Faktencheck

Kachowka-Staudamm: Nein, Scholz sitzt nicht „grinsend“ auf einem Boot während in der Ukraine Menschen vor der Flut fliehen

In Sozialen Netzwerken wird behauptet, Bundeskanzler Olaf Scholz sitze „grinsend“ auf einem Boot während in der Ukraine Zivilistinnen und Zivilisten vor den Fluten nach einem Dammbruch flüchten. Das stimmt nicht, das Foto entstand schon vor dem Bruch des Kachowka-Staudamms.

von Gabriele Scherndl

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Ein Pressefoto zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz auf einem Boot in Warnemünde – es entstand aber schon am 5. Juni, also bevor der Staudamm in der Ukraine brach (Quelle: Kay Nietfeld / Associated Press / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Foto zeige Olaf Scholz grinsend auf dem Wasser während Zivilisten aus den überschwemmten Gebieten von Cherson fliehen müssen.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Foto ist echt, doch es entstand am 5. Juni – einen Tag bevor der Kachowka-Staudamm brach.

Ausgerechnet an dem Tag, an dem in der Ukraine der Kachowka-Staudamm brach, soll Bundeskanzler Olaf Scholz „grinsend“ auf einem Boot sitzen. Ein Foto davon kursiert auf Telegram und Twitter. Dabei steht: „Während Zivilisten aus den überschwemmten Gebieten von Cherson fliehen müssen, grinst sich der deutsche Kriegstreiber Nr. 1 einen auf dem Wasser.“ Tausende Menschen sahen Beiträge wie diese. Auch der Telegram-Kanal Vladimir Tupin, der schon in der Vergangenheit mit falschen Informationen auffiel, verbreitete die Behauptung. 

Doch das Foto entstand vor dem Dammbruch am 6. Juni. Die SPD-Bundestagsfraktion veröffentlichte es zwar an diesem Tag auf Twitter, doch Aufnahmen in Fotoarchiven zeigen, dass das Bild dort schon am 5. Juni 2023 hochgeladen wurde. Am selben Tag veröffentlichten es auch Medien. Es entstand beim Besuch des Kanzlers bei der Marine in Rostock-Warnemünde am 5. Juni. Laut Ostsee-Zeitung zeigt es, wie er dort auf einem Boot von der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ zu einem Minenräumboot gefahren wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz wird bei seinem Besuch der Deutschen Marine in Rostock-Warnemünde am Montag, 5. Juni 2023, auf einem Boot von der Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" zu einem Minensuchboot gefahren. Das Boot hat den Namen Boomeranger, Scholz lächelt und winkt. Als Aufnahmedatum ist in der Bilddatenbank der 5. Juni angegeben.
Das Foto von Olaf Scholz auf dem Boot vor Rostock-Warnemünde entstand bereits am 5. Juni – einen Tag bevor der Staudamm in der Ukraine brach (Quelle: Kay Nietfeld / Associated Press / Picture Alliance; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Kachowka-Staudamm brach laut Medienberichten erst am 6. Juni. Der ukrainische Präsident Selenskyj schrieb auf Telegram, das sei um 2:50 Uhr passiert – also nach Scholz’ Bootsfahrt. Der Damm steht in einem russisch besetzten Gebiet im Süden der Ukraine und löste Überflutungen in russich und ukrainisch kontrollierten Regionen aus, tausende Häuser stehen unter Wasser, zehntausende Menschen mussten evakuiert werden.

Foto von Scholz auf dem Boot erinnert an #Laschetlacht

Noch ist unklar, wer für die Zerstörung des Staudamms verantwortlich ist, die Ukraine und Russland weisen sich gegenseitig die Schuld dafür zu. Mehrere Experten sagten in Medienberichten aber, vieles spreche für eine Schuld Russlands. Laut NBC deuten darauf auch Informationen hin, die der US-amerikanischen Regierung vorliegen. Die falsche Behauptung rund um Scholz nährt das Narrativ, die Ukraine oder ihre Unterstützer seien für die Überflutung verantwortlich.

Und sie erinnert an eine Situation, die Medien als „Image-Katastrophe“ Armin Laschets bezeichnen: Nach den verheerenden Fluten im Ahrtal im Juli 2021 schoss ein Pressefotograf ein Foto davon, wie Laschet bei einem Besuch im Flutgebiet lachte. Er war damals Kanzlerkandidat für die CDU, in Folge trendete auf Twitter der Hashtag #Laschetlacht. Beobachter bezeichneten das Verhalten als würdelos und pietätlos. Noch ein Jahr später gab Laschet an, dieses Verhalten zu bereuen. Kanzler wurde er nicht.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Uschi Jonas, Steffen Kutzner

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