Hintergrund

Weshalb die Angst vor Betrug bei der Briefwahl unbegründet ist

Nicht erst seit den Behauptungen zu vermeintlichen Wahlfälschungen bei der US-Wahl wird in Deutschland Misstrauen gegen die Briefwahl geschürt. Sie sei unsicher, öffne Manipulationen Tür und Tor, heißt es. Oft steht dahinter Unwissenheit über den Wahlprozess. Wir erklären, was getan wird, um die Briefwahl sicher zu machen.

von Steffen Kutzner

Die Briefwahl ist nach Ansicht von Experten anfälliger für Wahlfälschungen als der persönliche Gang zur Urne. Pauschal unsicher wird die Briefwahl dadurch jedoch nicht. (Symbolbild: Picture Alliance / Sven Simon / Frank Hoermann)

Einige Menschen bereiten sich darauf vor, einen – so glauben sie – geplanten Wahlbetrug bei der Bundestagswahl am 26. September zu verhindern: „Bei allen Wahlurnen muss ein kompletter Austausch aller Stimmzettel verhindert werden“, heißt es in einem Aufruf auf Telegram. Die Menschen organisieren sich in einer Gruppe namens „Wahlbeobachter D2021“ mit mehr als 3.200 Mitgliedern – sie wollen offenbar als Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter die Auszählung der per Briefwahl abgegebenen Stimmen kontrollieren. Das steht in Deutschland bei der Bundestagswahl allen frei

Der Vorwurf eines angeblichen Wahlbetrugs ist nicht neu, er wurde beispielsweise erst vor kurzem nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt erhoben. Belege dafür gab es keine. Solche Behauptungen sind trotzdem populär; rund um fast jede Wahl in den vergangenen Jahren tauchen sie in Sozialen Netzwerken auf. Dahinter stehen oft falsche Annahmen über den Wahlprozess. Sie zeigen etwa, dass einigen Menschen nicht bewusst ist, wie eine Briefwahlauszählung konkret abläuft. 

So wird auf Telegram in der Gruppe „Wahlbeobachter D2021“ behauptet, die Briefwahl sei „ab dem Zeitpunkt besonders gefährdet, sobald die rote eidesstattliche Versicherung vom blauen Wahlbrief getrennt ist“. 

Die eidesstattliche Versicherung ist aber nicht rot und der Wahlbrief nicht blau. Es handelt sich bei der eidesstattlichen Erklärung um einen Abschnitt unten auf dem sogenannten Wahlschein, der auf weißem Papier gedruckt ist. Jeder Wähler und jede Wählerin muss darauf mit Namen unterschreiben, dass er oder sie den Stimmzettel selbst ausgefüllt hat. Falsche Angaben sind strafbar

Der Wahlbriefumschlag ist rot und der Stimmzettelumschlag blau. Der Stimmzettel, auf dem man seine Kreuze setzt, kommt in den blauen Umschlag und dieser, zusammen mit dem weißen Wahlschein, in den roten Umschlag. 

Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl 2021 bestehen aus dem Stimmzettel, dem blauen Stimmzettelumschlag, dem roten Wahlbriefumschlag und dem Wahlschein mit der eidesstattlichen Erklärung (nicht im Bild zu sehen).
Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl 2021 bestehen aus dem Stimmzettel, dem blauen Stimmzettelumschlag, dem roten Wahlbriefumschlag und dem Wahlschein mit der eidesstattlichen Erklärung (nicht im Bild zu sehen) (Picture Alliance / Sulupress.de / Dirk Pagels)

So läuft die Auszählung der Briefwahlstimmen ab:

Weshalb die Briefwahl ab dem Zeitpunkt besonders gefährdet sein soll, an dem der blaue Stimmzettelumschlag aus dem Wahlbriefumschlag genommen und somit von dem Wahlschein getrennt wird, wird in dem Telegram-Beitrag nicht weiter ausgeführt. Der Prozess der Auszählung ist jedenfalls transparent und wird vom Bundeswahlleiter folgendermaßen erklärt:

  1. Die roten Wahlbriefe werden etwa ab 15 Uhr am Wahltag geöffnet.
  2. Wird ein roter Brief geöffnet, wird zunächst der Wahlschein (weißes Papier mit eidesstattlicher Erklärung) auf seine Gültigkeit geprüft.
  3. Gibt es nichts zu beanstanden, wird der blaue Stimmzettelumschlag vom Wahlschein getrennt und ungeöffnet in eine Urne geworfen. Der Stimmzettelumschlag wird vom Wahlschein getrennt, damit später niemand nachvollziehen kann, von wem die Stimme stammte.
  4. Ab 18 Uhr, wenn die Wahlzeit beendet ist, werden die Urnen geöffnet, die blauen Umschläge herausgenommen, geöffnet und die Stimmen ausgezählt.   

