Faktencheck

Erfundene Nachricht über angeblich giftige Parfümproben geht um die Welt

Zum Foto eines Parfüms heißt es in Sozialen Netzwerken, „tödliche“ Proben davon würden um Neujahr im Briefkasten landen. Doch das schräge Gerücht verbreitet sich seit Jahren in mehreren Ländern – wir zeichnen dessen Verbreitung nach.

von Sarah Thust

Symbolbild falsche Whatsapp-Nachricht über Parfuemproben_Unsplash
Seit Jahren verbreitet sich in mehreren Ländern dieselbe Warnung zu Parfümproben in Briefkästen. Doch dahinter steckt ein erfundenes Gerücht. (Symbolbild: Siora Photography / Unsplash)
Behauptung
In Briefkästen würden Parfümproben landen, deren Geruch tödlich ist. Zum Beispiel eine Probe von Kenzos „Flower in the Air“. Das sei eine Art Weihnachts- oder Neujahrsaktion.
Bewertung
Falsch. Diese Warnung wird in unterschiedlicher Form seit mehr als 20 Jahren in mehreren Sprachen verbreitet. Über die Jahre prüften mehrere Journalisten an unterschiedlichen Orten der Welt die Behauptungen und kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass solche Fälle nicht bekannt waren.

Es wäre ein Skandal: Eine Nutzerin auf Facebook warnt, zu Neujahr würden angeblich giftige Parfümproben verschickt. Auch per Whatsapp baten uns mehr als ein Dutzend Leserinnen und Leser um eine Prüfung dieser Behauptung. Sie kursiert auf Facebook häufig auf Russisch – über Messengerdienste erreichte sie Anfang Dezember 2024 schließlich auch Deutschland. Häufig wird dazu ein Foto einer bestimmten Parfümprobe geteilt.

Eine Bilder-Rückwärtssuche führt zu dem Parfüm „Flower in the Air“ der Marke Kenzo. Das Foto der Probe kursiert schon seit Jahren in unterschiedlichen Sprachen in Sozialen Netzwerken. Unsere Recherche zeigt, dass die angebliche Warnung nur eine Finte ist.

Screenshot der Falschmeldung über angeblich tödliche Parfümproben
Eine Facebook-Nutzerin warnt vor angeblich vergifteten Parfümproben im Briefkasten – dahinter steckt ein jahrealter Fake (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Bayerische Polizei: Keinerlei Fälle von giftigen Parfümproben in Briefkästen bekannt

Über Facebook konnten wir nachvollziehen, dass das Bild der angeblich giftigen Probe im Dezember 2024 offenbar unter anderem in Bayern in Umlauf ist. Wir fragten also beim Bayerischen Staatsministerium des Innern nach – ein Sprecher antwortete: „Bei der Bayerischen Polizei wurden bisher keinerlei Fälle von in Briefkästen geworfenen vergifteten Parfümproben bekannt. Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich bei diesen Mitteilungen um Fake-News, die bereits seit dem Jahr 2001, damals im Nachgang zu den Terroranschlägen vom 11. September, wiederkehrend in den Sozialen Medien verbreitet werden.“

CORRECTIV.Faktencheck hat die Pressestelle des Unternehmens hinter der Marke Kenzo – den französischen Luxuskonzern LVMH – gefragt, ob dort Fälle von verunreinigten oder gar vergifteten Parfümproben bekannt sind. Eine Antwort haben wir nicht erhalten

Stichwortsuchen nach den Begriffen „tödlich Parfümproben Briefkästen“ in unterschiedlichen Sprachen führen aber zu mehreren Faktenchecks. Auf deren Grundlage haben wir nachgezeichnet, dass es sich dabei um ein Gerücht handelt, das seit mindestens 2001 verbreitet wird.

Stille-Post-Effekt: Wie sich die Falschmeldung über tödliche Parfümproben verändert hat

Falschmeldungen verändern sich, ähnlich wie beim Spiel „Stille Post“ können Informationen durch Weitergabe verfälscht werden. So auch in diesem Fall: Anfangs verbreitete sich die Falschmeldung als E-Mail, in der es um sieben Frauen ging, die durch den Geruch einer Parfümprobe vergiftet worden seien. 

Über die Jahre verbreitete sich die Falschmeldung allmählich auch in Sozialen Netzwerken und Messengern – sie wurde kürzer und das Foto einer Parfümprobe kam hinzu. Inzwischen taucht die Falschmeldung jährlich auf, per E-Mail, SMS, Facebook, X, oder bei Messengerdiensten wie Whatsapp oder Viber. 

Berichte darüber gab es in den vergangenen Jahren in Australien, Israel, Italien, Kasachstan, Malaysia, Russland, Singapur, den Vereinigten Staaten, Ukraine und Weißrussland. 

So hat sich das Gerücht über 20 Jahre verändert:

  • Einen Monat nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 tauchte laut der Faktencheck-Redaktion Snopes eine Rundmail mit einer Warnung auf, sieben Frauen seien durch vergiftete Parfümproben getötet worden. 
  • Anfang 2002 wurde laut Snopes eine ähnliche Fake-Warnung von einer Verwaltungsassistentin der Staatsanwaltschaft von Harris County im US-Bundesstaat Texas weitergeleitet. Ihre berufliche Signatur unter der E-Mail fachte die Verbreitung des Fakes erneut an. Die Staatsanwaltschaft distanzierte sich von der E-Mail und sprach von einer Falschmeldung.
  • Im November 2002 berichtete die hebräische Nachrichtenseite Ynet ebenfalls über E-Mails, in denen stand, es könnte sich bei den giftigen Parfümproben um einen „Terrorakt“ handeln. Dafür gab es auch in Israel keinerlei Belege.  
  • 2010 und 2011 verbreiteten sich laut Snopes ähnliche Behauptungen über Anthrax und Proben eines Waschmittel-Herstellers. Teils wurde behauptet, der US-TV-Sender CNN habe darüber berichtet. Der Waschmittel-Hersteller dementierte demnach die Gerüchte und ein Bericht von CNN über vergiftete Proben in Briefkästen findet sich ebenfalls nicht. 
  • 2013 berichtete die malaysische Zeitung The Star über E-Mails nach demselben Prinzip, in denen vom Tod von sieben Frauen die Rede war. Darin wurde auch das Gleneagles Hospital in Kuala Lumpur beschuldigt, das solche Vorfälle aber dementierte. Die Nachrichten wurden unter anderem per SMS verschickt.
  • Die ukrainische Ausgabe der BBC berichtete im Dezember 2024, dass das Foto der Parfümprobe „Flower in the Air“ der Marke Kenzo in derselben Form seit mindestens 2015 kursiert. Das zeigen auch Faktenchecks zu Beiträgen aus Russland und Israel
  • Die italienische Ausgabe der Zeitschrift Wired berichtete 2016, dass das Foto mit der Falschbehauptung auch in Italien in Umlauf ist. Von sieben Frauen ist in den Beiträgen von damals nicht mehr die Rede. Der Text ist kürzer geworden. Als angebliche Täter werden „Araber“ oder die Terrorgruppe ISIS genannt. 
  • Da sich auch in Russland die Falschmeldung verbreitete, dementierte das russische Innenministerium im Jahr 2023 solche Fälle von Parfümvergiftungen – die Falschmeldung ziele darauf ab, ein allgemeines Angstgefühl zu erzeugen. Seitdem kursiert sie jedoch weiter, etwa in der Ukraine, in Kasachstan und Weißrussland

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sophie Timmermann

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