Bundestagswahl 2025

AfD-Politiker unterstellt CDU falsche Positionen im Wahlkampf

AfD-Landtagsabgeordneter Miguel Klauß und AfD-nahe Profile machen online mit einem Bild zur Steuerpolitik Wahlkampf vor der Bundestagswahl. Bei dem Vergleich zwischen AfD und CDU kommen die Christdemokraten schlecht weg. Doch der Vergleich unterstellt der CDU erfundene Maßnahmen.

von Kimberly Nicolaus , Matthias Bau

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Einzelne AfD-Politiker sowie AfD-nahe Profile in Sozialen Netzwerken unterstellen der CDU falsche Positionen im Bundestagswahlkampf 2025 (Quelle: Tiktok; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Die CDU plane, CO2-Steuer, Grundsteuer und Stromsteuer zu erhöhen – außerdem gebe es mit der CDU weniger Netto vom Brutto. Bei der AfD sei es genau andersherum: Die Partei wolle die genannten Steuern abschaffen, mit ihr gebe es mehr Netto vom Brutto.
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Der Vergleich stellt die Positionen der CDU falsch dar – sie will laut eigener Angabe keine der genannten Steuern erhöhen. Die Vorhaben der AfD sind größtenteils richtig abgebildet. Eine Ausnahme: Die AfD will laut vorläufigem Wahlprogramm die Stromsteuer nicht abschaffen, sondern auf ein Minimum reduzieren.

„Mit der CDU wird es keine Steuerentlastungen geben. Nur unsere AfD setzt sich für konkrete Steuerentlastungen ein“, behauptete Miguel Klauß Ende November 2024 auf Facebook. Der AfD-Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg teilte ein Bild, das angebliche Forderungen der AfD und der CDU gegenüberstellt – zur CO2-Bepreisung, der Grundsteuer und der Stromsteuer. Das Bild trägt seinen Namen. Die Angaben darauf zur CDU sind falsch, doch etliche AfD-nahe Profile verbreiteten das Bild weiter. 

Auf Tiktok erreichte allein ein Video dazu über 2,7 Millionen Aufrufe, veröffentlicht von einem Fan-Account von Miguel Klauß. Zu den Verbreitern zählen auch ein Tiktok-Profil, das den Namen des AfD-Kreisverbands Erdingen trägt, der AfD-Abgeordnete im Bundestag Götz Frömming und der AfD-Landtagsabgeordnete in Thüringen Jens Cotta. Die Politiker antworteten nicht auf unsere Anfragen – Miguel Klauß reagierte, allerdings nur mit Beleidigungen.

Unsere Recherche zeigt: Manche AfD-Politiker, allen voran Miguel Klauß, verbreiten Falschbehauptungen als Teil ihres Wahlkampfs. Wir haben uns die Behauptungen im Einzelnen angesehen.

Überblick

Behauptung 1: AfD plane die CO2-Bepreisung abzuschaffen – richtig

Das Bild vergleicht zuerst die vermeintlichen Positionen von AfD und CDU zur  CO2-Bepreisung, die es schon seit 2019 gibt und die Bürgerinnen und Bürger indirekt zahlen. Es handelt sich dabei um einen Preis pro Tonne CO2, den „Inverkehrbringer“ von Brennstoffen zahlen müssen. Unternehmen, die mit Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel handeln, müssen seit dem 1. Januar 2021 dafür einen CO2-Preis bezahlen – das ist der sogenannte nationale Emissionshandel. Der CO2-Preis pro Tonne lag 2024 bei 45 Euro, im Januar 2025 stieg er auf 55 Euro

Solche Erhöhungen ziehen auch Preiserhöhungen für Verbraucher nach sich – Kosten für Energie oder Müllentsorgung können zum Beispiel steigen.

Es stimmt, dass die AfD die Abschaffung der CO2-Bepreisung fordert. Die Partei schreibt dazu in ihrem vorläufigen Wahlprogramm: „Wir fordern eine ersatzlose Abschaffung der CO2-Abgaben.“ Denn sie führten zu erhöhten Produktionskosten, was ein Nachteil im Wettbewerb und für Landwirte sei, die auf fossile Energien angewiesen seien. Schon im November 2023 reichte die AfD einen Antrag zur Abschaffung der CO2-Bepreisung im Bundestag ein. Dieser wurde im Dezember 2024 per Abstimmung zurück in den Ausschuss für Klimaschutz und Energie verwiesen.

Behauptung 2: CDU plane die CO2-Bepreisung zu erhöhen – größtenteils falsch

Anders als im Bild behauptet, plant die CDU laut eigener Angabe keine Erhöhung der CO2-Bepreisung. Generell befürwortet die Partei aber höhere Kosten beim Emissionshandel.

Auf Anfrage schreibt uns ein CDU-Sprecher: Die aktuelle Regelung im Brennstoff-Emissionshandelsgesetz mit einer Preisspanne von 55 bis 65 Euro pro Emissionszertifikat sehe die CDU „im Sinne der Planbarkeit und Akzeptanz als richtig an“. Im Wahlprogramm heißt es, die Union wolle über einen „Klimabonus“ einen Ausgleich für die steigenden Ausgaben schaffen. Gemeint ist, dass mithilfe der CO2-Abgaben unter anderem die Stromsteuer gesenkt werden könnte.

Zur aktuellen Situation und dazu, wie sich die Preise in Zukunft entwickeln könnten, ein kurzer Überblick: Die Deutsche Emissionshandelsstelle schreibt auf ihrer Webseite, dass der CO2-Preis im Jahr 2026 beim nationalen Emissionshandel zwischen 55 und 65 Euro pro Emissionszertifikat betragen wird. Ein Zertifikat erlaubt den Ausstoß von einer Tonne CO2. Im Juni 2023 berichteten wir, dass das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, an dessen Berechnungen sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz orientiert, ab 2030 für die Sektoren des EU-Emissionshandels mit einem CO2-Preis von 150 Euro pro Tonne rechnet. 

Neben der nationalen CO2-Bepreisung gibt es auch den europäischen Emissionshandel, an dem die Industrie, Kraftwerke und die Luftfahrt teilnehmen. Laut der aktuellen Regelung soll ab 2027 das nationale System in das EU-System übergehen und zusätzlich auf Gebäude und Straßenverkehr ausgeweitet werden. Wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) weiter auf seiner Webseite schreibt, bildet sich der CO2-Preis ab dann „im Rahmen des europäischen Emissionshandels frei auf dem Markt“. Das bedeutet, es ist unklar, wie sich die CO2-Bepreisung in Zukunft entwickeln wird.

Was ist die Grundsteuer?

Jährlich nehmen Gemeinden durch die Grundsteuer laut Bundesfinanzministerium 15 Milliarden Euro ein. Sie wird auf den Grundbesitz erhoben. Dazu gehören Grundstücke „einschließlich der Gebäude sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft“, schreibt das Bundesfinanzministerium

Die Grundsteuer berechnet sich über den Wert des Grundbesitzes, die Steuermesszahl und den Hebesatz. Die Steuermesszahl ist bundeseinheitlich festgelegt, jedoch können die Bundesländer auch davon abweichende Messzahlen festlegen. Den Hebesatz bestimmen hingegen die Gemeinden, die damit laut Finanzministerium letztlich auch die Höhe der Grundsteuer bestimmen.

Ab 2025 gelten deutschlandweit neue Regeln dafür, wie viel Steuern Besitzer von Grundstücken und Immobilien zahlen müssen. Grund: 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das derzeitige System verfassungswidrig sei.

Behauptung 3: AfD plane, die Grundsteuer abzuschaffen – richtig

Als nächstes heißt es, die AfD wolle die Grundsteuer abschaffen, wohingegen die CDU sie erhöhen wolle. Grundsteuer zahlen Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien, sie kann aber auch über die Betriebskosten auf Mieterinnen und Mieter umgelegt werden.

Es stimmt, dass die AfD laut ihrem vorläufigen Wahlprogramm die Grundsteuer abschaffen will. Da die Einnahmen aus der Steuer aber die Haupteinnahmequelle der Kommunen und Gemeinden sind, will die Partei die Kommunen „durch einen Zuschlag auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer vollumfänglich“ entschädigen.

Behauptung 4: CDU plane, die Grundsteuer zu erhöhen – falsch

CDU und CSU machen in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm zur Bundestagswahl keine Vorschläge zum Umgang mit der Grundsteuer. Laut einem CDU-Sprecher plant die Partei nicht, die Grundsteuer zu erhöhen. Auf Anfrage verwies er zudem darauf, dass die Kommunen letztlich die Steuerhöhe über den Hebesatz festlegen würden.

Behauptung 5: AfD plane, die Stromsteuer abzuschaffen – falsch

Die Positionen beider Parteien zur Stromsteuer werden in dem Bild des AfD-Politikers falsch dargestellt. Sowohl die AfD als auch die Union wollen laut ihrem Wahlprogramm beziehungsweise ihrem vorläufigen Wahlprogramm die Stromsteuer senken.

Die Stromsteuer wird laut dem Vergleichsportal Verivox nach dem Stromsteuergesetz auf den Verbrauch von elektrischem Strom erhoben. Wie das Bundesfinanzministerium schreibt, basiert das deutsche Gesetz auf EU-Richtlinien. Seit 2003 beträgt die Steuer 2,05 Cent je Kilowattstunde. 

Die AfD schreibt dazu in ihrem vorläufigen Wahlprogramm, sie wolle die Stromsteuer auf ein Minimum reduzieren. Das rechtliche Minimum in der EU ist 0,1 Cent pro Kilowattstunde. Eine solche Senkung hat die AfD schon gefordert, etwa in einem Bundestagsantrag im Jahr 2021. Auch andere Parteien wie Grüne und die Union setzen sich für eine solche Änderung ein – eine Abschaffung der Stromsteuer bedeutet sie nicht.

Behauptung 6: CDU plane, die Stromsteuer zu erhöhen – falsch

Im gemeinsamen Wahlprogramm mit der CSU heißt es: „Wir senken die Stromsteuer und die Netzentgelte.“ Das solle durch Einnahmen aus der CO2-Bepreisung möglich gemacht werden. Der klimapolitische Sprecher der CDU/CSU sagte gegenüber der Tagesschau, die Union wolle die Stromsteuer auf „das europäische Minimum“ reduzieren. Das würde einer Senkung auf 0,1 Cent pro Kilowattstunde entsprechen.

Mit welcher Partei gibt es mehr Netto vom Brutto?

Das umgangssprachlich als „Brutto“ bezeichnete Bruttogehalt ist das Gehalt vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Das „Netto“ ist hingegen das Gehalt, das nach Abzug von Steuern und Abgaben übrig bleibt. Was haben die AfD und die CDU für diese Steuern und Abgaben geplant? Und wer profitiert von den geplanten Steuerentlastungen?

Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim veröffentlichte dazu am 20. Januar 2025 ein Gutachten. In Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung hat das ZEW die „finanziellen Auswirkungen von Reformvorschlägen der Parteien zur Bundestagswahl 2025“ untersucht. Als Grundlage für das Gutachten dienten die Parteiprogramme, so die Forschenden. Wo diese nicht konkret genug oder unvollständig gewesen seien, habe sich das ZEW auf Anträge oder Positionspapiere gestützt.

Teil der Analyse sind die Vorschläge der Parteien zur Einkommensteuer und dem Solidaritätszuschlag, der Vermögensteuer, dem Bürgergeld, dem Mindestlohn und Plänen für ein Klimageld. Die Forschenden haben sich nach eigenen Angaben auf die Vorschläge der Parteien konzentriert, deren Wirkung für einzelne Haushalte bezifferbar sind. Die Analyse enthält laut ZEW nicht alle Vorschläge aus den Wahlprogrammen, weil sich nicht alle Pläne „auf einzelne Haushalte herunterzubrechen“ lassen oder „zu vage formuliert [sind]“. Ebenfalls nicht enthalten sind in der Analyse Maßnahmen, die sich auf die Kaufkraft auswirken. Also zum Beispiel Reformen der CO2-Bepreisung oder der Mehrwertsteuer. 

Behauptungen 7 und 8: Mit der AfD und der CDU gibt es „mehr Netto vom Brutto“ – besonders bei höheren Einkommen

Laut dem Bild in Sozialen Netzwerken soll die AfD für „mehr Netto vom Brutto“ sorgen – das Gegenteil soll bei der CDU der Fall sein. Auf Grundlage welcher Faktoren dieser Schluss gezogen wird, erklären die Verbreiter des Bildes nicht. 

Darum nehmen wir im Folgenden Bezug auf die Ergebnisse der Analyse des ZEW. Aus den Grafiken ist ersichtlich, dass sich sowohl die Vorschläge der CDU als auch die der AfD positiv auf das verfügbare Einkommen aller Menschen in Deutschland auswirken würden. Wie stark jemand profitiert, hängt jedoch von der Höhe des Bruttoeinkommens ab. Die Vorschläge beider Parteien wirken sich besonders bei höheren Einkommen positiv aus, belegen die Daten. 

Im Folgenden zeigen wir, wie viel Euro mehr vom Einkommen laut dem ZEW übrig bleiben würden. Ein Beispiel: Gelänge es der AfD ihre Pläne umzusetzen, blieben einem Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen zwischen 40.001 und 55.000 Euro am Jahresende 1.064 Euro mehr. Gemäß den Plänen der CDU könnte es am Jahresende 414 Euro zusätzliches verfügbares Einkommen geben. 

Grafik des ZEW mit Angaben, wie die Nettogehälter durch Erfüllung der Parteiziele zulegen würden
Wer ein Bruttoeinkommen von bis zu 30.000 Euro hat, würde laut den Berechnungen 2 bis 245 Euro mehr durch die Vorschläge der AfD netto erhalten (Quelle: ZEW; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Wer ein Bruttoeinkommen von bis zu 30.000 Euro hat, würde laut den Berechnungen 11 bis 63 Euro mehr durch die Vorschläge der CDU netto erhalten
Wer ein Bruttoeinkommen von bis zu 30.000 Euro hat, würde laut den Berechnungen 11 bis 63 Euro mehr durch die Vorschläge der CDU netto erhalten (Quelle: ZEW; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Was die Vorschläge der Parteien für die Einnahmen des Staates bedeuten würden, haben die Forscherinnen und Forscher des ZEW ebenfalls berechnet: Durch die Maßnahmen der CDU hätte der deutsche Staat 47 Milliarden Euro weniger Einnahmen, durch die Vorschläge der AfD wären es 97 Milliarden Euro weniger.

Sowohl die Maßnahmen der CDU als auch die der AfD würden zu einer Verminderung der Staatseinnahmen führen
Sowohl die Maßnahmen der CDU als auch die der AfD würden zu einer Verminderung der Staatseinnahmen führen (Quelle: ZEW; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.

Redigatur: Viktor Marinov, Sarah Thust

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Gutachten des ZEW vom 20. Januar 2025, „Reformvorschläge der Parteien zur Bundestagswahl 2025: Finanzielle Auswirkungen“: Link (archiviert)
  • Wahlprogramm der CDU/CSU für die Bundestagswahl 2025: Link (archiviert)
  • Leitantrag der AfD für ein Programm zur Bundestagswahl 2025: Link (archiviert)
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