Faktencheck

Was hinter Gerüchten um den angeblichen Tod des ukrainischen Oberbefehlshabers Saluschnyj steckt

Seit Mitte Mai verbreiten sich Gerüchte über eine wichtige Figur im ukrainischen Militär: Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj. Er soll schwer verletzt oder fast tot sein, heißt es in russischen Medienberichten. Ein aktuelles Video und ukrainische Berichte widersprechen.

von Viktor Marinov

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Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj bei einer Veranstaltung in Kiew ein Jahr nach Kriegsbeginn (Quelle: Picture Alliance / Associated Press)
Behauptung
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, sei tot oder schwer verletzt.
Bewertung
Unbelegt. Berichte darüber, dass Saluschnyj Mitte Mai schwer verletzt worden ist, liefern keine eindeutigen Belege. Ein aktuelles Video zeigt Saluschnyj am Leben und ohne sichtbare Verletzungen. Ob er verletzt war, lässt sich jedoch nicht abschließend klären.

Walerij Saluschnyj, General und Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, ist eine zentrale Figur für sein Land im Krieg gegen Russland. Medienberichte schreiben ihm eine wichtige Rolle für die militärischen Erfolge der Ukraine zu. In den vergangenen Tagen häufen sich in Sozialen Netzwerken und russischen Medien die Meldungen, Saluschnyj sei tot oder bei einem russischen Angriff schwer verletzt worden.

Doch ein aktuelles Video mit Saluschnyj zeigt, dass es sich bei den Meldungen um Spekulationen handelt. Auch die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin schrieb, der General sei wohlauf.

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Auch auf Telegram verbreiteten sich unbelegte Behauptungen über den gesundheitlichen Zustand von Walerij Saluschnyj (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Russische Medienberichte verbreiten Spekulationen über Saluschnyjs gesundheitlichen Zustand

Die Behauptungen rund um Saluschnyj kursieren in unterschiedlichster Form. Schon am 19. Mai griff Jewgeni Prigoschin die Gerüchte auf. Er ist Chef der Söldnergruppe Wagner und gilt als enger Vertrauter Putins. Saluschnyj sei zwischen dem 10. und 12. Mai innerhalb des Zielgebiets der Artillerie der Wagner-Gruppe gewesen, sagte Prigoschin laut russischen Medienberichten. Wie erfolgreich die Angriffe gewesen seien, sei nicht klar.

Am 20. Mai schrieb der russische Telegram-Kanal Joker DPR unter Berufung auf „Spione“: Saluschnyj sei Anfang Mai schwer verletzt und chirurgisch operiert worden. Falls er überlebe, werde er definitiv nicht in der Lage sein, die Armee zu führen. Saluschnyj sei „fast tot“, hieß es daraufhin in einem russischen Medienbericht.

Joker DPR ist ein für Desinformation bekannter Kanal, die Abkürzung DPR steht für „Donetsk People’s Republic“, also die selbsternannte Volksrepublik Donezk, die von pro-russischen Separatisten beherrscht wird. Der Kanal teilte in der Vergangenheit etwa gefälschte Dokumente, um pro-russische Narrative zu stützen. 

Die Spekulationen verbreiteten sich weiter. Auch die staatliche russische Agentur RIA Novosti schrieb am 24. Mai, Saluschnyj habe eine Kopfwunde und weitere Verletzungen  erlitten. Dafür berief sich RIA Novosti auf Joker DPR und eine ungenannte Quelle aus russischen Sicherheitskreisen. Der ukrainische General, schreibt RIA Novosti, sei seit einiger Zeit nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten.

Aktuelles Video zeigt Saluschnyj lebendig und ohne sichtbare Verletzungen

Was sagt die ukrainische Seite dazu? Am 20. Mai veröffentlichte die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar auf ihrem offiziellen Telegram-Kanal ein Statement dazu. Der Oberbefehlshaber sei im Amt. Er mache seine Arbeit und sie habe gerade mit ihm gesprochen. Russland wolle mit solchen Meldungen die Moral der ukrainischen Truppen angreifen. Auch ukrainische Medien berichteten: Die ukrainische Zeitung Kiyv Post veröffentlichte ein Foto von Saluschnyj auf Twitter und bezeichnete die Geschichte um seine angebliche Verwundung als Lüge, er lebe und sei wohlauf.

Einen weiteren Beleg lieferte der ukrainische Offizier Anatoli Stefan am 25. Mai auf Telegram. Er veröffentlichte ein Video mit Saluschnyj und schrieb dazu: „Schlechte Nachrichten für russische Propaganda.“ Im Video selbst ist Saluschnyj zu sehen, etwaige Verletzungen sind nicht erkennbar. Er lächelt in die Kamera und spricht ein paar Worte.

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Ein Telegram-Video eines ukrainischen Offiziers vom 25. Mai zeigt Saluschnyj (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir haben die Metadaten des Videos mit den Online-Tools Metadata2go und Exif.tools eingesehen: Beide zeigten den 25. Mai als Erstellungsdatum. Sowohl das Datum als auch die Tatsache, dass Anatoli Stefan die neuen Gerüchte explizit anspricht, deuten darauf hin, dass das Video aktuell ist. Auch Saluschnyjs eigener Telegram-Kanal ist weiterhin aktiv. Unter anderem wird dort am 29.5. von aktuellen Angriffen auf Kiew berichtet, die auch Medienberichte belegen. 

Fazit: Die Gerüchte rund um die Verwundung oder gar den Tod des ukrainischen Oberbefehlshabers Saluschnyj sind unbelegt. Ein aktuelles Video zeigt ihn lebendig, darauf sind keine Verletzungen zu erkennen. Ob es solche Verletzungen jemals gab und wie schwer sie waren, wie russische Medien spekulierten, können wir nicht abschließend beurteilen.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Uschi Jonas, Sarah Thust