Neuruppin: E-Auto-Ladestation nutzt keinen Diesel, sondern Bioethanol
Online hagelt es immer wieder Kritik an E-Autos. Ein aktueller Fall zeigt, dass dahinter nicht immer Fakten stehen. Angeblich werde in Neuruppin in Brandenburg eine E-Auto-Ladestation mit einem Dieselaggregat betrieben. Das ist falsch, die Station nutzt Bioethanol.
Online wird mal wieder gegen das E-Auto ausgeteilt: Auf Facebook, Twitter und Tiktok behaupten Nutzerinnen und Nutzer, in Neuruppin in Brandenburg gebe es eine E-Auto-Ladestation, die mit einem Diesel-Aggregat betrieben werde. Das stimmt nicht.
Ladestation befindet sich am Landgericht Neuruppin
Bei genauem Hinsehen sind auf der Ladestation die Worte „me energy rapid charging beyond the grid“ zu lesen. Wir haben daher zunächst bei Google nach den Schlagworten „me energy“ und „Neuruppin“ gesucht.
So stießen wir auf einen Beitrag auf der Webseite des brandenburgischen Unternehmens „me energy“. Darin heißt es, das Unternehmen habe Aufträge für Schnell-Ladestationen in Cottbus, Eberswalde und Neuruppin erhalten. Wir haben daher bei der Stadt Neuruppin angefragt, ob es dort eine solche Ladestation gibt. Pressesprecherin Michaela Ott schrieb uns, die Ladestation befände sich auf dem Gelände des Landgerichts. Das stimmt auch mit Angaben auf Google-Maps überein.
Schnell-Ladestation nutzt Bioethanol
Ott verwies uns zudem auf eine Pressemitteilung des Branderburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauten. Dieser sei zuständig für die Bewirtschaftung des Geländes des Landgerichts. Die Pressemitteilung informiert über eine Schnell-Ladestation in Potsdam, weitere seien für Cottbus, Eberswalde und Neuruppin geplant. Zum genutzten Kraftstoff heißt es: „Der Strom wird vor Ort in der Ladestation CO2-neutral aus flüssigem Bioethanol erzeugt.“
Dominique Barth, Pressesprecherin des Unternehmens „me energy“, schrieb uns: „Die Schnellladestation Rapid Charger 150 wurde im Mai 2023 in Betrieb genommen.“ Laut einer Informationsseite des Unternehmens nutzt die Ladestation Bioethanol und nicht Diesel.
Bioethanol wird mit Pflanzen beziehungsweise Biomasse hergestellt. Laut dem österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz (PDF-Download) kann Bioethanol aus jeder stärkehaltigen Pflanze gewonnen werden, zum Beispiel aus Zuckerrüben, Zuckerrohr, Weizen oder Mais. Auch an der Nutzung von pflanzlichen Reststoffen wie Stroh oder Holzresten werde gearbeitet.
Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schreibt, Bioenergie, also auch Bioethanol, trage zur Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen bei. Zusätzlich zu berücksichtigen seien bei der CO2-Bilanz lediglich „die mit der Bioenergieerzeugung verbundenen Emissionen“. Also zum Beispiel die Emissionen, die beim Anbau der benötigten Pflanzen entstehen.
Biokraftstoffe sind nicht zwingend klimaneutral
Biokraftstoffe sind nicht unbedingt klimaneutral, erklärt das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH (Ifeu) in einer Veröffentlichung (PDF). Darin heißt es: „Nicht unerhebliche Mengen an Treibhausgasen werden über den Ackerbau (vor allem Düngemittel, Diesel für Maschinen, Herstellung von Pestiziden) freigesetzt und auch die Verarbeitung der Rohstoffe zu einem Kraftstoff ist energieintensiv.“
Laut Sprecherin Barth bezieht „me energy“ seinen Bioethanol „möglichst regional aus Deutschland“. Auf unsere Frage, aus welchen Rohstoffen das Ethanol genau gewonnen werde, antwortete Barth lediglich, das Unternehmen verwende Bioethanol aus „nachwachsenden Rohstoffen“.
Doch warum braucht die Schnell-Ladestation einen Generator? Warum ist sie nicht einfach an das örtliche Stromnetz angeschlossen? Darüber gibt es laut der Märkischen Allgemeinen Unklarheiten in der Stadt: Von Seiten des Landesbetriebs für Liegenschaften und Bauen heißt es, das Stromnetz sei nicht hinreichend ausgebaut. Stadtwerke-Chef Thoralf Uebach sagt hingegen: „Mit uns hat darüber gar keiner gesprochen.“ Das Stromnetz müsse für eine Schnell-Ladesäule aber möglicherweise ausgebaut werden, räumt Uebach ein. Nach seinen Angaben hätte das 20.000 bis 30.000 Euro gekostet. Die Ladestation habe laut des Landesbetriebs 150.000 Euro gekostet, schreibt die Märkische Allgemeine.
Update, 16. Mai 2023: Wir haben im letzten Absatz des Textes ergänzt, warum keine Schnell-Ladestation installiert wurde, die ans örtliche Stromnetz angeschlossen ist.
Redigatur: Steffen Kutzner, Viktor Marinov