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Im ZDF Programm „Illner Intensiv" hat der CDU-Politiker Carsten Linnemann der Bundesministerin für Arbeit und Soziales vorgeworfen, nicht vorbildlich beim Thema prekären Beschäftigung zu sein. Dem widerspricht Andrea Nahles (SPD). Unser Faktencheck.

von Jacques Pezet

© Steffi Loos / AFP

Am 5. September 2017 plädierte Andrea Nahles (SPD) in der Sendung Illner Intensiv für weniger befristete Arbeitsverträge: „Wir brauchen eine Reduktion der prekären Beschäftigung. Wir haben viel zu viel Befristungen. Ich sage Ihnen – gerade junge Leute – 42 Prozent der Ersteinstellungen sind jetzt befristet.

Darauf reagierte später Carsten Linnemann (CDU), indem er der Bundesministerin den Vorwurf machte, heuchlerisch zu sein: „Frau Nahles bei Ihnen im Ministerium, die Befristungen haben zugenommen. Zwischen 2013 und 2016 plus 25 Prozent. Im eigenen Ministerium! Das heißt, die Verwaltung sollte erstmal mit besten Beispielen vorangehen, bevor man anderen aufoktroyiert, wie man sich zu verhalten hat“.

Diese Attacke des CDU-Politikers bewertete Andrea Nahles als „völlig gelogen“ und erklärte, dass es „keinerlei Steigerungen“ in ihrem Ministerium gab. Wir haben versucht herauszufinden, wie sich die Befristungen in ihrer Regierungszeit entwickelt haben.

Diese Frage kam zuletzt eine Antwort am 7. Juni 2017, als die Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Abgeordeneten Jutta Krellmann (Die Linke) reagierte.

In der Antwort ist diese Tabelle zu finden. Dort kann man erkennen, dass die Zahl der Beschäftigen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit dem Jahr 2013 von 270 bis auf 340 Personen im Jahr 2016 gestiegen ist. Das entspricht einer Zunahme von 26 Prozent.

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Antwort der Bundesregierung vom 7. Juni 2017 auf die schriftliche Frage von Jutta Krellmann

Im Februar 2017 hatte die Bundesregierung schon auf eine kleine Anfrage der Linken-Fraktion zum selben Thema geantwortet. Damals hatte  sich gezeigt, dass der Anteil der sachgrundlos Befristeten an den befristet Beschäftigten um 41,4 Prozent im Bundesministerium für Arbeit und Soziales lag.

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Aus der Antwort der Bundesregierung vom 7. Februar 2017

Zwei Drittel der Neueinstellungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales waren befristet im Jahr 2016

In ihrer Forderung, weniger Menschen befristet zu beschäftigen, erwähnte Andrea Nahles die Zahl von 42 Prozent befristeten Ersteinstellungen. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Grünen-Bundestagsfraktion hatten 45 Prozent der neu eingestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2016 nur einen befristeten Arbeitsvertrag. In der Antwort der Bundesregierung vom Februar 2017, das zeigt die folgende Tabelle, wurden sogar 61,6 Prozent der Neueinstellungen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Jahr 2016 mit befristeten Arbeitsverträgen vergeben.

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Screenshot aus der Antwort der Bundesregierung vom 7. Februar 2017

Reaktion vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Auf eine Anfrage von CORRECTIV antwortete das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach der ersten Veröffentlichung dieses Artikels.

Bitte beachten Sie: Bei dem Anstieg um 26 Prozent von 2013 bis 2016 handelt es sich nicht um Zahlen des Ministeriums, sondern um Zahlen der Personalstandsstatistik des Statistischen Bundesamtes bzgl. befristeter Beschäftigung im BMAS inkl.Geschäftsbereich.“

Laut BMAS weist das Ministerium „mit 1222 Beschäftigten eine Befristungsquote von 5,4 % auf“.

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Antwort der Pressestelle des BMAS auf einer CORRECTIV Anfrage

„Im unmittelbaren Geschäftsbereich des BMAS ist der Anteil der Befristungen insgesamt höher als im BMAS selbst. Ein wichtiger Grund dafür ist die Tatsache, dass die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) als Ressortforschungseinrichtung in erheblichem Umfang wissenschaftliches Personal nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) sowie studentische Hilfskräfte beschäftigt. Ressortforschungseinrichtungen wie der BAuA ist eine Beschäftigung von befristeten (Nachwuchs-)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern jedoch immanent. Befristete Arbeitsverhältnisse sorgen im wissenschaftlichen Bereich für einen laufenden Zustrom neuer Ideen an die Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Zudem wird durch diese sichergestellt, dass sich jede Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern qualifizieren kann, weil nicht alle Mittelbau-Stellen mit Dauerpersonal besetzt sind.“ 

Fazit: Laut einer Antwort der Bundesregierung von Juni 2017 ist die Zahl der Befristigungen der Beschäftigungen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales zwischen 2013 und 2016 um 26 Prozent gestiegen.

Auf einer Anfrage von CORRECTIV antwortete das BMAS, dass diese Zahlen nicht allein für das Ministerium gelten, sondern auch für angeschlossene Geschäftsbereiche.