Hintergrund

Buschbrände in Australien: Diese Fakes, Gerüchte und Spekulationen sind im Umlauf

Australien kämpft derzeit gegen hunderte Buschbrände. Menschen und Tiere sind gestorben oder wurden verletzt. Zum Ausbruch der Feuer gibt es im Netz viele Behauptungen, darunter ist eine sehr prominent: dass vor allem Brandstiftung der Auslöser für die Feuer sei, nicht der Klimawandel.

von Alice Echtermann , Till Eckert

Collage ohne Titel
Über Ausbruch und Hintergründe der aktuellen australischen Buschfeuer sind mehrere Behauptungen im Umlauf. (Foto: Glen Moray / Picture Alliance, Collage: CORRECTIV)

Satellitenfotos der Nasa zeigen große Rauchwolken über dem Meer. Medien weltweit berichten über die Zerstörung, die die Buschfeuer in Australien seit Wochen anrichten. Am 21. November 2019 berichtete die World Meteorological Organization von „katastrophalen Zuständen“ mit dutzenden von Bränden, angefeuert durch hohe Temperaturen, Wind und Trockenheit. Seitdem reißen die Meldungen über die Brände nicht ab. 

Laut der australischen Meteorologie-Behörde war das Jahr 2019 das wärmste und trockenste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1910. Die Regenfälle seien die geringsten seit 1900 gewesen, seit konsistente Aufzeichnungen begannen. Dennoch verbreitet sich im Netz unter anderem die Behauptung, der Klimawandel habe nichts mit den Buschbränden zu tun. 

Wir haben einige der Behauptungen, die im Umlauf sind, überprüft: 

1. Buschbrände seien hauptsächlich von Menschen verursacht, nicht durch den Klimawandel

Mehrere Webseiten veröffentlichten in den vergangenen Tagen Artikel, in denen behauptet wird, Auslöser der Brände in Australien sei hauptsächlich Brandstiftung. So zum Beispiel Connectiv Events (mehr als 500 Mal auf Facebook geteilt) oder Schweizer Morgenpost (mehr als 1.800 Mal auf Facebook geteilt). 

In den Artikeln werden jeweils Zahlen zu den angeblich festgenommenen Brandstiftern genannt. So ist entweder von mehr als 180 (zum Beispiel hier) oder von rund 200 Menschen (zum Beispiel hier) die Rede. Diese Behauptung kursiert nicht nur in Deutschland.

In mehreren der Artikel wird dazu auf Zahlen der Polizei New South Wales verwiesen. Diese veröffentlichte am 6. Januar eine Pressemitteilung, in der steht, dass sie seit dem 8. November 2019 gegen 183 Menschen wegen 205 Buschfeuer-Fällen ermittelte, Verwarnungen aussprach oder Strafanzeige stellte. Die Polizei schlüsselt in der Mittelung aber auch genauer auf:

  • Gegen 24 Personen wurde wegen mutmaßlich absichtlich angezündeter Buschfeuer ermittelt.
  • Gegen 53 Personen wurde wegen mutmaßlicher Nichteinhaltung eines totalen Feuerverbots ermittelt.
  • Gegen 47 Personen wurde ermittelt, weil sie mutmaßlich eine angezündete Zigarette oder ein Streichholz weggeworfen haben.

Zu den anderen Fällen schreibt die Polizei nichts. Es stimmt demnach zwar, dass Menschen für manche Feuer in der aktuellen Saison die Schuld tragen, oft jedoch aus Fahrlässigkeit. Ob einer der Fälle zu einem der aktuellen großen Feuer führte, schreibt die Polizei nicht. In nur 24 Fällen kann man von mutmaßlicher Brandstiftung sprechen, bei denen absichtlich Feuer gelegt worden sei. 

Diese Zahlen gelten allerdings nur für den Bundesstaat New South Wales, einen von sieben. 

