Bundestagswahl 2025

Alte Tabelle führt vor Bundestagswahl in die Irre: Wen Parteien finanziell entlasten würden, hat sich geändert

Was bedeuten die Pläne der Parteien für das eigene Einkommen? Dazu kursiert in Sozialen Netzwerken eine veraltete Tabelle. Für ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern sehen die Zahlen zur Bundestagswahl 2025 anders aus.

von Kimberly Nicolaus , Matthias Bau

gehalt-bundestagswahl.einkommen-zew
Am 23. Februar 2025 wird der Bundestag neu gewählt. Vorab verbreitet sich in Sozialen Netzwerken eine alte Analyse zu den prognostizierten Auswirkungen der Finanz- und Steuerpläne der Parteien. (Foto: K-H Spremberg / Shotshop / Picture Alliance)
Behauptung
Eine Tabelle des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zeige, wie das verfügbare Jahreseinkommen eines Alleinverdiener-Ehepaars mit zwei Kindern in den unteren Einkommensklassen steigen würde, wenn SPD, Die Linke oder die Grünen gewählt würden. Könnten FDP, CDU/CSU oder AfD ihre Vorhaben umsetzen, würde das verfügbare Jahreseinkommen dieses Beispielhaushalts in den höheren Einkommensklassen steigen.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Die Tabelle basiert auf Berechnungen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung von 2021. Sie wurden auf Grundlage der damaligen Pläne der Parteien für die Bundestagswahl berechnet und sind nicht mehr aktuell. Für die Bundestagswahl 2025 veröffentlichte das Institut am 17. Januar neue Zahlen, die auf die aktuellen Wahlprogramme der Parteien zurückgehen. Dabei zeigt sich, dass Haushalte mit niedrigeren Einkommen bis 40.000 Euro stärker von den Vorhaben der Linkspartei profitieren würden, Vorschläge der FDP und der AfD würden ihr Einkommen dagegen verringern. Haushalte mit höheren Einkommen würden laut der Analyse weiterhin mehr von den Vorschlägen der CDU, FDP und AfD profitieren.

Als die meisten Parteien Mitte Januar 2025 ihr Programm zur Bundestagswahl noch nicht beschlossen hatten, kursierte in Sozialen Netzwerken eine Tabelle, die zeigen soll, durch welche Parteipläne ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern profitieren würde. Dabei scheinen Die Linke, SPD und die Grünen gut wegzukommen: Ihre Vorhaben führten dazu, dass dieser Beispielhaushalt in niedrigen Einkommensklassen entlastet werde. Die Vorhaben von FDP, Union und AfD führten dagegen dazu, dass der Beispielhaushalt in hohen Einkommensklassen entlastet werde. 

Schon im Dezember 2024 wurde die Tabelle auf Instagram als „Wahlhilfe“ betitelt. Allein ein Tiktok-Video erreichte seit dem 11. Januar knapp 300.000 Aufrufe. Auch Unterstützer der Grünen sowie einzelne Ortsverbände und ein Linken-Kreisverband verbreiteten die angebliche Wahlhilfe. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk-Ulrich Mende teilte sie am 20. Januar auf Instagram.

Die Angaben darin sind jedoch veraltet. Mende reagierte bis zur Veröffentlichung nicht auf eine Anfrage. Nachfolgend erklären wir, was der Stand im Februar 2025 ist. 

In Sozialen Netzwerken kursiert eine Tabelle zur geschätzten Veränderung des verfügbaren Jahreseinkommens – sie basiert auf einer veralteten Berechnung des Leibniz-Instituts für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim
In Sozialen Netzwerken kursiert eine Tabelle zur geschätzten Veränderung des verfügbaren Jahreseinkommens – sie basiert auf einer veralteten Berechnung des Leibniz-Instituts für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Tabelle beruht auf Gutachten von 2021, doch inzwischen gibt es eine aktuelle Berechnung 

In der Tabelle ist als Quelle „ZEW-Evista“ angegeben. Dabei handelt es sich um ein Evaluationsmodell des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW). Einige der Werte wurden laut Hinweis unter der Tabelle für die Süddeutsche Zeitung, andere für die TV-Investigativsendung „Kontraste“ des RBB analysiert. 

Auf Anfrage bestätigte das ZEW uns gegenüber, dass die Zahlen in der Tabelle richtig sind. In der Form, wie sie in Sozialen Netzwerken kursiert, wurde sie vom RBB veröffentlicht. Wie von der Redaktion beschrieben, beziehen sich die Zahlen auf Reformvorschläge der Parteien zur Bundestagswahl 2021. Das zeigt auch ein Abgleich mit dem ZEW-Gutachten vom 8. Juli 2021

Eine Internetrecherche zeigt, dass das ZEW am 17. Januar 2025 neue Daten veröffentlicht hat. In Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung untersuchte es die „finanziellen Auswirkungen von Reformvorschlägen der Parteien zur Bundestagswahl 2025“. Als Grundlage dafür dienten die Parteiprogramme, so die Forschenden. Wo diese nicht konkret genug oder unvollständig gewesen seien, habe sich das ZEW auf Anträge oder Positionspapiere gestützt.

