Faktencheck

Soli-Beitrag? Keine Belege dafür, dass Selenskyj 80 Euro im Monat von allen Deutschen forderte

Laut Beiträgen in Sozialen Netzwerken soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert haben, dass deutsche Bürgerinnen und Bürger 80 Euro im Monat für die Ukraine bezahlen. Dafür gibt es keine Belege.

von Max Bernhard

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll angeblich einen „Soli-Beitrag“ gefordert haben. Dafür gibt es keine Belege. (Quelle: dts-Agentur / Picture Alliance)
Behauptung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe gefordert, dass deutsche Bürgerinnen und Bürger einen Solidaritätsbeitrag von 80 Euro im Monat für die Ukraine bezahlen.
Bewertung
Unbelegt. Es gibt keine Belege dafür, dass Selenskyj einen solchen Beitrag gefordert hat. Ein Foto, das mit der Behauptung verbreitet wird, ist rund zwei Jahre alt.

Um sich gegen die Invasion Russlands zu verteidigen, ist die Ukraine auf internationale Hilfe angewiesen. Laut Daten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft hat Deutschland dafür bisher rund 21 Milliarden Euro ausgegeben, oder rund 0,6 Prozent seines jährlichen Bruttoinlandsprodukts (Stand Ende Februar 2024).

In Sozialen Netzwerken verbreitet sich aktuell die Behauptung, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe nun gefordert, dass deutsche Bürgerinnen und Bürger dem Land außerdem über einen „Soli-Zuschlag“ helfen sollen. „Selenskyj fordert 80 Euro Soli pro Bürger“, heißt es in einem Beitrag auf Tiktok. In den tausenden Kommentaren reagieren Nutzerinnen und Nutzer mitunter empört. „Nicht einen Cent“ heißt es dort zum Beispiel, oder „Was denkt der sich eigentlich?“. Auch auf Facebook wird die Behauptung verbreitet.

Doch es finden sich keine Belege, dass Selenskyj diese Forderung je geäußert hat.

In einem Beitrag auf Tiktok wurde die Behauptung verbreitet, Wolodymyr Selenskyj habe einen deutschen Soli-Beitrag verlangt. Belege gibt es dafür keine. (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Keine Medienberichte zu angeblicher Soli-Forderung Selenskyjs   

Das ukrainische Außenministerium antwortete bis zur Veröffentlichung nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, das deutsche Außenamt gab dazu kein Statement ab.

Doch zu der angeblichen Forderung Selenskyjs finden sich keine Medienberichte, weder auf deutsch, noch auf Englisch oder Ukrainisch.

Auch unabhängig von Selenskyj finden sich kaum Berichte zu einem angeblichen Ukraine-Soli. Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, sagte Ende 2023 in einem Interview mit der Rheinischen Post: Ein „Ukraine-Soli“ als Aufschlag auf die Einkommensteuer wäre eine mögliche, wenn auch unbeliebte, Antwort auf die Herausforderungen für die Ukraine. In einem Meinungsartikel der Taz vom Januar 2023 hieß es: „Die Bundeswehr muss saniert werden, Energiekosten werden gedeckelt, die Ukraine muss irgendwann wieder aufgebaut werden. Auch hierfür kann der Bund eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer einführen“. Beide Artikel beziehen sich weder auf Forderungen der Ukraine, noch stellen sie konkrete Summen auf.

Selenskyj besuchte Deutschland zuletzt im Februar 2024

In den Beiträgen mit der Behauptung ist ein Foto von Wolodymyr Selenskyj und Olaf Scholz zu sehen. In einem Beitrag auf Facebook vom 6. Mai 2024 ist außerdem vom „heutigen Morgen, um 8:40 Uhr“ als Zeitpunkt der vermeintlichen Forderung die Rede. Doch das Foto ist schon fast zwei Jahre alt. Es entstand im Juni 2022 bei einem Besuch von Scholz in Kyiv, wie eine Bilder-Rückwärtssuche zeigt. Das Foto stammt von der AFP und findet sich in einer Datenbank der französischen Presseagentur.

Selenskyj besuchte Deutschland zuletzt im Februar 2024, wie aus verschiedenen Medienberichten hervorgeht. Damals ging es um eine bilaterale Sicherheitsvereinbarung mit Deutschland. Scholz war zuletzt 2022 in der Ukraine.

Schon Ende 2022 verbreitete sich eine ähnliche Behauptung, wonach der Bundestag damals einen Solidaritätszuschlag einführen wollte. Diese war frei erfunden.

Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl