Faktencheck

„Skandal“ um Olaf Scholz und Krypto-Plattform Immediate Core ist erfunden

Glaubt man dieser Werbeanzeige bei Facebook, steht die Karriere von Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Spiel – wegen eines angeblichen Interviews über Kryptowährung. Die Anzeige ist manipuliert und soll Nutzerinnen und Nutzer auf eine unseriöse Plattform für Kryptowährung locken.

von Sarah Thust

Olaf Scholz-Maybrit Illner-Tagesschau-Faelschung
Auf Facebook kursieren immer wieder Werbeanzeigen wie diese: Sie spekulieren über das Ende der Karriere von Bundeskanzler Olaf Scholz – und bewerben im Namen der Tagesschau eine dubiose Plattform für Kryptowährung namens Immediate Core. (Quelle: Facebook; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Die Tagesschau habe berichtet, dass ein Skandal um Immediate Core das Ende der Karriere von Olaf Scholz bedeuten könne. Grund dafür: Maybrit Illner habe ihren Ausstieg aus der Show verkünden müssen, nachdem sie ein Gespräch mit ihm über die Krypto-Plattform Immediate Core veröffentlicht hatte.
Bewertung
Manipuliert. Der angebliche Artikel verbreitet sich über eine Facebook-Anzeige und ist manipuliert – die Tagesschau hat über den angeblichen Skandal nie berichtet. Im Netz warnen Anwälte und Verbraucherzentralen vor Immediate Core wegen Verdacht auf Anlagebetrug.

Wer sich bei Facebook anmeldet, gelangt auf eine Seite mit den neuesten Beiträgen, den sogenannten Feed – dort sieht man, was Freunde und Verwandte geteilt haben, darunter mischen sich auch Werbeanzeigen. In grauer Schrift steht „Anzeige“ unter dem Namen des Nutzers. Auf eine solche Anzeige stießen wir am 26. Juli 2024 – sie wirkt wie ein Beitrag der Tagesschau, moderiert von Jan Hofer. Skeptisch macht direkt: Hofer sieht jünger aus als heute und moderiert die Tagesschau seit 2020 nicht mehr.

In der Anzeige hieß es reißerisch: „Ist das ende seiner karriere [sic]?“ – dazu ein Bild von Bundeskanzler Olaf Scholz und der Moderatorin Maybrit Illner. Von einem „Skandal, der die ganze Welt schockierte“ ist die Rede, „Immediate Core“ steht auf einem Bildschirm hinter Illner und Scholz. Wer auf den Link klickt, erfährt in einem angeblichen Tagesschau-Artikel, dass Illner ihren Ausstieg aus dem Fernsehen verkünden musste, nachdem sie ein Gespräch mit Scholz über die Plattform Immediate Core veröffentlicht habe.

Anzeige wurde offenbar als politische Werbung geschaltet

Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass der Facebook-Beitrag eine Fälschung ist: Die Facebook-Seite, die die Werbeanzeige veröffentlicht hat, heißt „German News“ und unter „Info“ stehen keinerlei Kontaktdaten. Unter dem Abschnitt „Seitentransparenz“ sieht man zudem, dass sie erst am 9. Juli 2024 online ging – und mutmaßlich aus Vietnam betrieben wird. 

Abschnitt Seitentransparenz zu der Facebook-Seite
Zu jeder Facebook-Seite lässt sich im Abschnitt Seitentransparenz einsehen, wie lange es die Seite schon gibt und ob sie Werbung schaltet (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Zu lesen ist dort, dass die Seite „Wahlwerbung bzw. Werbung zu politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen“ veröffentlicht. Bei solchen Werbeanzeigen müssen laut Meta der Name und die Organisation genannt werden, die für die Anzeigen bezahlen – und das fehlte hier. In der Werbebibliothek von Meta finden sich mehrere identische Werbeanzeigen, die bis zum 27. Juli aus diesem Grund abgeschaltet wurden. Manche waren schon vor Wochen aktiv, allein eine der neueren Anzeigen erreichte mehr als 2.000 Nutzer.

Der Facebook-Konzern Meta hat auf eine Frage dazu nicht direkt geantwortet und stattdessen allgemein erklärt, welche Prüfungen solche Anzeigen durchliefen. Wieso die Werbeanzeigen mit den gefälschten Inhalten nicht erkannt wurden, hat das Unternehmen nicht beantwortet.

Immediate Core: Werbung für eine intransparente Plattform für Kryptowährung ohne Ansprechpartner

Dass auch der Tagesschau-Artikel gefälscht ist, der beworben wird, erkennt man neben den Schreibfehler in der Anzeige auch an der Adresse oben im Browser. Dort steht nicht die Adresse tagesschau.de, sondern techprosecurenews.com. Dazu kommt, dass es auf der Seite kein Impressum gibt und die Seite anders aussieht als die der Tagesschau. 

Links ein echter Artikel der Tagesschau, rechts der gefälschte Artikel
Links ein Artikel auf der Webseite der Tagesschau und rechts der gefälschte Artikel über Maybrit Illner, Olaf Scholz und Immediate Core  – die Schriftarten und das Logo unterscheiden sich (Collage und Screenshots: CORRECTIV.Faktencheck)

Der gefälschte Tagesschau-Bericht bewirbt die Plattform Immediate Core nicht nur, sondern verlinkt auch auf ein Registrierungsformular, mit dem Kontaktdaten abgefragt werden. Wer seine Daten dort eingibt, weiß nicht, was damit passiert – einen Ansprechpartner gibt es auf der Seite nicht. 

Screenshot des Formulars
Nutzerinnen und Nutzer werden beim Klick auf das Angebot in dem Fake-Artikel auf dieses Formular umgeleitet. Dort sollen sie Kontaktdaten eintragen – es ist unklar, was damit passiert. (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Informationen über Immediate Core finden sich jedoch weder auf der echten Webseite der Tagesschau, noch zusammen mit dem Stichwort Maybrit Illner oder Olaf Scholz. Stattdessen findet man einen Tagesschau-Artikel mit der Überschrift: „Flut an getarnten Desinformationen“, in dem es um Krypto-Betrug mit gefälschten Medienberichten geht. 

Immediate Core ist Teil dieser Masche. 

Anwälte warnen im Zusammenhang mit dem Namen Immediate Core teils vor Anlagebetrug

Wer „Immediate Core“ bei Google eingibt, stößt gleich auf mehrere Webseiten, die den Namen nutzen und selbst oft als Werbung eingeblendet werden. Nutzerinnen und Nutzer können darüber angeblich in digitale Währungen investieren – in der Finanzbranche spricht man von Krypto-Trading. Die Seiten versprechen hohe Gewinne. Doch wer dahintersteckt und wie das konkret funktionieren soll, steht dort nicht. 

Anwaltskanzleien warnen aber zum Beispiel in Zusammenhang mit der Adresse „immediatecore.com“ vor Anlagebetrug. Auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin informierte am 3. Juni 2024, dass die Betreiber „ohne Erlaubnis Finanz- und Wertpapierdienstleistungen“ anbieten würden.

Google-Suchergebnisse für immediate Core
Anzeigen, die erscheinen, wenn man bei Google nach „Immediate Core“ sucht (Quelle: Google; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Auf der Webseite der Verbraucherzentrale heißt es, dass die Masche typisch für unseriöse Trading-Plattformen sei: „Bei einem sozialen Netzwerk wird Werbung geschaltet, die mit einem gewinnsicheren Handelssystem lockt. Teils wird dafür auf vermeintlich seriöse Nachrichtenseiten verlinkt oder mit gefälschten Aussagen von Prominenten geworben.“

Aus früheren Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck ist bekannt: Hinter den gefälschten Artikeln steckt eine Betrugsmasche, die seit Monaten immer wieder mit verschiedenen Prominenten und Politikerinnen kursiert. Betroffen waren unter anderem Til Schweiger, Annalena Baerbock oder Alice Weidel. Das Medienmagazin Zapp berichtet darüber ausführlich.

Transparenzhinweis: CORRECTIV ist seit 2017 in einer Kooperation mit dem Facebook-Konzern Meta, um Desinformation auf dem Sozialen Netzwerk zu bekämpfen. Mehr Informationen zu der Kooperation erhalten Sie hier

 

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Redigatur: Viktor Marinov, Uschi Jonas