Die Forschenden haben sich nach eigenen Angaben auf die Vorschläge der Parteien konzentriert, deren Wirkung für einzelne Haushalte bezifferbar sind – darunter Vorschläge zu Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Vermögensteuer, Bürgergeld, Mindestlohn und Klimageld. Was zu vage formuliert war, floss laut ZEW nicht in das Gutachten ein. Ebenfalls nicht enthalten sind Maßnahmen, die sich auf die Kaufkraft auswirken. Also zum Beispiel Reformen der CO2-Bepreisung oder der Mehrwertsteuer. 

Wie wirken sich die Vorschläge der Parteien zur Bundestagswahl 2025 auf das Einkommen aus?

Die Berechnungen des ZEW von 2025 für ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern (PDF, Abbildung 37 auf Seite 51), also demselben Beispielhaushalt wie 2021, bauen auf ganz andere Daten auf als die Zahlen von 2021.

Die Tabelle unten zeigt – je nach Höhe des verfügbaren Bruttoeinkommens – wie viel Geld mehr oder weniger nach Abzug von Steuern und Abgaben nach den Schätzungen des ZEW für einen Beispielhaushalt übrig bleiben würde, wenn die Parteien ihre im aktuellen Wahlkampf angekündigten Pläne umsetzen würden. 

Noch 2021 hätten die Pläne von SPD und den Grünen laut der ZEW-Analyse dazu führen können, dass das verfügbare Einkommen für den Beispielhaushalt mit einem Bruttojahreseinkommen von 40.000 Euro um mehrere tausend Euro steigt. Das sieht bei der Bundestagswahl 2025 anders aus: Mit den aktuellen Vorhaben der Parteien würde der Beispielhaushalt laut ZEW deutlich weniger Einkommen zugewinnen. 

ZEW-Schätzungen von 2025 für ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern zusammengefasst

  • Bei einem Bruttoeinkommen von 40.000 Euro pro Jahr profitieren Menschen vor allem von den Plänen der Linkspartei, mit der soll es knapp 6.150 Euro mehr geben. Durch die Pläne der AfD und der FDP drohen hingegen Verluste von 443 beziehungsweise 1.518 Euro. 
  • Bei einem Bruttoeinkommen von 60.000 Euro pro Jahr profitieren Menschen vor allem durch die Pläne von FDP, AfD und Linkspartei. Die Vorhaben sollen ein Plus von 4.794 Euro (FDP), 5.395 Euro (AfD) und 6.979 Euro (Linke) bringen.
  • Bei einem Bruttoeinkommen von 120.000 Euro pro Jahr sollen CDU, FDP und AfD für das größte Plus sorgen. Mit der CDU gäbe es 2.765 Euro mehr, mit der FDP 7.893 Euro und mit und mit der AfD 12.309 Euro.
  • Bei einem Bruttoeinkommen von 180.000 Euro pro Jahr sorgen wiederum CDU, FDP und AfD für die größten Mehreinnahmen. Mit der CDU soll es 5.840 Euro mehr geben, mit der FDP 11.993 Euro und mit der AfD 19.185 Euro. Die Linke hingegen möchte hohe Einkommen stärker besteuern und sorgt so für ein Minus von knapp 800 Euro. 

Das aktuelle ZEW-Gutachten zeigt auch: Die Versprechen mancher Parteien könnten zu weniger Steuereinnahmen führen. Bei FDP, AfD und CDU prognostiziert das ZEW mehrere Milliarden Euro weniger Staatseinnahmen.

Die geplanten Maßnahmen der FDP, AfD und CDU würden laut der Analyse (Seite 56) zu einer Verminderung der Staatseinnahmen führen
Die geplanten Maßnahmen der FDP, AfD und CDU würden laut der Analyse (Seite 56) zu einer Verminderung der Staatseinnahmen führen (Quelle: ZEW; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.

Redigatur: Sarah Thust, Max Bernhard 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Gutachten des ZEW vom 17. Januar 2025, „Reformvorschläge der Parteien zur Bundestagswahl 2025: Finanzielle Auswirkungen“: Link (archiviert)
  • Gutachten des ZEW vom 8. Juli 2021, „Reformvorschläge der Parteien zur Bundestagswahl 2021 – Finanzielle Auswirkungen“: Link (archiviert)