Faktencheck

Nein, der Bundestag wurde nicht mit Gülle besprüht: Video zeigt Vorfall in Frankreich

Ein Video auf Tiktok zeigt, wie Traktoren ein Regierungsgebäude beschmutzen. Angeblich stammen die Szenen von den aktuellen Bauernprotesten in Deutschland. Doch es ist alt und stammt nicht aus Deutschland.

von Matthias Bau

bauern-proteste-bauernproteste-gülle-bundestag
Dieses Tiktok-Video zeigt keine Proteste in Deutschland, sondern in Frankreich und stammt aus dem Jahr 2014 (Quelle: Tiktok; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige wie Landwirtinnen und Landwirte den Bundestag mit Dünger besprühen.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video zeigt einen Protest von Landwirtinnen und Landwirten sowie Winzerinnen und Winzern in Frankreich im Jahr 2014.

„Der Bundestag wird vollgemacht mit Dünger“, das behauptet ein Nutzer zu einem Video auf Tiktok vom 8. Januar 2024. Offenbar soll es aktuelle Proteste von Landwirtinnen und Landwirten in Berlin zeigen. Zu sehen sind Menschen mit Fahnen, ein Traktor und ein Tankwagen. Ein Gebäude wird mit einer dunklen Masse besprüht. Bisher wurde der Beitrag mehr als 1,1 Millionen Mal gesehen und 3.000 Mal geteilt (Stand: 10. Januar 2024). Dazu kursieren sogenannte Duetts von dem Video auf Tiktok. 

In den Kommentaren weisen Nutzerinnen und Nutzer bereits darauf hin, dass die Behauptung falsch ist: Das Video entstand nicht in Deutschland. 

Auf Tiktok weisen Nutzerinnen und Nutzer darauf hin, dass das Video der Proteste nicht aus Deutschland stammt. Dem Verbreiter scheint das bewusst zu sein.
Auf Tiktok weisen Nutzerinnen und Nutzer darauf hin, dass das Video der Proteste nicht aus Deutschland stammt. Dem Verbreiter scheint das bewusst zu sein. (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Video entstand 2014 bei Protesten in Frankreich 

Die Szenen stammen aus dem Jahr 2014 und wurden bei Protesten in Frankreich aufgenommen, wie wir im Dezember 2018 in einem Faktencheck berichteten. Damals verbreitete sich das Video schon einmal in einem falschen Kontext. 

Der Ausschnitt, der aktuell auf Tiktok kursiert, findet sich in einem längeren Video auf Youtube aus 2014. Gut erkennbar sind der grüne Traktor samt rotem Anhänger und die Gebäudestruktur im Hintergrund. Der Protest in 2014 fand vor der Präfektur in Châlons-en-Champagne statt, wie auch ein Abgleich mit Aufnahmen von Google Maps bestätigt. Rund 3.500 Landwirtinnen und Landwirte sowie Winzerinnen und Winzer protestierten „gegen zu strenge und zu bürokratische Vorschriften“, wie die lokalen Redaktionen von France 3 und France Bleu Champagne berichteten. Dabei wurden unter anderem Güllekübel ausgekippt, schreibt France 3.

Der Ausschnitt, der aktuell auf Tiktok kursiert (links), findet sich in einem längeren Video auf Youtube (rechts)
Der Ausschnitt, der aktuell auf Tiktok kursiert (links), findet sich in einem längeren Video auf Youtube (rechts) (Quelle: Tiktok und Youtube / Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Aktuelle Proteste von Landwirtinnen und Landwirten werden für Stimmungsmache missbraucht

Seit Mitte Dezember protestieren Landwirtinnen und Landwirte gegen den Haushaltsplan der Bundesregierung für 2024, der vorsieht, Subventionen für die Landwirtschaft zu kürzen. Am 8. Januar 2024 kam es zu großen, bundesweiten Demonstrationen. Berichte, dass dabei Dünger auf den Bundestag in Berlin gesprüht worden sei, finden sich keine. 

Zuvor sorgten einzelne Protestaktionen von Landwirtinnen und Landwirten für Kritik: Am 4. Januar 2023 bedrängte eine Gruppe Demonstrierender Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und hinderte ihn daran, an einem Fähranleger in Schleswig-Holstein an Land zu gehen. Im Dezember 2023 wurden in mehreren Bundesländern Galgen aufgestellt, an denen Ampeln als Symbol für die Bundesregierung hingen. Der Deutsche Bauernverband distanziert sich von beiden Aktionen.

Bundesweit berichteten Medien in den vergangenen Tagen, wie rechtsextreme und rechtsradikale Gruppen gezielt versuchen, die Proteste zu unterwandern und wo ihnen das bereits gelungen ist. 

Redigatur: Max Bernhard, Sophie Timmermann