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Gescheiterte Integration? Gauland und die Türken

Die Integration der Deutschtürken sei gescheitert. Das erklärte der AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland in dem neuen Politsendeformat der ARD „Überzeugt uns! Der Politikercheck“. Und belegte das mit einem fragwürdigen Beispiel.

von Jacques Pezet

AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland zweifelt an der Integration der Türken in Deutschland.© Philipp Guelland / AFP

Am 21. August 2017 war der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland (AfD) Alexander Gauland bei der Premiere der ARD-Sendung „Überzeugt uns! Der Politikercheck“ gemeinsam mit anderen Gästen eingeladen. Beim Thema Integration wurde Gauland von Moderator Ingo Zamperoni nach dem prophezeiten Untergang Deutschlands angesichts der Migration gefragt.

Darauf antwortete der AfD-Kandidat (von 01:07:43 bis 1:08:02), indem er einen Unterschied zwischen der Integration eines Nicht-Muslims mit der eines Muslims ausmachte und die Integration der Türken in Deutschland für gescheitert erklärte: „Es ist eben etwas anderes, ob ein Holländer bei uns ist, oder ob jemand aus einem muslimischen Land bei uns ist, der von ganz anderen Wertvorstellungen ausgeht. Und Sie können sehen an der berühmten Abstimmung über Erdogans Verfassung: Wenn 69 Prozent der Deutschtürken für eine autoritäre Verfassung stimmen, die unter unserem Grundgesetz und nach unseren Gesetzen leben. Dann ist die Integration gescheitert“.

Stimmt diese Zahl? Im April 2017 haben genau 412.149 Türken aus Deutschland für eine Reform der türkischen Verfassung gestimmt, die dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan deutlich mehr Macht verleiht. Dies entspricht 63,07 Prozent der 660.666 Wahlbeteiligten aus Deutschland. Eine Zahl, die von Alexander Gauland als Beweis für die angeblich gescheiterte Integration der Türken in Deutschland benutzt wird.

Was der Spitzenkandidat der AfD nicht sagt: die Wahlbeteiligung lag bei 46,22 Prozent. Das heißt, dass weniger als die Hälfte der 1.429.492 wahlberechtigten türkischen Staatsangehörige überhaupt zur Wahl gegangen ist. Wenn man dies berücksichtigt, dann haben nur 28,83 Prozent der Türken in Deutschland an dem Votum mit „Evet“ (Ja) gestimmt.

Laut dem Statistischen Bundesamt wohnten im vergangenen Jahr insgesamt 2,797 Millionen Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund in Deutschland. Es ist deshalb unfair, alle Türken aus Deutschland in einen Topf zu werfen, nur weil 412.149 Männer und Frauen mit ihrem Votum Erdogan unterstützten. Das Beispiel ist nicht relevant für eine Bewertung des Scheiterns oder Gelingens der türkischen Integration in Deutschland. Hierfür wären noch viele andere Kriterien anzulegen.

Fazit: Die Aussage von Alexander Gauland ist verallgemeinernd. Im April 2017 haben nicht 69 Prozent, sondern 29 Prozent aller in Deutschland wahlberechtigten türkischen Staatsangehörigen für die Verfassungsreform gestimmt. Die meisten Stimmberechtigten sind zu Hause geblieben.