von Karl Marx und sei unter der Nummer 3926 im British Museum zu finden.
Bewertung
Frei erfunden
Über diese Bewertung
Frei erfunden. Experten bewerten die Liste als Fälschung. Sie ist auch nicht in der Sammlung des British Museum zu finden.

Auf Telegram und Facebook verbreitet sich eine Liste mit 19 Punkten zur Versklavung der Völker, sie soll angeblich auf den Philosophen Karl Marx zurückgehen (hier und hier). Ein Punkt auf der Liste: „Menschen durch Impfgifte gesundheitlich schädigen.“ Sie sei im Katalog des British Museum zu finden, heißt es in den Beiträgen. Marx lebte von 1818 bis 1883 und ist unter anderem für sein Werk „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“ berühmt. 

Die Liste kursiert seit Jahren in Sozialen Netzwerken. Sie stammt laut Experten nicht von Marx, sie ist auch nicht im Katalog des British Museum zu finden. 

Auf Telegram wurde ein Beitrag über die angebliche Liste von Marx mehr als 40.000 Mal gesehen
Auf Telegram wurde ein Beitrag über die angebliche Liste von Marx mehr als 40.000 Mal gesehen (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Angebliche Schrift von Marx im Katalog des British Museum nicht zu finden

In den Beiträgen heißt es, die Liste sei unter der Katalognummer 3926 im „britischen Museum London“ zu finden. Eine Suche mit der Nummer im Katalog auf der Webseite des Britisch Museums liefert 615 Treffer. Die Ergebnisse lassen sich weiter filtern, zum Beispiel anhand der Kategorie „Person/Organisation“. Gibt man dort den Namen „Marx“ ein, ergibt die Suche keinen Treffer. 

Eine Suche im Katalog des British Museum nach der angegebenen Katalognummer und dem Namen „Marx“ führt zu keinem Ergebnis
Eine Suche im Katalog des British Museum nach der angegebenen Katalognummer und dem Namen „Marx“ führt zu keinem Ergebnis (Quelle: britishmuseum.org; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Google-Suche mit den Schlagworten „British Museum 3926“ führt hingegen zu mehreren Faktenchecks (hier, hier, hier und hier). Die Faktencheck-Redaktion der AFP erhielt vom British Museum bereits am 14. April 2022 die Auskunft, das Archivteam des Museum habe keine Aufzeichnungen über die angebliche Liste von Marx. 

Laut mehreren Experten stammt die Liste nicht von Karl Marx 

Sowohl die Faktencheck-Redaktion der DPA als auch die Faktencheck-Redaktion der AFP kontaktierten den Philosophieprofessor und Marx-Experten Michael Quante von der Universität Münster und baten um eine Einschätzung zu der Liste. 

Quante antwortete der DPA im Jahr 2021, die Liste stamme nicht von Marx, ihm sei zudem nicht bekannt, dass Marx solche Handlungsempfehlungen abgegeben habe. Der AFP sagte er im Jahr 2022, der Text passe auch „inhaltlich nicht zur Position von Karl Marx“. Der Text könne dem Philosophen also nicht zugeordnet werden. Rolf Hecker vom „Berliner Verein zur Förderung der Marx-Engels-Gesamtausgabe“ sagte gegenüber der AFP ebenfalls, die Liste stamme nicht von Marx und könne auch nicht aus seinem Werk konstruiert werden. 

Quellenangabe schon früher für eine antisemitische Schrift verwendet

Wie aus den Faktenchecks weiter hervorgeht, taucht eine sehr ähnliche Quellenangabe auch woanders auf: In der Einleitung der antisemitischen Schrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Dort heißt es, eine Kopie der Originalschrift finde sich im Katalog des British Museum unter der Nummer „3926 d 17“. Auch dazu tauchen in der Suchmaske des Museums keine brauchbaren Ergebnisse auf.

Die „Protokolle der Weisen von Zion“ sollen angeblich belegen, dass Jüdinnen und Juden die Weltherrschaft anstreben würden. Die Schrift wurde im Dritten Reich von Adolf Hitler genutzt, um die Shoa zu rechtfertigen, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt. Doch der Inhalt ist frei erfunden, die Textsammlung eine schon in den 1920er Jahren entlarvte Fälschung. Wer sie verfasst hat, ist bis heute unklar

Redigatur: Paulina Thom, Gabriele Scherndl