Faktencheck

Neuseeland: Temporäre Impffreistellung galt nicht für Politiker und „Eliten“, sondern für Gesundheitspersonal

Im Netz wird behauptet, Politikerinnen und Politiker und andere „Eliten“ in Neuseeland seien von einer Impfung gegen das Coronavirus befreit worden. Das stimmt nicht.

von Max Bernhard

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Dafür, dass die ehemalige neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern geimpft ist, gibt es mehrere Belege. Auch sonst ist an der Behauptung zu angeblichen Freistellungen nichts dran. (Quelle: Alex Burton / AP / Picture Alliance)
Behauptung
Die ehemalige neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern und 11.000 weitere Politikerinnen und Politiker, sowie Personen aus der „Elite“ in dem Land hätten eine Freistellung von der Impfung bekommen. Ardern habe sich nicht impfen lassen und sitze im Vorstand der Firma Blackrock.
Bewertung
Falsch. Es gab tatsächlich Freistellungen, doch sie galten für Gesundheitspersonal und hatten eine Höchstdauer von acht Wochen. Eine allgemeine Impfpflicht gab es in Neuseeland nicht. Ardern ist geimpft und arbeitet nicht für Blackrock.

„Wenn sich das bestätigt, ist eine weitere Verschwörungstheorie wahr geworden: Viele Politiker haben die Genbrühe nicht selbst genommen, zu der sie das Volk gezwungen haben“, schreibt Markus Krall in einem X-Beitrag vom 5. Dezember 2023, der über 600,000 Mal angezeigt wurde.

Krall, Medienberichten zufolge ein Verbreiter von rechten Thesen und Untergangsprophezeiungen, teilt darin einen englischen Beitrag, laut dem die ehemalige neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern nicht geimpft sei und 11.000 Politikerinnen und Politiker, „sowie Personen aus der Elite“, eine Freistellung von der Impfung erhalten hätten. Außerdem sitze Ardern, die im Januar 2023 als Premierministerin abgelöst wurde, nun im Vorstand der Firma Blackrock. Auch auf Englisch wird der Beitrag geteilt, er erreichte rund vier Millionen Nutzerinnen und Nutzer.

Unsere Recherche zeigt: Ardern ist geimpft. Und auch sonst ist an den Behauptungen nichts dran.

Die Falschbehauptung zur ehemaligen neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern verbreitet sich auch auf Englisch (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ausnahmen galten nur für Gesundheitspersonal – keine „Eliten und Politiker“

Der Screenshot stammt aus einem Artikel des deutschsprachigen Blogs Uncut News vom 1. Dezember 2023. Die Webseite ist für die Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungsnarrativen bekannt. Der Text beruft sich wiederum auf ein Video mit der neuseeländischen Impfgegnerin und Verschwörungsgläubigen Liz Gunn.

Uncut News behauptet, eine Anfrage an die neuseeländische Regierung nach dem dortigen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) habe ergeben, „dass 11.000 Politiker und Mitglieder der Elite von der Impfung ausgenommen worden seien.“

Richtig ist, dass laut einem offiziellen Dokument rund 11.000 Menschen eine temporäre Freistellung erhielten. Das geht aus einer Antwort der Regierung vom 2. August 2023 auf eine IFG-Anfrage hervor. Darin heißt es: „Vom 13. November 2021 bis zum 26. September 2022 gingen insgesamt 478 Anträge auf Freistellung ein. 103 Anträgen wurde stattgegeben, die etwa 11.005 Arbeitnehmenden abdeckten.“

In Neuseeland gab es keine Impfpflicht für alle

Es ging dabei um die Ausnahme von einer temporären Regelung, die zwischen Oktober 2021 und September 2022 galt. Damit verpflichtete Neuseeland Berufsgruppen wie das Gesundheitspersonal, Lehrer, Polizei und Militär, sich zu impfen. Für andere Menschen in Neuseeland gab es keine Impfpflicht.

Gegenüber Reuters erklärte der stellvertretende Direktor von Neuseelands nationaler Gesundheitsbehörde Te Whatu Ora, Matt Hannant, dass diese Ausnahme nur für Organisationen galten, die im Gesundheitssektor oder mit Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten. Dort könne der Mangel an geimpftem Personal die Erbringung dieser Dienste „ernsthaft beeinträchtigen“. Er korrigierte auch die ursprüngliche Zahl von 11.005 ausgenommenen Arbeitnehmenden: Es seien 102 Anträge für 8.051 Arbeitnehmende bewilligt worden.

Dabei handelte es sich also nicht wie behauptet um „Politiker und Mitglieder der Elite“, sondern um Gesundheitspersonal. Laut Medienberichten von damals galt diese Freistellung außerdem nur zwischen einigen Tagen und acht Wochen.

Jacinda Ardern und alle damaligen neuseeländischen Abgeordneten sind geimpft 

Laut Medienberichten waren ab Dezember 2021 alle neuseeländischen Abgeordneten geimpft. Auch Jacinda Ardern, die ehemalige Premierministerin, ist mehrfach geimpft, wie mehrere Aufnahmen und Medienberichte zeigen. Dass die Corona-Impfung Neuseelands Bevölkerung getötet habe, wie es auf X heißt, ist ebenfalls nicht belegt. Laut einem Faktencheck der AAP waren dem neuseeländischen Gesundheitsministerium im November 2023 vier Todesfälle bekannt, die möglicherweise in einem Zusammenhang mit der Corona-Impfung stehen.

Dafür, dass Ardern inzwischen für den Investment-Riesen Blackrock arbeitet, gibt es auch keine Belege. Auf der Webseite der Firma ist Ardern nirgendwo aufgeführt und auch sonst finden sich keine Berichte dazu. Ardern nahm als Premierministerin lediglich im Mai 2022 an einem Treffen mit Vertretenden von Blackrock teil, dabei ging es laut Medienberichten und Regierungsdokumenten um Investmentmöglichkeiten in Neuseeland. Im April 2023 nahm Ardern einen Job an der US-Universität Harvard an.

Markus Krall wollte eine Anfrage von uns nicht beantworten.

Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl