Nein, die Ukraine wirbt in der New Yorker U-Bahn nicht für ihre Fremdenlegion
Ein Foto eines Plakats soll zeigen, wie die Ukraine in einer New Yorker U-Bahn Obdachlose für ihre internationale Legion anwirbt. Die Botschaft des Landes bestreitet das und auf dem Plakat gibt es mehrere Auffälligkeiten.
Seit Anfang April verbreitet sich das Foto eines Plakats in sozialen Netzwerken: Es zeigt einen Mann, der auf einer Sitzbank in einer U-Bahn liegt. Darunter steht auf Englisch: „Du hast es satt, von Sozialhilfe zu leben? Tritt der internationalen Legion zur Verteidigung der Ukraine bei.“ Auf dem Plakat sind das Wappen der Fremdenlegion der Ukraine und ein Logo des Außenministeriums zu sehen. Laut Beiträgen mit dem Foto handele es sich dabei um „Werbung in den USA für Obdachlose“. Teilweise wird behauptet, es sei in einer New Yorker U-Bahn aufgenommen worden.
Unsere Recherche zeigt: Es gibt keine Belege für die Echtheit des Plakats. Die ukrainische Botschaft in Washington sagte uns auf Nachfrage, dass noch nie Materialien für die Anwerbung von US-Bürgern erstellt worden seien. Mehrere Details entlarven Unstimmigkeiten.
Poster für Fremdenlegion ist laut ukrainischer Botschaft nicht echt
Das Poster sei gefälscht, schrieb uns Halyna Yusypiuk, eine Sprecherin der ukrainischen Botschaft in Washington, D.C. „Weder das ukrainische Verteidigungsministerium noch die Botschaft haben jemals Material zur Anwerbung von US-Bürgern für die Legion hergestellt“, so Yusypiuk. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach Beginn des russischen Angriffskriegs die ukrainische „Internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine“ ins Leben gerufen. Ihr können internationale Freiwillige beitreten, die für die Ukraine kämpfen wollen – vorausgesetzt sie haben Kampferfahrung und keine Vorstrafen.
Seit Beginn des Krieges hätten sich tausende US-Amerikaner an die Botschaft gewandt, um mehr Informationen darüber zu erhalten, wie sie sich den Streitkräften der Ukraine anschließen könnten. Viele hätten einen Vertrag mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium unterzeichnet, so Yusypiuk. Mehr als 20.000 Freiwillige hätten sich nach Angaben der Ukraine (Stand: 17. März 2022) bisher gemeldet. Unabhängig prüfen lässt sich diese Angabe nicht.
Laut einem Bericht der Associated Press hatten sich bis Anfang März 2022 mindestens 6.000 US-Amerikaner bei der Botschaft in Washington beworben, nur rund 100 seien aber akzeptiert worden. Die Nachrichtenagentur hat die Behauptung zum Poster ebenfalls in einem Faktencheck geprüft.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte Sean Butler, Sprecher der New Yorker Verkehrsgesellschaft Metropolitan Transportation Authority (MTA), die das New Yorker U-Bahnsystem verantwortet, das Plakat sei nicht gesehen worden. Es sei nach den Richtlinien der Verkehrsgesellschaft verboten.
Laut der Webseite der MTA werden alle Werbeanzeigen vor der Zulassung geprüft. In den Werberichtlinien der MTA steht, dass Anzeigen, die einen internationalen Konflikt oder Krieg kommentieren, ablehnen oder befürworten, generell nicht zugelassen werden.
Foto samt Behauptung verbreitete sich unter anderem in prorussischen Telegram-Kanal
Mit einer Bilderrückwärtssuche finden wir mehrere Beiträge, die das Foto samt Behauptung verbreiteten – viele davon sind in russischer Sprache. Der frühste Beitrag, den wir finden konnten, stammt von dem Telegram-Kanal „WarDonbass“, der hauptsächlich prorussische Beiträge zum Ukraine-Krieg teilt. Für Rückfragen geben die Autoren des Kanals eine E-Mail-Adresse mit der URL „cigr.net“ an. Die Webseite berichtet demnach über militärische Konflikte und bietet eine Reihe Dienstleistungen an, darunter die „Erstellung von Materialien, einschließlich Werbematerialien für öffentliche und private Unternehmen“ und die „umfassende politische Beratung, Erstellung von Infokommunikationen, Informationsunterstützung von politischen Parteien und Kräften.“
Neben der E-Mail-Adresse sind auch zwei Profile der Administratoren des Kanals angegeben: „Ispanecw“ und „adrzdov“, der laut dem Profil Anton Drozdow heißt. Suchen wir nach den Profilnamen, finden wir Hinweise, dass die beiden auch aktiv russische Soldaten im Donbass mit Hilfsgütern und militärischer Ausrüstung unterstützen.
Im Telegram-Beitrag von WarDonbass ist zudem ein größerer Ausschnitt des Posters zu sehen. Einige Details in dem Bild sprechen dafür, dass es sich um eine Fälschung handelt und nicht um ein offizielles Plakat in einer New Yorker U-Bahn.
Details der angeblichen Anwerbung für die Fremdenlegion deuten auf Fälschung hin
Unten auf dem Plakat steht eine Telefonnummer: (00 1 202) 349 29 44. Das ist tatsächlich eine Nummer der ukrainischen Botschaft in Washington – es ist jedoch unklar, wieso „001“, die internationale Vorwahl der USA, angegeben ist. Außerdem scheint die Botschaft zumindest aktuell eine andere Rufnummer zu verwenden. Auf der Webseite der internationalen Legion der Ukraine ist die Nummer aber an erster Stelle für die Botschaft genannt.
In dem größeren Ausschnitt des Bildes auf Telegram ist zudem eine Telefonnummer für das Arbeitsministerium Idaho zu sehen. Darüber steht „Kauai“, eine Insel des Bundesstaates Hawaii, und eine weitere Telefonnummer: 808-274-3043 – das ist eine Nummer des Arbeitsamts auf der US-Insel. Die angeblichen Aushänge sehen eher so aus – oder sollen so aussehen –, als ob sie an einem Ort hängen, wo arbeitssuchende Menschen sich informieren können.
Ein weiteres Indiz spricht dafür, dass es sich nicht um die New Yorker U-Bahn handelt: Werbeanzeigen dort haben normalerweise einen Metallrahmen, und nicht, wie im Bild, einen offenen weißen Plastikrahmen.
Im Februar 2023 kursierte bereits ein anderes gefälschtes Plakat im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, das wir hier geprüft haben. Damals hieß es, dass deutsche Verteidigungsministerium habe ukrainische Soldaten mit einem Plakat auf das Verbot von Hakenkreuzen hingewiesen. Auch diese Behauptung war falsch.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann