Rente mit 57 Jahren? Online kursiert falsche Behauptung zu ukrainischen Geflüchteten in Deutschland
Geflüchtete aus der Ukraine sollen angeblich zehn Jahre früher als Deutsche in Rente gehen dürfen und das, ohne einzuzahlen. Beides stimmt nicht.

Seit rund drei Jahren heißt es regelmäßig in Sozialen Netzwerken, ukrainische Geflüchtete in Deutschland würden von einer angeblichen Sonderregelung bei der Rente profitieren. Im Unterschied zu Deutschen, die bis 67 Jahren arbeiten müssten, dürften ukrainische Frauen bereits mit 57,5 Jahren und Männer mit 60 Jahren in Rente gehen, heißt es. Außerdem würden sie eine Rente erhalten, obwohl sie hier niemals in die Rentenkasse eingezahlt hätten. Aktuelle Beiträge mit der Behauptung kursieren auf Facebook und Tiktok und erreichen teils über hunderttausend Aufrufe.
In den Kommentaren herrscht Unverständnis, manche Nutzerinnen und Nutzer sind wütend auf die geschäftsführende Regierung oder die „Altparteien“. Doch es gibt keine solche Sonderregelung bei der Rente für ukrainische Geflüchtete und sie ist laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auch nicht geplant.

Falsche Behauptung über Rente von Ukrainern kursiert seit April 2022
In manchen Beiträgen wird als Quelle für die angebliche Sonderregelung eine Angabe des MDR genannt. Wir berichteten darüber im Mai 2022. Der Sender teilte damals in einem Kommentar der Facebook-Seite von „MDR Investigativ“ die falsche Information, löschte den Kommentar später und korrigierte diesen mehrfach. Die Falschinformation kursierte bereits einige Wochen zuvor: Wir fanden sie erstmals in einem Beitrag auf Telegram vom 13. April 2022 – damals hieß es fälschlicherweise, die Ampel-Koalition habe dies so entschieden und eine entsprechende Anweisung an die Jobcenter verschickt.
Trotz der Richtigstellung durch den MDR hält sich die Behauptung weiter hartnäckig im Netz. Im September 2023 reagierte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) mit einem eigenen Faktencheck – Gundula Sennewald aus der Pressestelle der DRV schreibt uns auf Nachfrage, dass dieser inhaltlich weiter Bestand hat.
Ukrainische Geflüchtete können genau wie Deutsche frühestens mit 63 Jahren in Rente gehen
Demnach ist es falsch, dass ukrainische Geflüchtete in Deutschland bis zu zehn Jahre früher Rente erhalten als Deutsche. „Für den Bezug einer deutschen Rente gilt für Ausländer dasselbe Rentenrecht und dasselbe Renteneintrittsalter wie für deutsche Staatsbürger“, heißt es im Faktencheck. Ukrainische Geflüchtete können also – genau wie deutsche Staatsbürger – unter entsprechenden Abschlägen frühestens mit 63 Jahren in Rente gehen, sofern 35 Beitragsjahre vorliegen.
Auch eine Sprecherin des BMAS schreibt uns auf Nachfrage: „Es gibt kein gesondertes Renteneintrittsalter für Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Deutschland leben und es ist auch nichts derartiges geplant.“ Wir haben auch die CDU und die SPD, die sich im April 2025 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben, angefragt. Von der SPD heißt es, die Behauptungen seien falsch, von der CDU erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Rückmeldung. Im Koalitionsvertrag findet sich eine solche Regelung jedenfalls nicht.
Nein, Geflüchtete aus der Ukraine erhalten keine Rente ohne Beitragszahlungen
Es stimmt auch nicht, dass ukrainische Geflüchtete eine Rente erhalten, obwohl sie in Deutschland keine Beiträge gezahlt haben. Grundsätzlich gilt: Jeder in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer zahlt in die DRV ein. Auch Ausländer können deutsche Rentenansprüche erwerben, wie der DRV im Faktencheck erklärt. Diese entstehen aber frühestens nach fünf Jahren Beitragszahlung und dem Erreichen des gesetzlich vorgeschriebenen Renteneintrittsalters.
Arbeitszeit im Ausland kann auf die fünf Jahre Mindestversicherungszeit nur angerechnet werden, wenn es sich um ein EU-Mitgliedsland handelt oder das Land mit Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen hat. Seit Dezember 2023 gibt es Beitrittsverhandlungen mit der EU, EU-Mitglied ist die Ukraine aber nicht. Ein Sozialversicherungsabkommen wurde zwar 2018 von Deutschland unterzeichnet und 2020 beschlossen, jedoch bislang nicht von der Ukraine ratifiziert. Laut BMAS gibt es keine öffentlich bekannten Pläne oder Fristen seitens der ukrainischen Regierung, wann die Ratifizierung erfolgen soll.
Nur bei einem sehr kleinen Personenkreis unter den ukrainischen Geflüchteten werden Arbeitszeiten in der Ukraine angerechnet, und zwar bei den nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannten Spätaussiedlern. Auch hier gelten laut DRV die „üblichen Altersgrenzen“.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Max Bernhard, Gabriele Scherndl
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Faktencheck der Deutschen Rentenversicherung, 18. September 2023: Link (archiviert)