Bundestagswahl 2025

Teils falsche Politiker-Zitate verbreiten sich vor der Bundestagswahl wieder

Im Netz halten sich hartnäckig falsche Zitate von Politikerinnen und Politikern, in manchen Fällen schon seit Jahren. Auch vor dem Bundestagswahlkampf macht ein Instagram-Beitrag Stimmung mit neun Aussagen. Wir haben recherchiert, welche davon wirklich so gefallen sind – und welche nicht.

von Viktor Marinov

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Haben sie das wirklich so gesagt? In Sozialen Netzwerken kursieren häufig gefälschte Zitate von Politikerinnen und Politikern (Symbolbild: Andres Victorero / Picture Alliance)
Behauptung
Neun Zitate von Martin Schulz, Jürgen Trittin, Claudia Roth, Joschka Fischer, Çigdem Akkaya, Ursula von der Leyen, Cem Özdemir, Renate Schmidt und Franziska Drohsel seien echt.
Bewertung
Teilweise falsch
Über diese Bewertung
Teilweise falsch. Vier Zitate sind korrekt, die Politikerin oder der Politiker haben sie so gesagt. Eines ist größtenteils richtig; es ist sinngemäß gefallen, aber nicht wörtlich. Vier sind falsch – sie sind frei erfunden oder stammen von anderen Personen.

Es gibt Zitate von Politikerinnen und Politikern, die im Netz ständig wiederholt werden. Manche von ihnen sind richtig, andere aber schlicht falsch, unvollständig oder ohne Kontext missverständlich. Vor der Bundestagswahl 2025 kursieren einige von ihnen erneut, etwa auf Instagram

„Bitte lesen, es ist ungeheuerlich, was unsere Politiker von uns halten“, heißt es auf Instagram zu den Zitaten. Doch in mehreren Fällen sind die angeblichen Äußerungen nie gefallen. Auf eine Anfrage von uns antwortete der Profilinhaber nicht.

Wir haben für diesen Faktencheck recherchiert, welche Zitate richtig sind – und welche nicht.

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Auf Instagram verbreiten sich teils falsche Zitate von Politikerinnen und Politikern, die seit Jahren im Netz kursieren (Quelle: Instagram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Zitat 1, Martin Schulz: „Was die Flüchtlinge zu uns bringen, ist wertvoller als Gold“ – richtig

Martin Schulz sagte diesen Satz an der Neuen Universität Heidelberg im Juni 2016. Das Zitat geht jedoch weiter. Schulz sagte: „Was die Flüchtlinge zu uns bringen, ist wertvoller als Gold. Es ist der unbeirrbare Glaube an den Traum von Europa. Ein Traum, der uns irgendwann verloren gegangen ist.“ Der vollständige Satz findet sich etwa in einem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung. Den ersten Teil des Zitats griff Moderator Claus Strunz in einem Fernsehduell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz im Jahr 2017 auf, woraufhin ihn der damalige SPD-Kanzlerkandidat korrigierte und den zweiten Teil des Zitats hinzufügte.

Zitat 2, Jürgen Trittin: „Es geht nicht um Recht oder Unrecht in der Einwanderungsdebatte, uns geht es zuerst um die Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils in diesem Land“ – falsch

Dieses angebliche Zitat vom ehemaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat die Braunschweiger Zeitung 2016 in einem Leserbrief abgedruckt. Ein Leser schrieb darin, das Zitat komme von Trittin und gab als Quelle die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) vom 2. Januar 2005 an. 

Die Braunschweiger Zeitung hat sich später redaktionell mit dem Leserbrief beschäftigt. „Nach Rücksprache mit den Kollegen im FAS-Archiv hat es dieses Interview nicht gegeben, es handelt sich um kein FAS-Zitat, es ist frei erfunden“, schrieb die Zeitung. Auch auf eine Anfrage von uns im Oktober 2024 schrieb uns Trittin, dass das Zitat nicht von ihm stamme.  

Zitat 3, Claudia Roth: „Am Nationalfeiertag der Deutschen ertrinken die Straßen in einem Meer aus roten Türkenflaggen und ein paar schwarzrotgoldenen Fahnen“ – falsch

Auch dieses Zitat verbreitet sich schon seit Jahren, obwohl Claudia Roth – die für die Grünen zur Bundestagswahl kandidiert – es nie gesagt hat. Der Satz stammt aus einem Artikel in der Welt am Sonntag aus dem Jahr 2005. Der Autor Heimo Schwilk thematisiert darin Claudia Roths Vorschlag, am 3. Oktober neben dem Tag der deutschen Einheit auch den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu feiern. 

Der Welt-Autor denkt sich dabei eine angebliche „Vision“ von Roth aus: „Am Nationalfeiertag der Deutschen ertrinken die Straßen in einem Meer aus roten Türkenflaggen und ein paar schwarzrotgoldenen Fahnen“.

Zitat 4, Joschka Fischer: „Deutschland muss von außen eingehegt und von innen durch Zustrom heterogenisiert, quasi verdünnt werden“ – falsch

Auch dieses Zitat tauchte in dem oben erwähnten Leserbrief in der Braunschweiger Zeitung auf. Er wurde dem ehemaligen Außenminister Joschka Fischer zugeschrieben. Als Quelle war darin die Zeitung Die Welt vom 7. Februar 2005 angegeben. An diesem Tag ist dort ein Artikel über Joschka Fischers Buch „Risiko Deutschland“ erschienen. Darin kommt der Satz auch vor – aber nicht als Zitat von Joschka Fischer, sondern als ein Satz von der Autorin des Beitrags Mariam Lau. 

Zitat 5, Çigdem Akkaya: „Die Leute werden endlich Abschied nehmen von der Illusion, Deutschland gehöre den Deutschen“ – richtig

Çigdem Akkaya ist die ehemalige stellvertretende Direktorin des Essener Zentrums für Türkeistudien. Dieses Zitat haben wir bereits im Januar 2019 in einem Faktencheck geprüft. Çigdem Akkaya hat den Satz nach eigenen Angaben so gesagt.

Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck schrieb Akkaya 2019 in einer E-Mail, dass sie sich nicht gut und präzise ausgedrückt habe. „Es ist klar, dass es von meiner Seite aus nicht so gemeint sein kann, wie es für viele, vor allem für rechte Szene [sic!] als eine ‚Deutschlandseroberungserklärung durch eine Zugewanderte’ verstanden wird. Zur Präzisierung hätte ich das Wort ‚nur‘ (‚Deutschland gehört nur den Deutschen‘) auswählen und betonen müssen, was mir aber im Nachhinein auffiel.“

Zitat 6, Ursula von der Leyen: „Migrantenkinder sind unsere Zukunft“ – größtenteils richtig

Das angebliche Zitat von Ursula von der Leyen verbreitet sich seit 2008. Die älteste Quelle, die wir dafür finden konnten, ist ein Focus-Artikel aus diesem Jahr (Datum im Online-Artikel nachträglich geändert). Dort steht das Zitat in einer Zwischenüberschrift. Im Fließtext selbst findet es sich aber nicht.

Stattdessen wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dort so zum Thema Unterstützung von Migranten zitiert: „Ein Blick auf die demografische Entwicklung zeigt, wie sehr wir diese Kinder brauchen: In 20, 30 Jahren erwarten [sic!] von diesen Kindern, dass sie innovativ und verantwortungsbewusst dieses Land tragen.“ 

Ähnlich äußerte sich von der Leyen 2008 in der Süddeutschen Zeitung: „Jedes dritte Kind unter sechs Jahren kommt aus einer Migrantenfamilie. Ein Blick auf die demografische Entwicklung zeigt, wie sehr wir diese Kinder brauchen: Was wir heute in diese Kinder investieren, zahlt sich in der demografisch schwierigen Phase in 20, 30 Jahren aus, wenn meine Generation um die achtzig Jahre alt ist. Wir erwarten dann von diesen Kindern, dass sie innovativ und verantwortungsbewusst dieses Land tragen.“

In beiden Texten findet sich das angebliche Zitat nicht. Doch die EU-Kommissionspräsidentin hat sich sinngemäß so geäußert.

Zitat 7, Cem Özdemir: „Wir wollen, dass Deutschland islamisch wird“ – falsch

Der Ursprung dieser Behauptung ist ein Interview zwischen Susanne Zeller-Hirzel, einem ehemaligen Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, und dem Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger. Einen Ausschnitt davor fanden wir auf Youtube. Ab Minute 1:37 erzählt sie, sie habe gehört, wie Cem Özdemir den Satz zu einer Gruppe junger Frauen gesagt habe. Özdemir ist Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung, seit November 2024 zusätzlich Bundesminister für Bildung und Forschung.

Es finden sich jedoch keine Belege dafür, dass Özdemir den Satz wirklich gesagt hat. Er selbst hat das mehrfach dementiert. Auf einer archivierten Version seiner Webseite heißt es: „Dieser Satz wird Cem in einem Interview mit Susanne Zeller-Hirzel unterstellt. Er hat ihn weder gesagt noch vertritt er eine solche Ansicht. Es gibt für dieses ‚Zitat‘ auch keine Quelle – jedenfalls solange nicht bloße Behauptungen, Hörensagen oder Kettenzitate im Internet als sichere Quelle gelten.“

Zitat 8, Renate Schmidt: „Die Frage, [ob die Deutschen aussterben], das ist für mich eine, die ich an allerletzter Stelle stelle, weil dieses ist mir, also so wie sie hier gestellt wird, verhältnismäßig wurscht“ – richtig

Renate Schmidt ist eine SPD-Politikerin und ehemalige Familienministerin. Auf der Suche nach einem Beleg für das Zitat fanden wir einen Hinweis auf dem Portal Wikimannia. Dort steht, Renate Schmidt habe den Satz am 14. März 1987 im Bayerischen Rundfunk gesagt. Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck bestätigte der Bayerische Rundfunk das Zitat bereits im Jahr 2019. 

Zitat 9, Franziska Drohsel: „Deutsche Nation, das ist für mich überhaupt nichts, worauf ich mich positiv beziehe – würde ich politisch sogar bekämpfen“ – richtig

Franziska Drohsel ist ehemalige Vorsitzende der Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Aktuell ist sie stellvertretende Vorsitzende der SPD Steglitz-Zehlendorf, einem Bezirk in Berlin. Eine Google-Suche nach dem Zitat führt zu dem Forum „Raidrush.net“. Dort heißt es in einer Diskussion über das Zitat, dass es in einem Interview mit dem damaligen Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder, gefallen sei.

Mit diesem Hinweis findet sich auf Youtube eine Aufzeichnung dieses Gesprächs. Der Moderator nennt Begriffe, Drohsel und Mißfelder müssen sagen, was sie damit verbinden. Zu dem Begriff Vaterland sagt Drohsel (ab Minute 3:55): „Deutsche Nation, das ist für mich überhaupt nichts, worauf ich mich positiv beziehe – würde ich politisch sogar bekämpfen.“ Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck schreibt die SPD Steglitz-Zehlendorf im Namen von Drohsel: „Ihrer Erinnerung nach ist das Zitat korrekt.“

Fazit: Vier Zitate sind korrekt, die Politikerin oder der Politiker haben sie so gesagt. Eines ist größtenteils richtig; es ist sinngemäß so gefallen, aber nicht wörtlich. Vier sind falsch – sie sind frei erfunden oder stammen von anderen Personen.

Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom

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