Faktencheck-Tipps

Geolocation: 5 Tipps, um den Aufnahmeort eines Bilds zu finden

„Wie finde ich heraus, wo ein Bild aufgenommen wurde?“ Diese Aufgabe ist Teil journalistischer Recherche – mit bestimmten Werkzeugen und Techniken aber auch für Laien zu lösen. Wie das funktioniert, erklären wir hier. Interessierte können mit einer Übungsaufgabe direkt loslegen.

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Die Recherche, woher ein Bild oder Video stammt, gehört zum Alltag im Faktencheck-Team (Symbolbild: Canva)

Stammt dieses Foto wirklich aus der Ukraine? In welcher Stadt fand dieser Bauernprotest statt? Und durch welche Straßen rollt dieser Militärkonvoi?

Fragen wie diese gehören zum Alltag im Faktencheck-Team. Um sie zu beantworten, verwenden wir bestimmte Techniken und Werkzeuge. Sie helfen uns, den Aufnahmeort eines Bildes oder Videos zu ermitteln. Unsere Erfahrungen wollen wir hier teilen. Denn für die sogenannte Geolocation braucht es oft nur eine Internetverbindung, die vorgestellten Hilfsmittel sind kostenfrei. Mit wenigen Kniffen können so auch Einsteiger potenzielle Falschmeldungen enttarnen.

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Tipps zu unserer Faktencheck-Arbeit. Mehr davon gibt es hier

Übungsaufgabe: Wo wurde dieses Foto gemacht?
Im Beitrag geben wir Tipps, um den Aufnahmeort von Bildern und Videos zu finden: Mit dieser Aufgabe können Sie die Tools testen. Am Ende lösen wir auf, wo das Bild aufgenommen wurde.

Tipp 1: Details können entscheidende Hinweise liefern

Erstmal heißt es: Augen auf. Kleine Details können die Suche auf ein Land, eine Region oder einen Ort eingrenzen. Lassen sich im Bild beispielsweise Sehenswürdigkeiten, Straßenschilder oder Autokennzeichen erkennen? Auch ein Strommast, Briefkasten oder Kleidungsstück verrät etwas über den Aufnahmeort.

Die Webseite Geo Hints sammelt solche Erkennungsmerkmale: zum Beispiel, wie eine Ampel in Uganda aussieht.

Ampeln in verschiedenen Ländern: Anhand solcher Details lässt sich eingrenzen, wo ein Foto aufgenommen wurde (Quelle: geohints.com; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Bei ländlichen Aufnahmen sollte man vor allem auf die Natur achten: Sind markante Hügel oder Gewässer zu sehen? Lässt sich eine einheimische Pflanze oder ein Baum identifizieren?

Dabei helfen spezielle Apps: Bei Peakfinder und Peakvisor lassen sich Silhouetten von Berg- und Hügellandschaften nachvollziehen, zum Beispiel von der Zugspitze.

Beispiele: Dieses Details halfen uns bei Recherchen weiter

Wir haben diese Techniken zum Beispiel benutzt, um anhand eines Ortsschildes und einer Brücke ein Video eines Panzer-Transports in Deutschland zu überprüfen. Die Aufschrift auf einer Polizeiuniform half uns ein Video nach Marokko zurückzuverfolgen und so einen Grenzübergang zwischen Marokko und der spanischen Stadt Melilla zu identifizieren. Russische Autokennzeichen enttarnten eine Falschmeldung zu einem angeblich chinesischen Militärkonvoi in der Ukraine.  

Dass ländliche Details bei einer investigativen Recherche den entscheidenden Unterschied machen können, zeigte auch das Team von BBC Africa Eye. Es identifizierte anhand der Berge im Hintergrund den Ort, an dem Soldaten in Kamerun mehrere Menschen ermordeten.

(Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Um eine Pflanzenart zu erkennen und einer bestimmten Region zuzuordnen, helfen die Webseiten Plantnet oder iNaturalist weiter. Darüber hinaus liefert iNaturalist auch Informationen zu Insekten und Tieren.

Tipp 2: Die Bilder-Rückwärtssuche hilft, ähnliche Aufnahmen zu finden 

Die Bilder-Rückwärtssuche ist meist der erste Schritt, um Fotos oder Videos zu verorten.

Wie das geht? In Suchmaschinen wie Google, Bing, Yandex oder Tineye einfach ein Foto hochladen und nach ähnlichen Ergebnissen suchen. Werden Bilder verfälscht oder in einem falschen Kontext verbreitet, stiftet das schnell Unsicherheit. Eine Bilder-Rückwärtssuche kann zeigen: Das Foto wurde schon einmal in Medienberichten über ein ganz anderes Thema verwendet oder es ist älter als behauptet.

Über dieses Feld lässt sich zum Beispiel bei Google ein Foto hochladen. Das funktioniert auch bei anderen Suchmaschinen. (Quelle: Google; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck).

Außerdem: Einige Suchmaschinen, wie Yandex oder Bing, erkennen markante Gebäude oder Sehenswürdigkeiten teilweise automatisch.

Bekannte Gebäude in Bildern werden von manchen Suchmaschinen automatisch erkannt (Quelle: Bing; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Browser-Erweiterungen wie RevEye (für Chrome oder Firefox) oder „Fake news debunker“ (für Chrome) von Invid machen es einem besonders einfach: Durch einen Rechtsklick auf das entsprechende Bild lassen sich gleichzeitig mehrere Suchmaschinen durchsuchen.

Auf dem Smartphone funktionieren diese Erweiterungen in der Regel nicht. Wer keine App installieren will, kann mit der Webseite Duplichecker mehrere Suchmaschinen durchsuchen.

Beim ersten Versuch nichts gefunden? Dann kann es hilfreich sein, das Foto zuzuschneiden oder den Hintergrund zu entfernen – das kann das Tool Remove Background – oder bei Videos eine Rückwärtssuche mit verschiedenen Standbildern durchzuführen.

Tipp 3: Metadaten der Bild- oder Videodatei können zusätzliche Spuren liefern

Nehmen wir mit dem Handy oder der Kamera ein Foto oder Video auf, werden oft eine Menge Daten automatisch hinzugefügt: Informationen über Aufnahmezeit, Gerät, Urheberin oder Standort können sich in einer Bild- oder Videodatei verstecken.

Viele kostenlose Online-Tools ermöglichen Einsteigern, diese Metadaten, auch Exif-Daten genannt, auszulesen:

  • es gibt Online-Werkzeuge wie Jimpl oder Exif Tools
  • die Erweiterung EXIF Viewer Pro funktioniert im Internet-Browser Chrome
  • Exifr oder Exif Tool funktionieren auch ohne Internetverbindung
Beispiele: Hier halfen uns Metadaten bei der Recherche weiter
Metadaten können wertvolle Recherche-Hinweise liefern. Sie können zum Beispiel die Koordinaten des konkreten Aufnahmeorts enthalten. So haben wir zu Beginn des russischen Angriffskriegs eine Behauptung, Saboteure seien in die Volksrepublik Donezk eingedrungen, überprüft und herausgefunden, dass der angebliche Videobeweis älter als behauptet und manipuliert war. In einem anderen Fall bekräftigen Metadaten die Aussagen eines Fotografen, dessen Jahre zuvor aufgenommenes Foto eines Leopard-Panzers irreführend mit Bezug auf den Ukraine-Krieg verbreitet wurde.

Aber aufgepasst: Metadaten können sehr einfach mit entsprechender Software manipuliert werden – sie eignen sich daher nur bedingt als Beleg und sollten nie allein als Beweis für einen Aufnahmeort herhalten. Zudem entfernen einige Social-Media-Plattformen wie Instagram Metadaten beim Hochladen.

Tipp 4: Vergleichen mit Online-Kartendiensten, Satellitenbildern und Street View

Hat man erste Hinweise auf den Aufnahmeort gefunden, können Satellitenbilder und Karten helfen, Schritt für Schritt zu rekonstruieren, wo genau ein Foto oder Video aufgenommen wurde und ob die Behauptungen dazu plausibel sind.

Die Kartendienste von Apple, Baidu, Bing, Google, Yandex und Mapillary helfen bei der Suche nach Straßen und Gebäuden – und besonders wichtig: Sie liefern Fotos, die Nutzerinnen und Nutzern vor Ort gemacht haben, sowie Bilder aus der Straßenperspektive. So erkennt man auch Hausfassaden, Parks oder Strände. Aber Vorsicht: Nicht immer sind die Bilder aktuell, deshalb ist es ratsam, während der Recherche auf das Aufnahmedatum zu achten.

Beispiele: So halfen uns Satellitenbilder und Straßenaufnahmen

Wir konnten mithilfe von Google Street View ein Bild einer Strandpromenade in San Diego zuordnen. Anders als behauptet, stand die damalige Aufnahme einer Flutwelle nicht in Bezug zu den Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023. Um Orte zu vergleichen, lohnt es sich, markante Merkmale farbig zu markieren und so gegenüberzustellen.

Mithilfe von Satellitenbilder konnten wir zudem den Standort einer Geburtsklinik im ukrainischen Mariupol lokalisieren. Russland hatte nach einem Angriff auf die Klinik fälschlich behauptet, diese sei nicht in Betrieb gewesen und als militärischer Stützpunkt für die Ukraine genutzt worden.

Satellitenbilder und weitere Karten-Werkzeuge gibt es hier:

  • Mit dem Plugin Map Switcher (Chrome) kann man zwischen verschiedenen Kartendiensten hin- und herspringen
  • Das Tool Dual Maps erlaubt es, Satelliten-, Karten- und Straßenperspektive gleichzeitig zu betrachten
  • Google Earth Pro und Sentinel Hub bieten historische Satellitenbilder – das ist besonders hilfreich beim verifizieren älterer Aufnahmen
  • Die kollaborative Karten-Plattform Wikimapia hilft, öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Schulen zu finden

Tipp 5: Durch Online-Angebote Geolocation lernen und trainieren

Neben der kleinen Übungsaufgabe gibt es weitere Möglichkeiten, Techniken zur Ortsbestimmung auf spielerische Weise anzuwenden und zu trainieren.

Das Team von Quiztime teilt täglich eine Recherche-Aufgabe auf Twitter. Oft geht es dabei darum, den Aufnahmeort von einem Foto oder Video zu finden. Teilnehmende können in den Kommentaren Recherchewege diskutieren oder sich austauschen.

Mit den Quiztime-Aufgaben lässt sich Geolocation üben, ohne gleich ernste Themen anpacken zu müssen (Quellen: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ebenfalls ein spielerisches Training für Geolocation-Nerds bietet das Spiel Geoguessr. Dabei muss der Aufnahmeort eines zufälligen Bilds von Google Street View erraten werden.

Im Spiel Geoguessr geht es darum, den Aufnahmeort eines Bildes von Google Street View so gut wie möglich zu erraten (Quellen: Geoguessr; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Auflösung: Wo wurde dieses Foto aufgenommen? 

In welcher Straße steht das Gebäude mit der schwarzen Glasfassade? Tipp 1 hilft bereits weiter: Bei genauem Hinsehen erkennt man eine Spiegelung in den Fenstern des Gebäudes – ein Turm. Richtig – es handelt sich dabei um den Berliner Fernsehturm. Das Gebäude steht also in der Nähe des Fernsehturms, im Umkreis des Alexanderplatzes. Aber wo genau?

Um herauszufinden, welches Gebäude das Foto zeigt, durchsuchen wir Satellitenbilder und Fotos aus der Straßenperspektive. Wir „laufen“ also die Straßen in der Umgebung auf Google Streetview und ähnlichen Diensten ab – das kann manchmal sehr lange dauern. Doch am Ende lohnt sich der Aufwand: Auf Google sind wir diesmal nicht fündig geworden, dafür auf Mapillary: Dort finden wir ein Bild des Gebäudes in der Voltairestraße – auch dort spiegelt sich der Fernsehturm in den Fenstern. Über einzelne Details im Bild lässt sich verifizieren, dass es sich tatsächlich um dasselbe Gebäude handelt. Obwohl auf dem Bild von Mapillary von Anfang 2022 noch eine Baustelle zu sehen ist, können wir zum Beispiel die Spiegelung des Gebäudes gegenüber in den Fenstern erkennen, in weiteren Bildern lassen sich der Baum und Laternenmast finden.

(Quelle: Mapillary; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Weitere Tipps von uns zur Faktencheck-Arbeit gibt es hier

Die wichtigsten Werkzeuge in der Kurzübersicht:

  • Findet sich mit einer Bilder-Rückwärtssuche ein ähnliches Bild im Internet oder wurde es in einem anderen Kontext geteilt? 
  • Gibt es Landschaften, Gegenstände, Tiere oder Pflanzen, die auf den Ort der Aufnahme hinweisen? 
  • Verraten die Metadaten etwas über die Herkunft? 
  • Bestätigt der Abgleich mit Satellitenbildern und Karten, dass es sich um den vermuteten Ort handelt?