Hintergrund

Gelbe Westen in Deutschland: Denn sie wissen nur ungefähr, was sie wollen

Franzosen demonstrierten in gelben Westen gegen die Steuerpolitik von Macron. Auch in Deutschland wollen jetzt einige Menschen zivilen Ungehorsam üben: Eine Mischung aus Aktionisten, Islamhassern und Verschwörungstheoretikern. Einer aus der Bewegung beantwortet unsere Fragen.

von Anna Mayr

Die „Gelben Westen“ wollen gegen den Wahnsinn kämpfen. Nur welcher Wahnsinn gemeint ist, bleibt unklar (Quelle: Facebook)
Die „Gelben Westen“ wollen gegen den Wahnsinn kämpfen. Nur welcher Wahnsinn gemeint ist, bleibt unklar (Quelle: Facebook)

Der Start der „Gelben Westen“ in Deutschland ist diffus. Während es in Frankreich um die Spritsteuer geht, finden die Warnwesten in Deutschland bei denen Anklang, die sich von Dieselfahrverboten von „denen da oben“ schikaniert fühlen, aber auch bei denen, die gegen „das System“ sind und einer internationalen Bewegung gegen die Migrationspolitik angehören wollen – oder einfach gegen Migranten.

In Frankreich wehren sich Teile der Warnwesten-Bewegung dagegen, der extremen Rechten zugeordnet zu werden. Laut einer Journalistin der Zeitung Liberation ist die Gruppe gespalten – allerdings versuchen Akteure der extremen Rechten, die Führung zu übernehmen. Das nutzt der französische Präsident als Gelegenheit, die Gruppen zu diskreditieren.

Einige deutsche Organisations-Gruppen wurden von den Administratoren inzwischen wieder gelöscht, so zum Beispiel die meisten Gruppen aus Ostdeutschland.

Jeder Einzelne hat seine eigene Interpretation der Bewegung

Es kursieren verschiedene Informationen darüber, warum das geschehen ist. Manche sagen, es hätte daran gelegen, dass die Telegram-Gruppen von „linken Schläfern“ unterwandert worden wären. Andere sagen, es seien zu viele Hass-Nachrichten verbreitet worden, die nicht erwünscht waren. 

Manche Menschen, die sich nun versammeln, wollen nicht, dass die AfD die neue Bewegung für sich vereinnahmt. Andere hingegen sprechen sich für die Partei aus. Manche haben Verständnis für Flüchtlinge und wollen einzig den Migrationspakt verhindern. Andere hingegen hetzen gegen Ausländer, speziell gegen Araber.

In einer Telegram-Gruppe wurde ein Flyer veröffentlicht, in dem deutlich steht, dass es „nicht nur um die Spritpreise“ ginge, sondern um Löhne, Renten, Schulsystem, Wohnraum und den UN-Migrationspakt. Der Flyer spricht sich gegen „Hass auf andere Nationen“ aus und suggeriert, dass es um eine europäische Bewegung geht, auf die Deutschland jetzt nur noch aufspringen muss.

Einer der Flyer der „Gelben Westen“ – Quelle: Telegram
Einer der Flyer der „Gelben Westen“ – Quelle: Telegram

Die Facebookseite „Mönchengladbach steht auf“ veröffentlichte ein Video, in dem drei Männer in gelben Westen Autos an einem Zebrastreifen zeitweise aufhalten. Solche Aktionen sind typisch für die Bewegung. Einer der Männer ist Dominik Roeseler, der sich wohl zu einem Lautsprecher der Gelben Westen aufgeschwungen hat.

Roeseler ist Mitgründer von „Hooligans gegen Salafisten“. Kürzlich verurteilte ein Gericht ihn zu einer Geldstrafe von 1000 Euro, weil er heimlich bei Burger King eine Mitarbeiterin fotografiert und das Foto mit der Aufschrift „Kopftuch-Tussis“ und „Burka-Schlampen“ bei Facebook hochgeladen hatte. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt. 

Pegida und Hogesa in neuen Kleidern?

Wir haben Dominik Roeseler darum gebeten, uns Fragen zu den „Gelben Westen“ zu beantworten. Er wollte dies nur unter der Bedingung tun, dass es „keine Reportage oder Dokumentation mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten wird“. Normalerweise lehnen wir diese Form des Interviews ab. Aber da es einfache Fragen nach Informationen waren, haben wir uns darauf eingelassen. Deshalb hier alle Fragen und Roeselers Antworten:

Sie haben eine Gelbe-Westen-Aktion in Mönchengladbach durchgeführt. – wann fand sie genau statt, wie lang ging sie und wie viele Personen haben daran teilgenommen?
Wir haben spontan und kurzfristig am Montag, den 26.11.2018 in der Zeit von 18.00 bis 18.30 Uhr eine erste kleine und vor allem symbolische Aktion mit 4 Mitgliedern unseres Vereins durchgeführt. Ziel war es, die Menschen zu motivieren, sich zu engagieren und mitzumachen. Das ist uns, schaut man sich die Zugriffszahlen und Rückmeldungen auf das Video an, auch gelungen.

 

Dominik Roeseler, Mitgründer von „Hooligans gegen Salafisten“ aus Mönchengladbach
Dominik Roeseler, Mitgründer von „Hooligans gegen Salafisten“ aus Mönchengladbach

Was ist die politische Position hinter den gelben Westen?
Die „Gelben Westen“ sind eine sehr junge, wenige Tage alte Bewegung in Deutschland, die sich im Internet, insbesondere über die sozialen Netzwerke gegründet hat, und ist entsprechend diffus. Natürlich ist Frankreich ein Vorbild, auch wenn das nicht eins zu eins in Deutschland umsetzbar ist, weil wir Deutsche eine andere Widerstandskultur haben, also viel weniger „auf die Barrikaden gehen“. Analog zu den Franzosen sind Dieselfahrverbote und Steuerabzocke des Autofahrers im Allgemeinen ein dominierendes Thema. Aber auch der UN-Migrationspakt spielt eine wichtige Rolle – vor allem die Desinformation der Regierung. Kumuliert ist es eine allgemeine Unzufriedenheit mit den politischen und finanziellen Eliten in unserem Land.

Erklärung: Der UN-Migrationspakt soll am 11. Dezember in Marrakesch unterzeichnet werden. Islam- und migrantenfeindliche Blogs sowie die AfD werfen der Regierung vor, dass der Pakt verpflichtend sei und eine Neu-Bevölkerung Europas einleiten solle – was er nicht soll.   

Welche weiteren Aktionen dieser Art planen Sie?
Am 01.12.2018 sind bundesweit erste Aktionen geplant. Wir in Mönchengladbach werden wohl nach Düsseldorf fahren. Als Verein „Mönchengladbach steht auf“ haben wir einen eigenen Fahrplan und eine eigene Agenda. Wenn sich Schnittpunkte ergeben, unterstützen wir das gerne, ordnen uns aber unter und stellen keinen Führungsanspruch.

Inwiefern haben die Gelben-Westen-Aktionen in Deutschland mit denen in Frankreich zu tun?
Siehe Frage 2.

Wogegen richten sich die Demonstrationen?
Siehe Frage 2.

Welche Forderungen stellen Sie bei den Aktionen?
Siehe Frage 2.

Die Aktionen, die für Samstag, 1. Dezember, geplant sind, sollen in etwa so aussehen wie das Zebrastreifen-Video – nur mit mehr Menschen. Und sie sollen gehorsamer sein als in Frankreich, wo bereits zwei Menschen im Umfeld solcher Proteste starben. In den Gruppen, in denen die Bewegung sich organisiert, kursiert folgender Verhaltenskodex:

Eine von mehreren Verhaltensanweisungen, die unter den „Gelben Westen“ herumgeschickt werden (Screenshot: Correctiv)
Eine von mehreren Verhaltensanweisungen, die unter den „Gelben Westen“ herumgeschickt werden (Screenshot: Correctiv)

Ein Gerücht verbreitet sich unter den deutschen „Gelben Westen“: Die Polizei in Frankreich soll sich mit der Bewegung solidarisiert haben, indem sie ihre Helme abnahmen. Die französische Polizei und ein Reporter der AFP sagen hingegen, dies sei lediglich „eine Art der Beschwichtigung“ gewesen „zu einer Zeit, als die Polizei sich zurückzog“.

Es ist ein wenig, als hätte Pegida sich Warnwesten angezogen. Auch die „Gelben Westen“ wollen europäisch sein. Auch sie haben Angst vor einer Islamisierung.

Demonstrationen werden nicht angemeldet

Da es sich um zivilen Ungehorsam handeln soll, wird aber keiner der Teilnehmer die Versammlung bei der Polizei melden. Zumindest sieht es laut den aktuellen Planungen nicht danach aus. Ob die Bewegung sich bis Samstag noch besser oder anders organisiert, bleibt abzuwarten.

Man muss hier erwähnen, dass es durchaus auch Menschen gibt, die nun eine gelbe Weste tragen, weil in ihnen eine allgemeine Unzufriedenheit ist. Diejenigen, die sich freuen, dass „endlich mal etwas passiert“ (Zitat aus einer Gruppe).

Aber die Bewegung zieht auch Verschwörungstheoretiker an. Manche sind zutiefst antisemitisch und schreiben von einer jüdischen Weltverschwörung, die es zu stoppen gelte. Andere sagen, der IS sei von den USA und Israel installiert worden. Sehr viele glauben, dass durch den UN-Migrationspakt Europas Bevölkerung durch Araber und Afrikaner ersetzt werden sollte. Es ist also nicht nur der Hass „auf die da oben“, der diese Bewegung wachsen lässt. Es ist Antisemitismus, Ausländerhass und Panik, geschürt durch Desinformation. Ob die Bewegung mehr als ein paar Dutzend Menschen auf die Straße bringt, wird sich wohl daran entscheiden, wie viele Menschen sie auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Bis jetzt sind es kleine Gruppen, die sich zusammenfinden, meistens weniger als zehn Menschen pro Aktion.