Ukrainekrieg: Sahra Wagenknecht reißt Aussage von ZDF-Reporter Elmar Theveßen aus dem Kontext
In Sozialen Netzwerken behauptet Sahra Wagenknecht, ein ZDF-Korrespondent habe sich in der Talksendung Maybrit Illner darüber gefreut, dass der Krieg in der Ukraine trotz Donald Trumps Wahl weitergehe. Diese Interpretation beruht jedoch auf einem Satz, der aus dem Kontext gerissen wird.
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„Hey Leute, habt ihr das gesehen?“ Mit diesen Worten moderiert die Spitzenkandidatin des BSW, Sahra Wagenknecht, in einem Video auf Tiktok, Youtube und Facebook einen vermeintlichen Skandal an. Das Thema: Der Krieg in der Ukraine.
Was folgt, ist eine Aussage des Leiters des ZDF-Studios in Washington, Elmar Theveßen, in der Talkshow Maybrit Illner. Theveßen sagte dort folgendes, und Wagenknecht zeigt diesen Ausschnitt in ihrem Video: „Die gute Nachricht ist, es wird nicht am ersten Tag schon der Frieden ausbrechen in dieser Region. Donald Trump hat selber gesagt, er rechnet vielleicht mit sechs Monaten. Der Keith Kellogg [US-Sondergesandter für die Ukraine und Russland, Anm. d. Red.], den Herr Ischinger vorhin erwähnte, hat von 100 Tagen gesprochen, die man sich gibt, um das Problem zu lösen. Das ist erstmal die gute Nachricht.“
Wagenknecht empört sich über die Aussage Theveßens. „Das heißt doch, man freut sich, wenn der Krieg weitergeht, wenn das Sterben weitergeht, wenn die Menschen weiter leiden. Das ist doch krank.“ Am Ende des Videos fragt sie: „Mensch, haben wir alle unseren Kopf ausgeschaltet, dass es da keinen Empörungsschrei gibt?“
Zu früh ausgeschaltet hat aber offenbar nur Wagenknecht. Denn wer die Talkshow wenige Sekunden weiter schaut, versteht, dass sich Theveßen und die Talkrunde nicht über das Leiden und Sterben in der Ukraine freuen.
Sendung mit Elmar Theveßen wurde kurz vor Trumps Amtseinführung ausgestrahlt
Sahra Wagenknecht veröffentlichte ihr Video am 3. Februar 2025. Die Talksendung von Maybrit Illner, auf die sie sich bezieht, wurde am 16. Januar ausgestrahlt, einige Tage vor Donalds Trumps Amtseinführung. In der Sendung bei Maybrit Illner wurde diskutiert, welche Ziele Trump in der Außenpolitik hat und was das unter anderem für die Ukraine bedeuten könnte. Wir haben uns die Sendung angeschaut.
Ab Minute 19:30 geht es in der Talkshow um die Frage, ob die USA über den Kopf der Ukraine hinweg für einen Friedensschluss mit Russland sorgen könnten. Wolfgang Ischinger, ehemaliger Deutscher Botschafter in den USA und ehemals Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz, sagt, es sei unwahrscheinlich, dass Trump sein Wahlkampfversprechen wahr machen werde, den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden nach Amtsantritt am 20. Januar zu beenden. „Das ist nicht das, worauf Wladimir Putin sich einlassen wird“, so Ischinger. Putin werde „eine massive Front aufbauen und sich alles mühseligst abhandeln lassen“. Seiner Einschätzung nach würden sich die Amerikaner von Putin aber nicht so herumführen lassen.
Theveßen begrüßt, dass die Ukraine weiterhin militärische Unterstützung erhält, um in eine „starke Verhandlungsposition“ zu kommen
Wenig später erhält Theveßen das Wort. Illner will von ihm wissen, ob er denke, dass Donald Trump verstanden habe, dass „die Ukraine siegen muss“ und dass es nicht klug sei, über den Kopf der Ukraine hinweg zu entscheiden.
Theveßen sagt dann, was im Video von Wagenknecht zu hören ist: „Die gute Nachricht ist, es wird nicht am ersten Tag schon der Frieden ausbrechen in dieser Region. Donald Trump hat selber gesagt, er rechnet vielleicht mit sechs Monaten. Der Keith Kellogg, den Herr Ischinger vorhin erwähnt hat, hat von 100 Tagen gesprochen, die man sich gibt, um das Problem zu lösen. Das ist erstmal die gute Nachricht.“ Was daran eine „gute Nachricht“ sei, sagt er direkt im Anschluss, dieser Teil fehlt im Video von Sahra Wagenknecht: „Das heißt, auch in den ersten Tagen und Wochen werden nicht einfach die Militärhilfen sofort eingestellt. Zum Beispiel die Lieferung von Geheimdienstinformationen, die die ukrainische Armee braucht, um eben die Ziele auch zu finden und dann zu bekämpfen. Weil man eben eine Position der Stärke braucht, um in Verhandlungen zu gehen.“
Schlecht sei, so führt Theveßen weiter aus, dass der zukünftige US-Außenminister Marco Rubio angedeutet habe, die Ukraine müsse bei Verhandlungen Kompromisse eingehen. Die könnten darin bestehen, dass man die Krim und die besetzten Gebiete in der Ostukraine nicht zurückbekomme. Die territoriale Integrität der Ukraine sei Donald Trump offenbar egal, wenn er sich als derjenige präsentieren könne, der den Krieg beendet hat.
Aus Theveßens Äußerungen lässt sich nicht ableiten, dass er sich darüber freut, wenn der Krieg in der Ukraine weitergeht.
ZDF-Sprecher: „Missverständliche Formulierung lässt sich im Gesamtkontext der Antwort verstehen“
Thomas Hagedorn, Pressesprecher des ZDF, schrieb uns zu der Aussage Theveßens: „Die missverständliche Formulierung lässt sich im Gesamtkontext der Antwort verstehen. Mit der Formulierung wollte der ZDF-Korrespondent ausdrücken, dass die fortgesetzte finanzielle Unterstützung der USA für die Ukraine eine gute Nachricht sei und die Ukraine so zunächst vor einem Diktatfrieden geschützt sei.“
Das ZDF und Theveßen würden den missverständlichen Halbsatz bedauern. Dieser werde aber „im Verlauf der ausführlichen Antwort des Korrespondenten dahingehend klargestellt, dass die gute Nachricht die weitere Unterstützung der Ukraine durch die USA und nicht das Weiterführen des Krieges sei“.
Wir haben Sahra Wagenknecht gefragt, wieso sie die Aussage von Theveßen ohne diesen Kontext verbreitet. Bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks erhielten wir auf die Frage jedoch keine Antwort. Wagenknechts Partei selbst fordert, den Frieden in der Ukraine durch Verhandlungen zu beenden und ist gegen Waffenlieferungen.
Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.
Redigatur: Alice Echtermann, Paulina Thom
Die wichtigste, öffentliche Quelle für diesen Faktencheck:
- Talksendung Maybrit Illner vom 16. Januar 2025: Link