Es gibt mehrere Auslöser für Waldbrände

Die Faktenchecker von AFP haben für einen Artikel (14. Januar) recherchiert, gegen wie viele Personen in dieser Buschfeuer-Saison wegen Brandstiftung ermittelt wurde. Für Victoria liegen keine Daten vor – zählt man alle anderen Fälle zusammen, die die Polizeistationen AFP mitteilten, kommt man auf deutlich weniger als 180 Personen. Sie sollen Brände „absichtlich“ oder „rücksichtslos“ verursacht haben. Manche Bundesstaaten teilten Daten seit September 2019 mit, andere für einen kürzeren Zeitraum. 

Das Umweltbundesamt schrieb in einem Bericht über Waldbrände in Deutschland 2018: „In Fällen, in denen eine Ursache bestimmt werden kann, sind im Wesentlichen zwei Faktorenkomplexe von besonderer Bedeutung für das Waldbrandgeschehen: Zum einen das menschliche Handeln (Brandstiftung und Fahrlässigkeit) und zum anderen das Klima – bzw. Witterungsgeschehen.“ Zu letzterem schreibt das Bundesamt außerdem: „Klima und Witterung beeinflussen zusammen mit den lokalen Gegebenheiten (wie dem Vorhandensein von brennbarem Material) die Disposition einer Waldfläche für die Entzündung und in Folge das weitere Brandgeschehen (Feuerausbreitung).“

Die Regierung des Bundesstaats South Australia nennt aber auch weitere typische Auslöser für Waldbrände, darunter Fehler in elektrischen Anlagen, die eine Überhitzung verursachen, oder Blitzeinschläge. Bei aktuellen großen Feuern in den Bundesstaaten Victoria und New South Wales bezeichneten die Feuerwehrleute Steve Warrington und Ben Shepherd in Medienberichten hauptsächlich Blitze als Ursache. Auch die australische Meteorologie-Behörde schreibt in einem Infoartikel über „bushfire weather“, in manchen Regionen Australiens seien Blitze die Hauptursache für Buschbrände. Wir haben dazu bei den zuständigen Feuerwehrbehörden angefragt, bis zum Erscheinen dieses Artikels jedoch keine Antwort erhalten. 

Längere Buschfeuer-Saisons und häufiger „Brandwetter“

Dürreperioden und schlimme Waldbrände gab es in Australien schon häufiger, zum Beispiel im Januar 1994, im Dezember 2001 und im Oktober 2013, wie einem Sonderbericht der Meteorologie-Behörde von Dezember 2019 zu entnehmen ist. Vergleichbar mit 2019 seien am ehesten die Zustände im Oktober/November 1968 (Seite 19-20). 

Doch die Intensität der Buschfeuer nimmt in der Langzeitbetrachtung zu. So schrieb das australische Bushfire and Natural Hazard Cooperative Research Centre Mitte Dezember: „Die Tendenz zu intensiveren Brandsaisons und immer früher auftretender Feuergefahr ist ein klarer Trend im australischen Klima, aufgrund von reduzierten oder weniger zuverlässigen Regenfällen in der kühlen Saison und steigenden Temperaturen.“ 

Auch laut dem jüngsten Langzeit-Klimabericht (State of the Climate 2018) der australischen Meteorologie-Behörde und des Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (Csiro) nimmt die Länge der Buschfeuer-Saison zu, und es kommt häufiger zu sogenanntem „Brandwetter“ (fire weather) (Seite 2). In der Auswertung heißt es klar: „Der Klimawandel, inklusive steigender Temperaturen, trägt zu diesen Veränderungen bei“ (Seite 5). Dem Bericht zufolge hat sich das australische Klima seit 1910 um etwas mehr als ein Grad Celsius erwärmt, was zu einer erhöhten Häufigkeit von extremer Hitze (extreme heat events) führe.