Auf Telegram wird zudem behauptet, dass es „zwischen Trennen von rotem und blauem Umschlag und der Auszählung keine Pause geben“ dürfe. Richtig ist das Gegenteil: Die blauen Umschläge, in denen sich die Stimmzettel befinden, werden bereits ab etwa 15 Uhr aus den roten Wahlbriefumschlägen geholt. Sie werden also schon zu diesem Zeitpunkt von den Wahlscheinen getrennt, und dann geht es erst ab 18 Uhr weiter. 

Daher ist auch der Aufruf auf Telegram, ab 17 Uhr im Wahllokal zu erscheinen, um zu überwachen, dass es „keine Pause“ gibt, unsinnig. Die blauen Umschläge sind um 18 Uhr, wenn die Urnen geöffnet werden, längst von den roten Wahlbriefen getrennt. Wahlbriefe, die nach 18 Uhr eintreffen, werden nicht mehr gezählt.

Aber abgesehen davon, dass einige Menschen nicht wissen, wie die Auszählung der Briefwahlstimmen abläuft, und damit Verunsicherung schüren – wie sicher ist die Briefwahl eigentlich? Wo werden die Briefumschläge aufbewahrt, bevor sie ausgezählt werden? Und kann schon bei der Beantragung etwas schief gehen?

Welche Fehlerquellen gibt es bei einer Briefwahl?

Ist die Briefwahl nun anfälliger für Fehler, als die Urnenwahl vor Ort im Wahllokal? Einige Experten sehen das so. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung. Auf deren Webseite heißt es in einem Erklärtext zur Briefwahl: „Wahr ist, dass die Briefwahl zusätzliche Fehlerquellen schafft: Die Wahlunterlagen müssen beantragt, verschickt, ausgefüllt und wieder zurückgeschickt werden. Dabei können den beteiligten Personen Fehler unterlaufen.“ 

Und weiter: „Da Post und Verwaltung allerdings auf jahrzehntelange Erfahrung mit Briefwahlen zurückblicken, treten hier selten Probleme auf. Wer per Brief wählen will, muss daher keine Bedenken haben.“

Wer wahlberechtigt ist, also im Wählerverzeichnis steht, kann die Briefwahl beantragen. Die Briefwahlunterlagen müssen persönlich oder schriftlich (per Brief oder elektronisch) bei der Gemeinde beantragt werden, wo man seinen Hauptwohnsitz hat, also gemeldet ist. Man erhält die Unterlagen dann per Post. 

Zu Problemen bei der Zustellung durch die Post an die Wählerinnen und Wähler kann es dabei durchaus kommen: In Koblenz sind Anfang September dieses Jahres bis zu 100 beantragte Briefwahlunterlagen verschwunden oder verspätet zugestellt worden, wie der SWR berichtete. Die nicht zugestellten Unterlagen würden laut des Oberbürgermeisters nun für ungültig erklärt; die Betroffenen erhielten einen Ersatz. Die Post habe angeboten, ihre Mitarbeiter zu sensibilisieren. 

Vorfälle wie dieser sind jedoch selten – und der Begriff Wahlbetrug ist dafür fehl am Platz, weil es hier um versehentliche Fehler geht, nicht um vorsätzliche Manipulation.

Eine Befürchtung von Kritikern: Geheimheit und Freiheit der Wahl sei bei Briefwahl gefährdet

Abgesehen davon, dass Fehler bei der Zustellung der Unterlagen für die Briefwahl vorkommen könnten, sehen einige Menschen den Prozess offenbar als anfällig für gezielte Manipulation an. 

Der Staatsrechtler und Privatdozent Ulrich Vosgerau etwa behauptet in einem auf Youtube veröffentlichten Interview (ab Minute 6:16), dass etwa die Öffentlichkeit der Wahl, die Geheimheit und auch die Freiheit der Wahl nicht mehr gewährleistet seien. Das Interview erschien auf dem Kanal „Politik Spezial“, der auf seiner Facebook-Seite unter anderem die Corona-Pandemie verharmlost, Ängste vor Impfungen schürt und auch Interviews mit Querdenkern wie Michael Ballweg führt.

Dass die Wahlen unter anderem frei (ohne Beeinflussung der Wahlentscheidung einer Person) und geheim vonstattengehen sollen, ist einer der Eckpfeiler der Demokratie und steht im Grundgesetz.

