Faktencheck

Debatte um AfD-Verbot: Angebliches Zitat von Saskia Esken ist frei erfunden

Politikerinnen und Politiker diskutieren nach dem Geheimtreffen von Rechtsextremen und AfD-Mitgliedern erneut ein mögliches Verbot der Partei. Dazu kursiert ein Zitat der SPD-Politikerin Saskia Esken, das sie angeblich in einer NTV-Sendung gesagt haben soll. Doch das Zitat ist erfunden.

von Paulina Thom

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Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken bei einer Sitzung im Deutschen Bundestag im Dezember 2023 (Symbolbild: Frederic Kern / Geisler-Fotopress / Picture Alliance)
Behauptung
SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken habe in einem Interview mit NTV am 11. Januar 2024 gesagt: „Die SPD wird alles dafür tun, um die AfD für verfassungsfeindlich zu erklären. Das ist kein Angriff auf die Demokratie, sondern dient dem Schutz der SPD. Wir können nicht zulassen, mehr Wählerstimmen an die AfD zu verlieren.“
Bewertung
Frei erfunden
Über diese Bewertung
Frei erfunden. Saskia Esken sprach zwar bei NTV über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD, aber das angebliche Zitat fiel dabei nicht. Ein Sprecher der SPD bezeichnete das Zitat als falsch. Auch sonst finden sich keine Belege, dass die Politikerin sich wie behauptet geäußert hat.

Nach den Berichten von CORRECTIV über ein geheimes Treffen von AfD-Politikerinnen und -Politikern, Unternehmern und Rechtsextremen und ihren Plan, Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben, ist ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD erneut politisches Diskussionsthema

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken hatte sich bereits Anfang Januar 2024, einige Tage vor dem CORRECTIV-Bericht, für eine regelmäßige Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen. Gegenstimmen dazu gab es auch aus ihrer eigenen Partei.

Laut Beiträgen auf X und Facebook soll Esken nun gesagt haben, ihre Partei werde alles dafür tun, die AfD für verfassungsfeindlich zu erklären. Das diene dem Schutz der SPD. „Wir können nicht zulassen, noch mehr Wählerstimmen an die AfD zu verlieren“, heißt es im angeblichen Zitat weiter. 

Screenshot eines Beitrages auf Facebook
Als Quelle für das angebliche Zitat ist in den Beiträgen, wie hier auf Facebook, ein Interview bei NTV angegeben. Doch Esken äußerte sich dort nicht wie behauptet. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Saskia Esken äußerte sich bei NTV nicht wie behauptet über AfD-Verbot 

Laut den Beiträgen soll Esken sich bei einem Interview mit dem Sender NTV am 11. Januar 2024 so geäußert haben. Die SPD-Politikerin war tatsächlich an dem Tag zu Gast in der Sendung Frühstart. Das Interview ist auch auf dem Youtube-Kanal von NTV zu finden: Bei Minute 1:36 nimmt der Moderator Bezug auf das Treffen von AfD-Funktionären und Rechtsextremen in Potsdam. „Ist es nicht spätestens jetzt an der Zeit ein AfD-Verbotsverfahren zu starten?“, fragt er Esken. 

Die Politikerin antwortet, was man über das Treffen gehört habe, sei widerwärtig. „Aber es ist natürlich nicht neu, dass diese Haltungen in der AfD bestehen.“ Die gesamte AfD sei ein „rechtsradikaler Flügel“, der bestens mit gefährlichen und gewaltbereiten Rechtsextremen vernetzt sei. Es sei die Aufgabe einer „wehrhaften Demokratie“, gegen diese Netzwerke zu ermitteln und diese strafrechtlich zu verfolgen. 

Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens laut Esken Aufgabe des Verfassungsschutzes

Bei Minute 2:26 hakt der Moderator noch einmal zum Verbot nach. Esken sagt, es sei Aufgabe der Bundes- und Landesämter des Verfassungsschutzes, Nachweise zu führen, ob die AfD der freiheitlich demokratischen Grundordnung entgegenstehe. „Deswegen liegt es auch an denen, am Ende deutlich zu machen, wann der Moment [für ein Verbotsverfahren, Anm. d. Red.] gekommen ist.“ 

Esken spricht sich dafür aus, mit einem Verfahren nicht so lange zu warten, bis die AfD zu relevant sei. Die Berichte über das Geheimtreffen seien ein weiteres Argument, dass von der Partei „eine große Gefahr“ ausgehe. „Wir finanzieren diese Partei […] und drohen damit, unser eigenes Grab zu schaufeln. Das werden wir nicht zulassen“, sagt sie abschließend. Im Rest der Sendung geht es nicht mehr um die AfD, sondern um die Bauernproteste.

Das angebliche Zitat fällt in dem gesamten Interview also nicht. Auch eine Sprecherin von NTV schreibt uns auf Anfrage, dass Esken die Aussage beim Sender weder im Interview noch davor oder danach getätigt habe. 

SPD dementiert angebliches Zitat von Saskia Esken über AfD-Verbot 

Auch eine Google-Suche nach dem Zitat liefert keine Hinweise darauf, dass sich Saskia Esken zu einem anderen Zeitpunkt so geäußert hat. Ein SPD-Sprecher schreibt uns auf Anfrage ebenfalls, das Zitat sei falsch. 

Es ist nicht das erste Mal, dass Esken ein falsches Zitat zugeschrieben wird. Wie man gefälschte Zitate erkennt, haben wir hier aufgeschrieben.

 Redigatur: Viktor Marinov, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Interview des Senders NTV mit Saskia Esken, 11. Januar 2024: Link