Faktencheck

Nein, New Yorks Stadtregierung kündigte kein „CO2-Tracking“ von Lebensmitteleinkäufen an

Ein Modell, das den CO2-Ausstoß von New Yorks Bevölkerung berechnet, sorgt für Spekulationen: Die Stadt werde Lebensmitteleinkäufe künftig anhand von Kreditkarten-Daten nachverfolgen, so der Online-Sender Auf1. Doch dafür finden sich keine Belege und der CO2-Ausstoß wird anhand freiwilliger Angaben hochgerechnet.

von Sarah Schmidt

Nein, New Yorks Stadtregierung kündigte kein „CO2-Tracking“ von Lebensmitteleinkaeufen an
Auch in Zukunft dürfen New Yorker kaufen, was sie wollen (Symbolbild: Wang Ying / Xinhua News Agency / Picture Alliance)
Behauptung
New Yorks Stadtregierung unter Bürgermeister Eric Adams habe Mitte April 2023 angekündigt, ein „CO2-Tracking“ einzuführen. Dabei sollten über eine Kooperation mit American Express Daten von Kreditkarten ausgewertet und so über getätigte Lebensmitteleinkäufe der individuelle CO2-Ausstoß gemessen und Höchstwerte festgelegt werden.
Bewertung
Falsch. New Yorks Stadtregierung kündigte kein „CO2-Tracking“ an. Von Höchstwerten, die festgelegt werden sollen, ist an keiner Stelle die Rede. Die Stadtregierung stellte zwar Mitte April 2023 ein Emissionsinventar – also eine Bestandsaufnahme der CO2-Emissionen – vor, das auch den privaten Konsum einbezieht. Dafür wurden aber keine Kreditkartendaten ausgewertet und laut einem Sprecher des Städteverbunds C40, zu dem auch New York gehört, ist das auch nicht in Planung.

Laut einem Video-Beitrag des österreichischen Online-Senders Auf1 vom 11. Mai 2023 werde es in New York bald eine „CO2-Einkaufskontrolle“ geben, bei der über die Daten von Kreditkarten die Lebensmitteleinkäufe der Einwohner nachverfolgt und so deren CO2-Ausstoß gemessen würde. Das habe New Yorks Stadtregierung Mitte April 2023 bekannt gegeben. 

Wie wir bereits berichteten, verbreitet Auf1 häufiger Verschwörungserzählungen und Desinformation. Auch die Erzählung zur angeblichen „CO2-Einkaufskontrolle“ in New York ist falsch, die Stadtregierung kündigte sie nicht an. Pressesprecher Rolf Rosenkranz von C40, einem globalen Netzwerk aus Großstädten im Kampf gegen den Klimawandel, bestätigte uns, dass New York den Konsum der Haushalte nicht erfasse. Zudem habe der Kreditkartenanbieter American Express zwar die Erstellung konsumbasierter Emissionsdaten unterstützt, doch das sei rein finanziell gewesen. Eine Auswertung von individuellen Konsumdaten gebe es nicht und das sei auch nicht geplant. 

Auf1 behauptet fälschlicherweise, die Stadt New York wolle den Konsum der Bevölkerung anhand von Kreditkartendaten nachverfolgen
Auf1 behauptet fälschlicherweise, die Stadt New York wolle den Konsum der Bevölkerung anhand von Kreditkartendaten nachverfolgen (Quelle: Auf1; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

New Yorks Stadtregierung sprach nicht von einer „CO2-Einkaufskontrolle“ 

Auf1 beruft seine Behauptungen auf eine Ankündigung der Stadt New York von Mitte April. Die Stadtregierung stellte bei einer Pressekonferenz am 17. April 2023 ein Emissionsinventar vor, das erstmals auch den CO2-Ausstoß von Konsumgütern miteinrechnet. Die Daten zeigen: Die Ernährung ist nach dem Gebäude- und Transportsektor die drittgrößte Emissionsquelle – besonders Fleisch- und Milchprodukte weisen eine ungünstige Klimabilanz auf.

Vor diesem Hintergrund kündigte New Yorks Bürgermeister Eric Adams an, die Lebensmittel-Emissionen bis 2030 um 33 Prozent senken zu wollen. Das betreffe aber ausschließlich die städtischen Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Schulen. Von einer Überwachung oder gar von einer Festlegung von Höchstwerten für den individuellen Konsum war zu keinem Zeitpunkt in der Pressekonferenz die Rede, auch nicht davon, dass Daten zum individuellen Einkaufsverhalten über Kreditkarten gesammelt werden sollen.

Wie bemisst sich der CO2-Ausstoß von New York?

Normalerweise werden CO2-Emissionen dort erhoben, wo sie entstehen, also dort, wo zum Beispiel fossile Energieträger verbrannt werden oder Kühe Methangas ausstoßen. Hier spricht man auch von direkten Emissionen. Indirekte Emissionen beziehen sich hingegen auf Konsumgüter – die Emissionen werden nicht der Produktionsstätte zugerechnet, sondern den Haushalten, die das Produkt konsumieren. 

Auf der Webseite der Stadt New York sind Daten zu direkten Treibhausgasmissionen ab 2005 verfügbar. Die indirekten Emissionen, die durch den Konsum von Waren entstehen, wurden nun erstmals in einem eigenen Emissionsinventar berechnet. Allerdings stammen die Daten nicht von Kreditkarten, mit denen Personen in New York ihre Lebensmittel einkaufen, sondern beruhen auf Hochrechnungen freiwilliger Angaben einzelner Haushalte. Die Hochrechnung geht dabei von Daten aus dem Jahr 2019 aus, um Abweichungen durch die Corona-Pandemie auszuschließen.

Die Firma EcoDataLab hat das Emissionsinventar zum CO2-Ausstoß erstellt und erklärt auf ihrer Webseite: Die indirekten Emissionen würden nicht durch den Verbrauch oder das Verhalten individueller Haushalte gemessen. „Stattdessen nutzen wir ein Modell (eine Reihe komplexer Berechnungen), um den Konsum von Waren und Dienstleistungen und die damit verbundenen Emissionen zu schätzen“, heißt es. Der Ansatz kombiniere reale Konsum- oder Emissionsdaten, sofern verfügbar, und Prognosen, die auf demografischen, regionalen und nationalen Durchschnittswerten basieren. 

E-Mail von Ben Gould, Vorsitzender von EcoDataLab
E-Mail von Ben Gould, Vorsitzender von EcoDataLab (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Auf Nachfrage ergänzt Ben Gould, Vorsitzender von EcoDataLab: Grundlage seien Daten der sogenannten „US Consumer Expenditures Survey“, einer landesweiten Umfrage, bei der ausgewählte Haushalte eine Woche lang freiwillig Auskunft zu ihrem Konsumverhalten geben. Diese Daten werden vom „US Bureau of Labor Statistics“ anonymisiert veröffentlicht

Ausgehend davon wurde berechnet, wie bestimmte Faktoren – zum Beispiel die Größe des Haushalts oder das Haushaltseinkommen – mit Konsumentscheidungen zusammenhängen. Diese landesweiten Ergebnisse übertrug EcoDataLab auf die lokale Bevölkerung in New York. Laut Gould handelt es sich also um statistische Berechnungen, nicht um die Nachverfolgung individueller Konsumentscheidungen. „Wir verwenden keine Kreditkartendaten“, schrieb Gould.

Daten zu konsumbasiertem CO2-Ausstoß beruhen nicht auf Daten von Kreditkartenanbieter American Express 

„Die Stadt erfasst den Konsum der Haushalte nicht“, bestätigt uns auch Rolf Rosenkranz, Pressesprecher von C40, einem Netzwerk aus knapp hundert Großstädten weltweit – darunter New York – die gemeinsam Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise erarbeiten. C40 erstellte in Zusammenarbeit mit EcoDataLab und der Stadt New York das Emissionsinventar.

In einer C40-Pressemeldung hieß es zwar: Der Kreditkartenanbieter American Express werde die Erstellung eines konsumbasierten Emissionsinventars unterstützen. Damit war allerdings finanzielle Unterstützung gemeint und nicht, dass Daten von Besitzenden einer American-Express-Kreditkarte für die Konsumerfassung genutzt werden sollen, wie im 2023 veröffentlichten Emissionsinventar nachzulesen ist. Auch Rosenkranz bestätigt: „American Express hat keine Kreditkartendaten […] zur Verfügung gestellt und plant auch nicht, dies zu tun.“ Der Kreditkartenanbieter habe C40 lediglich finanziell unterstützt. 

Wir haben auch bei der Stadt New York und American Express nachgefragt, aber bis zur Veröffentlichung des Faktenchecks keine Rückmeldung erhalten. Neben der Pressekonferenz von April finden sich auch ansonsten auf der Webseite der Stadt New York mit den Suchbegriffen „CO2“ und „credit card“ keine Hinweise auf Pläne, den Lebensmittelkonsum mit Höchstwerten zu belegen oder über Kreditkarten-Daten zu erfassen. Auch auf der Webseite von American Express fanden wir keine Hinweise dafür.

Im Zusammenhang mit den CO2-Reduktionsplänen der Stadt New York kursierte eine weitere Falschbehauptung über die Einschränkung des individuellen Lebensmittelkonsums, die wir hier überprüft haben.

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressekonferenz mit New Yorks Bürgermeister Eric Adams, 17. April 2023: Link (Englisch, archiviert)
  • Transkript der Pressekonferenz mit New Yorks Bürgermeister Eric Adams, 17. April 2023: Link (Englisch, archiviert)
  • Direkte und indirekte Emissionen, Statistisches Bundesamt Destatis, 2023: Link
  • NYC Greenhouse Gas Inventories mit Daten ab 2005: Link (Englisch) 
  • New York City Household Consumption-Based Emissions Inventory, 2023: Link (Englisch, archiviert)
  • Pressemitteilung von C40, 9. Mai 2022: Link (Englisch, archiviert)