Faktencheck

Bürgermeister und Schweinefleisch: Alter Kettenbrief kursiert erneut, dieses Mal in der Schweiz

Mal soll der Bürgermeister aus Frankreich kommen, mal aus Kanada, nun aus der Schweiz: Ein Bürgermeister soll einen antimuslimischen Brief geschrieben haben, in dem es um Schweinefleisch in Schulkantinen geht. Der angebliche Brief kursiert seit Jahren, er ist eine Fälschung.

von Gabriele Scherndl

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Immer wieder gibt es Aufregung darüber, ob und wo Schweinefleisch serviert wird. Ein angeblicher Kettenbrief dazu ist frei erfunden. (Quelle: Bulat Khamitov / Pexels)
Behauptung
Nachdem muslimische Eltern sich gegen Schweinefleisch in Schulkantinen ausgesprochen hätten, habe ein Bürgermeister in der Schweiz geantwortet, dass Muslime ihren „Lebensstil ändern“ müssten, die Schweizer seien „​​nicht bereit, ihre Identität und ihre Kultur aufzugeben“.
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Frei erfunden. Der angebliche Brief ist eine Fälschung und existiert seit zehn Jahren mit Bezug auf unterschiedliche Länder und Städte. Der Ursprung dürfte ein rechter Blog in Frankreich sein.

Mal soll das antimuslimische Schreiben aus Dorval, Kanada stammen, mal aus Soignies, Belgien, mal aus Perpignan, Frankreich. Und nun aus der Schweiz. Inhalt des Schreibens, das aktuell vielfach auf Facebook kursiert: Ein angeblicher Bürgermeister antwortet auf die Wünsche muslimischer Eltern, Schweinefleisch in den Schulen abzuschaffen. Darin ist unter anderem die Rede davon, dass die Schweizer nicht bereit seien, ihren Lebensstil zu ändern. Das müssten die Muslime tun. Sonst gebe es zahlreiche muslimische Länder, die Muslime mit offenen Armen aufnehmen würden.

Doch das ist kein echtes Schreiben eines Bürgermeisters. Der Beitrag ist ein Kettenbrief und kursiert seit mindestens zehn Jahren. Bürgermeister mehrerer Städte dementierten bereits, dafür verantwortlich zu sein. Der Ursprung ist vermutlich ein rechter Blog in Frankreich.

In einem Facebook-Beitrag wird ein angeblicher Brief eines Schweizer Bürgermeisters geteilt.
Dieses angebliche Bürgermeister-Schreiben kursiert im Internet seit zehn Jahren mit Bezug auf unterschiedliche Städte (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Gemeinden in verschiedenen Ländern dementierten, dass der Schweinefleisch-Brief von ihnen stammt

Einen Hinweis darauf, dass mit dem Schreiben etwas nicht stimmt, gibt schon die Verwendung des Wortes „Bürgermeisters“. Das ist in der Schweiz kaum geläufig, die Leiter einer Stadt heißen dort Stadtpräsidenten, bei einer politischen Gemeinde Gemeindepräsidenten. Über das angebliche Schweinefleisch-Schreiben gibt es auch keine Medienberichte.

Zahlreiche Faktencheck-Organisationen beschäftigten sich bereits mit diesem Schreiben und stellten fest, dass es falsch ist. So sprach etwa die AFP 2020 mit dem ehemaligen Bürgermeister von Soignies, Belgien. Er erstattete demnach Anzeige wegen Verleumdung, als das Schreiben in seinem Namen im Umlauf war. 

2022 tauchte die Behauptung mit Verweis auf den Ort Dorval, Kanada auf. Unsere Recherche dazu zeigt: Schon 2015 dementierte der Ort Dorval die Meldung: „[…]der Bürgermeister möchte den Sachverhalt klarstellen, dass weder er noch irgendein Vertreter der Stadt in irgendeiner Weise solche Kommentare abgegeben hat“, heißt es in einer Pressemitteilung. 

Dort heißt es auch, eine ähnliche Falschmeldung sei erstmals 2013 in den USA über einen belgischen Bürgermeister aufgetaucht. Tatsächlich kursierte damals eine ähnliche Meldung über den Bürgermeister aus dem belgischen Ath. Auch dort wies der Bürgermeister die Behauptung als falsch zurück. 

Ursprung des Schreibens ist vermutlich ein rechter Blog aus Frankreich

Die älteste bekannte Spur des Schreibens führt allerdings nach Frankreich. Radio-Canada stieß auf ein Schreiben vom Januar 2013 von Françoise Thomel, der stellvertretenden Bürgermeisterin von Juan-les-Pins, Teil der Gemeinde Antibes nahe Nizza. Thomel schreibt, dass sich einige Eltern für mehr, andere für weniger Schweinefleisch in Schulen einsetzen würden und verweist darauf, dass die Schulen und damit auch die Schulkantinen säkular geführt würden und die Verpflegung deshalb unabhängig von religiösen Überzeugungen sei. Der Wortlaut unterscheidet sich allerdings vom Schreiben in den Facebook-Beiträgen.

Ein französischer Blog namens Dreuz griff das Thema damals auf und verfasste eine Art Dankesschreiben an die Vize-Bürgermeisterin. Übersetzt ins Deutsche ist der Text fast wortgleich mit dem Kettenbrief auf Facebook. Laut dem belgischen Fernsehsender RTBF ist Dreuz ein ausländerfeindlicher christtlich-konservativer Blog, die französische Le Monde bezeichnet ihn als rechtsextrem. Die Seite fiel mehrfach mit Desinformation auf.

Redigatur: Max Bernhard, Viktor Marinov

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Schreiben von Françoise Thomel, stellvertretende Bürgermeisterin von Antibes Juan-les-Pins, Frankreich, 9. Januar 2013: Link (Französisch, archiviert)
  • Blogbeitrag von Deuz.info, 25. Januar 2013: Link (Französisch, archiviert)
  • Dementi aus Ath, Belgien, 2014: Link (Französisch, archiviert)
  • Dementi aus Dorval, Kanada, 27. Januar 2015: Link (Englisch, archiviert)