Die Anomalien der Oberflächen-Lufttemperatur in Australien (Abweichungen vom Durchschnitt) zeigen, dass die Temperaturen steigen. (Quelle: Australian Bureau of Meteorology, Screenshot: CORRECTIV)
Die Zahl extremer Hitzetage pro Jahr nimmt seit 1910 zu. (Quelle: Australian Bureau of Meteorology, Screenshot: CORRECTIV)

Im Südosten und Südwesten Australiens nahmen laut dem Bericht die Regenfälle ab, in Teilen des Nordens nahmen sie zu. Acht der zehn wärmsten Jahre Australiens seit Beginn der Aufzeichnungen seien seit 2005 aufgetreten.

Die Zahl gefährlicher „Buschfeuer-Wetter-Tage“ in Victoria (Süden Australiens) im Frühling nimmt tendenziell zu. (Quelle: Australian Bureau of Meteorology, Screenshot: CORRECTIV)

Sicher ist, dass steigende Temperaturen und Trockenheit bessere Voraussetzungen für größere und intensivere Feuer schaffen. Pauschal lässt sich weder sagen, es trage allein der Mensch durch Brandstiftung oder Fahrlässigkeit Schuld an den aktuellen Großfeuern in Australien, noch der Klimawandel – beide Faktoren spielen eine Rolle. 

2. Angebliche Brandstiftung durch „IS-Terrorist“?

Die österreichische Seite Wochenblick spekulierte am 8. Januar, dass ein „IS-Terrorist“ Buschbrände in Australien gelegt haben könnte, liefert aber keinen Beleg dafür. In dem Artikel heißt es lediglich, zwei jungen Männern namens Fadi und Abraham Z. werde vorgeworfen, am 22. Dezember ein Grasfeuer in Guildford, einem Vorort von Sydney, verursacht zu haben. „Tatsächlich hat die islamistische Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bereits im November dazu aufgerufen, den Dschihad durch Brandstiftung voranzutreiben“, schreibt Wochenblick

Als einzige Quelle gibt die Seite einen Artikel der britischen Boulevardzeitung Daily Mail von November 2019 an, in dem es heißt, der „IS“ habe angeblich dazu aufgerufen, Waldbrände in den USA und Europa zu legen. „Dass diese Forderung nun in Australien umgesetzt wurde, ist ein denkbarer, schrecklicher Verdacht“, so Wochenblick weiter. Einen konkreten Hinweis gibt es für diesen „Verdacht“ aber nicht. 

Was stimmt, ist, dass es Medienberichte vom 7. Januar über zwei Brüder namens Fadi und Abraham Z. gibt. Sie hätten am 22. Dezember Feuerwerk in einem Park gestartet und ein Grasfeuer ausgelöst. Darüber berichten zum Beispiel Pacific Pundit, der australische Daily Telegraph und The Count. Laut einem weiteren Artikel von Miragenews fand die Gerichtsverhandlung am 7. Januar vor dem Parramatta Local Court statt. In all den Berichten wird nirgends ein islamistischer Hintergrund oder Hinweis auf ein solches Motiv erwähnt. 

Auf Nachfrage von CORRECTIV teilt die Pressestelle der lokalen Gerichte in New South Wales per E-Mail mit, es sei nur einer der beiden Männer angeklagt, Abraham Z.. Der Vorwurf gegen ihn laute „fahrlässiger Umgang mit Sprengstoff, um Sachschäden zu verursachen“. Außerdem habe er ein Messer dabei gehabt. Zu weiteren Hintergründen könne man keinen Kommentar abgeben, heißt es in der E-Mail der Pressestelle. Fest steht aber: Es geht bei den Vorwürfen nicht um Brandstiftung und auch nicht um Terror. 

3. Die Feuer seien absichtlich gelegt worden, um den Weg für eine Bahnstrecke freizumachen

Auf Facebook kursiert außerdem ein Bild, das Karten von Australien und Kalifornien mit Gebieten von Bränden zeigen soll. Daneben werden Karten mit angeblich geplanten Verläufen von „Hochgeschwindigkeitsbahnen“ gelegt. Damit wird angedeutet, die Brände seien absichtliche Rodungen gewesen, um Platz für Bahnstrecken zu machen. Einer der Facebook-Beiträge vom 10. Januar wurde bereits mehr als 1.000 Mal geteilt.

Der Facebook-Beitrag mit den Karten, die angeblich einen Zusammenhang zwischen Buschbränden und dem Bau von Bahnstrecken zeigen. (Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV)

Die Verschwörungstheorie in Bezug auf Kalifornien kursierte im November 2018. Die Karte oben links mit den roten Flächen stammt von der California of Forestry and Fire Protection, die sie im November 2018 auf Twitter veröffentlichte. Sie zeigt nicht die Ausdehnung der Feuer, sondern Bereiche, in denen eine „red-flag“-Warnung vor Brandgefahr herrschte. 

Einen Zusammenhang mit dem Verlauf der Hochgeschwindigkeitsbahn gibt es außerdem nicht, die falsche Behauptung wurde bereits 2018 entlarvt, zum Beispiel von den Faktencheckern von Snopes. Die Bahnkarte stammt demnach von der Webseite „America 2050“ und ist veraltet. Eine neuere Karte zeige, dass der Streckenverlauf nicht annähernd mit den roten Feldern übereinstimme. Auf der Seite Metabunk legten Nutzer die Karten grafisch übereinander und zeigten so, dass sie nicht zueinander passen.

Legt man die Karten von Kalifornien übereinander, ist die Übereinstimmung nicht vorhanden. (Quelle: Metabunk, Screenshot: CORRECTIV)

Auch im Fall von Australien ist an der Theorie nichts dran. Eine Google-Bildersuche zeigt, dass die Karte unten rechts von der australischen Regierung stammt. Sie soll einen möglichen Verlauf einer Hochgeschwindigkeits-Bahn an der Ostküste zeigen, von Melbourne bis Brisbane. Die Karte unten links soll die Feuer zeigen, die angebliche Übereinstimmung ist jedoch nur mit gutem Willen erkennbar. Andere, vollständige Karten der Feuer in Australien, zum Beispiel von My Fire Watch oder von der Nasa zeigen, dass die Feuer nicht entlang der möglichen Bahnstrecke verlaufen – und dass es auch an vielen anderen Orten brennt, an denen keine Bahnen geplant sind. 

Die Feuer in Australien laut einem Datenportal der Nasa (Ansicht zeigt die Feuer der letzten sieben Tage, abgerufen am 13. Januar 2020 um 17:45 Uhr). (Screenshot: CORRECTIV)
Die Karte mit dem möglichen Verlauf einer Bahnstrecke im Süden Australiens. (Screenshot: CORRECTIV)
Nähere Ansicht des Südens Australiens im Nasa-Datenportal. (Screenshot am 13. Januar 2020 um 17:45 Uhr: CORRECTIV)

Zum gleichen Ergebnis kam am 10. Januar auch Buzzfeed in dem Faktencheck zu der Behauptung, die offenbar auch auf Englisch ihre Kreise auf Instagram, Youtube, 4chan und Tiktok zieht. 

Der Facebook-Nutzer, der das Foto am 10. Januar in Deutschland verbreitete, ist übrigens auch der Ansicht, dass in Australien und Kalifornien keine echten Waldbrände wüten, sondern dass dort und auch in Kalifornien Laserwaffen eingesetzt wurden.

Experte geht von Desinformationskampagne aus

Falsche Behauptungen über den Ausbruch und Hintergründe der Buschbrände verbreiten sich außer in Deutschland laut Medienberichten weltweit. Auch die US-amerikanischen Faktenchecker von Snopes haben einen Artikel dazu veröffentlicht. 

Laut einer Analyse eines Forschers der Queensland University of Technology, die der britische Telegraph und der Guardian zitieren, gibt es Anzeichen für eine „Desinformationskampagne“. So werde der Hashtag „#ArsonEmergency“ (Deutsch: Brandstiftungs-Notstand) auf Twitter gezielt von Accounts verbreitet, die den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel leugnen.