Bei einer Briefwahl kann es durchaus sein, dass Menschen, wenn sie zu Hause den Stimmzettel ausfüllen, nicht unbeobachtet sind und jemand sieht, was sie ankreuzen. Beeinflussungen der Entscheidung durch andere Personen sind auch denkbar. Auch bei der Urnenwahl ist es jedoch möglich, dass Menschen vorab von anderen beeinflusst werden. 

Dass Menschen beeinflusst werden, ihr Kreuz an einer bestimmten Stelle zu machen, ist auch schon vorgekommen, etwa bei einer Kommunalwahl 2006 im niedersächsischen Celle, wo die Betreiberin eines Altenheims den Menschen dort Schokolade und Zigaretten versprach, wenn sie ihr Kreuzchen bei Ehemann und Sohn der Betreiberin setzten. Der versuchte Wahlbetrug flog auf, die Wahl musste wiederholt werden und die Frau wurde zu Schadenersatz verurteilt. 

Unterlagen für jemand anderes zu beantragen, ist möglich – aber nur mit schriftlicher Vollmacht

Vosgerau nennt in dem Video mehrere Szenarien, wie die Briefwahl seiner Ansicht nach manipuliert werden könne. Eine davon lautet: „Ich kann mit gefälschter Unterschrift Unterlagen für dritte Personen an eine andere Adresse schicken lassen und selber ausfüllen.“

Eine Person kann tatsächlich für andere Leute Briefwahlunterlagen anfordern. Wenn man für andere Unterlagen beantragt, ist aber eine Vollmacht nötig, und der Antrag ist dann nicht elektronisch, sondern nur schriftlich oder persönlich möglich. Ob die Unterschrift unter der Vollmacht gefälscht ist, kann niemand kontrollieren, wie uns Geert Baasen von der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin Berlin per E-Mail mitteilt: „Die Unterschrift auf einem Wahlscheinantrag wird nicht abgeglichen.“ Dass jemand mit einer gefälschten Unterschrift Wahlscheine für Dritte an eine andere Adresse habe schicken lassen, sei nach Wissen von Baasen in Berlin jedoch noch nie vorgekommen. 

Wenn Briefwahlunterlagen elektronisch, also ohne Unterschrift, beantragt und an eine von der Meldeadresse abweichende Adresse geschickt würden, schicke das Wahlamt zudem einen Kontrollbrief an die Meldeadresse, erklärt Baasen. Dadurch fielen Betrugsversuche auf. In Berlin sei ihm nur ein Fall bekannt, bei dem jemand auf diese Weise versuchte, die Wahl zu manipulieren. 

Briefwahlunterlagen mehrfach zu beantragen ist nicht möglich – laut Bundeswahlleiter wird bei einem Antrag im Wählerverzeichnis ein Sperrvermerk eingetragen.

Vereinzelte Betrugsversuche – oft von Politikern

In der Vergangenheit sind vereinzelte Fälle von versuchtem Wahlbetrug bei der Briefwahl bekannt geworden. So berichtet etwa die Tagesschau von einem Vorfall bei einer Kommunalwahl 2016 im niedersächsischen Quakenbrück: „In einem Stadtteil mit vielen Einwanderern hatten vier Politiker der Linkspartei Wähler mit geringen Deutschkenntnissen dazu gebracht, Briefwahlunterlagen anzufordern. Die Politiker füllten die Stimmzettel teils selbst aus und fälschten auch Unterschriften.“ Die Politiker seien zu Bewährungsstrafen zwischen anderthalb und sieben Jahren verurteilt worden.

Wie die Tagesschau weiter schreibt, gab es einen weiteren Fall 2014 im sachsen-anhaltinischen Stendal, ebenfalls bei Kommunalwahlen, ebenfalls von Politikern. In Stendal wurden „Briefwahlunterlagen gefälscht und ebenfalls Wahlzettel von Dritten ausgefüllt. Doch auch dieser Betrugsversuch flog auf. Ein CDU-Stadtrat wurde zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Wahl- und Urkundenfälschung verurteilt.“

Und zwei CSU-Stadträte aus dem bayerischen Dachau hatten laut Süddeutscher Zeitung 2002 eine Kommunalwahl manipuliert, unter anderem durch Briefwahlzettel, die sie für andere ausfüllten. Die Wahl musste wiederholt werden; die Lokalpolitiker erhielten Bewährungsstrafen und hohe Bußgelder.

Bisherige Betrugsversuche fanden alle bei Kommunalwahlen statt

Auffällig: Die Betrugsversuche fanden alle bei Kommunalwahlen statt, nicht bei Bundestagswahlen. Für den IT-Experten Arnim Rupp ist das keine Überraschung. Rupp hatte 2008 dem Bundesverfassungsgericht als Sachverständiger dargelegt, weshalb Wahlcomputer unsicher seien. Der Einsatz wurde daraufhin untersagt.

