Faktencheck

Warum der 1,76-Liter-Audi nicht auf den Markt kam

Online kursieren Behauptungen über einen Audi von 1989, der nur 1,76 Liter gebraucht habe und nie in den Handel gekommen sei. Doch das führt in die Irre: Den niedrigen Verbrauch erreichte Audi nur mit einem frisierten Wagen, der nicht in Serie produziert wurde.

von Matthias Bau

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Über den Audi 100 TDI 2.5 rankt sich online das Gerücht, er sei nie erschienen, obwohl er besonders spritsparend gewesen sei (Quelle: Audi AG / Audi Media Center)
Behauptung
Der Audi 100 sei 1989 mit nur einer Tankfüllung 4.818 Kilometer gefahren, was einen Durchschnittsverbrauch von 1,76 Litern ergab. Der Audi-Vorstand habe das bestätigt. Trotz beeindruckender Testergebnisse und TÜV-Bestätigung sei dieses Fahrzeug nie auf den Markt gekommen.
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Audi baute tatsächlich ein Modell, das 4.818 Kilometer mit einem Durchschnittsverbrauch von 1,76 Litern pro 100 Kilometer fuhr, allerdings unter besonderen Bedingungen, etwa einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometer und kaum Steigungen auf der Strecke. Bei dem Modell handelte es sich zudem um eine Sonderanfertigung – ohne Klimaanlage, Radio oder Dämmung. Das Serienmodell wurde von August 1989 bis August 1991 gebaut und hatte einen höheren Verbrauch.

Online kursiert ein ZDF-Beitrag aus dem Jahr 1989 über ein Auto von Audi, das nur 1,76 Liter verbrauchte und mit nur einer Tankfüllung 4.818 Kilometer quer durch Europa fuhr. Auf Facebook, Instagram und X heißt es, das Fahrzeug sei trotz „beeindruckender Testergebnisse und TÜV-Bestätigung“ nicht auf den Markt gekommen. Viele fragen sich, warum – manche Beiträge wittern eine Verschwörung.

Der Ausschnitt des ZDF wird in dem Video, das in den Sozialen Medien zirkuliert, von zwei Männern kommentiert. Einer sagt: „So werden wir mit bestimmten Informationen unterversorgt, was ganz gewollt ist“. Bei dem einen handelt es sich um Sebastian Verboket, den Betreiber von „Fakten, Frieden, Freiheit“, einem verschwörungsideologischen Account, der in verschiedenen Sozialen Medien präsent ist. Dort ist auch das Video in voller Länge zu finden. Der andere Mann verkauft Komponenten für Automotoren.

Die Behauptungen rund um den Audi 100 kursieren seit Jahren im Netz. Wir haben sie uns genauer angesehen: Die technischen Daten über die Fahrt des Audi stimmen, doch das Auto wurde für die Fahrt frisiert. In den Handel kam es nicht als diese Sonderanfertigung, sondern als Serienfahrzeug mit einem höheren Verbrauch.

In mehreren Sozialen Netzwerken verbreiten sich irreführende Behauptungen über den Audi 100
In mehreren Sozialen Netzwerken verbreiten sich irreführende Behauptungen über den Audi 100 (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Audi 100 von 1989 wurde frisiert, um niedrigen Verbrauch zu erreichen

In dem ZDF-Beitrag sagt Jürgen Stockmar, damaliges Mitglied im Technik-Vorstand von Audi, „wir werden wahrscheinlich Ende Januar 1990 dieses Auto den Medien vorstellen.“ Dazu kam es nie; später mehr dazu. 

Über eine Google-Suche fanden wir zunächst einen Artikel von Efahrer.com. Im Oktober 2023 schrieb das Medium unter der Überschrift „2-Liter-Autos von VW und Audi: Was wurde aus den Spritspar-Modellen?“ auch über den Audi 100 von 1989. Unter Berufung auf einen Artikel des MDR aus 2019, der aktuell nur noch archiviert abrufbar ist, heißt es, Audi habe das Auto frisiert, um den Verbrauch von 1,76 Litern pro 100 Kilometer zu erreichen. 

Audi 100 fuhr bei Testfahrt 60 Stundenkilometer auf einer möglichst ebenen Strecke

In dem Beitrag des MDR wird Jürgen Stockmar mit den Worten zitiert: „Das Auto hatte Reifen, die eine Vorwegnahme der sogenannten Leichtlaufreifen waren. Wir haben geschaut, dass keine zusätzlichen elektrischen Verbraucher im Auto waren, wie Radio und ähnliches. Wir sind tagsüber gefahren, damit wir wenig Licht gebraucht haben. Das Auto hatte keine Klimaanlage. Fahrer und TÜV-Prüfer waren der sogenannte Standardmensch: 75 Kilogramm, 1,75 Meter groß.“ Die Durchschnittsgeschwindigkeit habe zudem bei 60 Kilometern pro Stunde gelegen.

Außerdem habe man für die Fahrt eine Strecke mit wenig Verkehr ausgesucht, die kaum Steigung aufwies. Auch der Rückspiegel sei abgeschraubt und die Reifen voll aufgepumpt worden. Die AFP schreibt unter Berufung auf mehrere damalige Pressemitteilungen von Audi unter anderem, der Wagen sei tiefergelegt worden, damit er leichter rolle. Der Kühlergrill sei zudem teilweise verschlossen worden. Auch Dämmmaterialien habe Audi entfernt, um das Gewicht des Wagens weiter zu verringern. 

Audi 100 C3 TDI wurde für zwei Jahre gebaut und hatte einen höheren Verbrauch

Das Auto im Beitrag des ZDF war also eine Sonderanfertigung und keine Serienproduktion. Gegenüber dem MDR sagte Stockmar, „wenn das Auto durch Städte fährt, sind diese Verbräuche gar nicht erreichbar“. So äußerte sich Stockmar auch im Dezember 2023 gegenüber Funk. Hinter der Testfahrt des Audi 100 steckte eine Marketingstrategie, um den Motor TDI (Turbodiesel-Direkteinspritzer) als neue Technologie in den Markt einzuführen, so Stockmar. 

Auf den Markt kam dann der Audi 100 C3 TDI. Gegenüber der AFP sagte eine Audi-Sprecherin, das Modell sei von Ende 1989 bis August 1991 gebaut worden. Im Juli 2022 testete die Zeitschrift Auto, Motor, Sport den Wagen und kam auf einen Durchschnittsverbrauch von 7,2 Litern. Kein Wunder, im Gegensatz zum Audi im Beitrag des ZDF war das Serienprodukt nicht um etliche Komponenten erleichtert.

Redigatur: Paulina Thom, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • „Was wurde aus dem 2-Liter-Auto?“, MDR, 23. September 2019: Link (archiviert)
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