Rupp erklärt uns in einer E-Mail, bei einer Bundestagswahl müsste man „riesige Mengen manipulieren […], um auch nur ein Prozent zu bewegen“. Das sei zu riskant, denn man müsse den Betrug „auf viele Kommunen verteilen, damit es nicht auffällt“. Das bedeute viele Mitwisser, was das Risiko aufzufliegen erhöhe, so Rupp. 

Wie werden Wahlbriefe auf dem Postweg gesichert?

Was passiert, nachdem der Umschlag in den Briefkasten geworfen wurde? Das erklärt uns der zuständige Pressesprecher der Deutschen Post, Alexander Edenhofer, auf Nachfrage per E-Mail: Nachdem der rote Wahlbrief in den Briefkasten geworfen wurde, befinde er sich im regulären Briefverkehr und werde zusammen mit der anderen Post transportiert. Es gebe jedoch Unterschiede in der Behandlung. So würden die Briefwahlumschläge nur persönlich und mit Empfangsbestätigung an die Behörde zugestellt, erklärt Edenhofer. Aus diesem Grund – und um später die Abrechnung zu ermöglichen – würden die Wahlbriefe aussortiert. Das geschehe maschinell oder auch per Hand. 

Um zu verhindern, dass die Umschläge gestohlen werden, „greifen grundsätzlich verschiedene Sicherheitsmechanismen ineinander“, erklärt Edenhofer. Dazu gehörten etwa „Zutrittsbarrieren, Zugangsbeschränkungen und Ausweispflichten in Betriebsräumen“. Außerdem seien „alle Mitarbeiter der Deutschen Post auf das Postgeheimnis verpflichtet“; Verstöße würden strafrechtlich verfolgt. Eine Sendungsverfolgung für Wahlbriefe gibt es pauschal aber nicht.

Was passiert nach der Zustellung beim Wahlamt mit den roten Umschlägen?

Laut Informationen auf der Webseite des Bundeswahlleiters werden die ungeöffneten roten Briefwahlumschläge gesammelt und bis zur Auszählung am Wahltag „unter Verschluss“ gehalten. So steht es auch in der Bundeswahlordnung. Die Pressestelle des Bundeswahlleiters erklärt uns per E-Mail zu der Frage, was „unter Verschluss“ bedeutet: „Eine Konkretisierung enthalten die wahlrechtlichen Vorschriften nicht. So ist etwa eine Verwahrung in Urnen nicht vorgeschrieben. In welcher Form die Verwahrung erfolgt, hat daher die betreffende Stelle eigenverantwortlich festzulegen.“ Dabei müsse auf jeden Fall gewährleistet sein, dass Unbefugte keinen Zugriff hätten.

Wie das in Berlin umgesetzt wird, erklärt uns die dortige Landeswahlleitung: Die roten Briefe würden ungeöffnet in einem separaten Raum gelagert, der nur von befugten Mitarbeitenden des Bezirkswahlamtes betreten werden dürfe. „Hierfür ist ein eigenes Schließsystem notwendig.“ Ohne einen Schlüssel für diesen speziellen Raum komme man also nicht an die Wahlbriefe. 

Für Notfälle gebe es jedoch einen weiteren Schlüssel, etwa wenn ein Mitarbeiter von der Hauswartung den Raum betreten müsse. Dieser Notfallschlüssel werde in einem versiegelten Umschlag aufbewahrt. Wird dieser Schlüssel benutzt, müsse das dokumentiert werden. Außerdem dürften keine Unbekannten Zutritt haben: „Der separat abschließbare Raum sowie sämtliche Schlüsselverantwortlichen müssen der Bezirkswahlamtsleitung bekannt sein.“

Eine ähnliche Antwort erhalten wir vom Landeswahlamt Hamburg. Auch dort würden die Wahlbriefe zumindest außerhalb der Dienstzeiten in einem verschlossenen Raum aufbewahrt – in Wahlurnen, wie man uns per E-Mail mitteilt. 

Könnte man Briefwahl-Stimmen mit Fantasienamen fälschen? 

Ein mögliches aber sehr unwahrscheinliches Manipulationsszenario, das von Briefwahlkritikern genannt wird, ist das komplette Fälschen von Briefwahlstimmen durch Nachdrucken von Stimmzetteln und Wahlscheinen. Theoretisch könnten auf dem Wahlschein Fantasienamen eingesetzt werden, ohne dass das bei der Auszählung auffallen würde. Darauf weist der IT-Experte Arnim Rupp hin.

Der Grund dafür ist, dass die Briefwahlstimmen seit 1989 bei der Auszählung „nicht mehr mit dem kompletten Wahlscheinverzeichnis abgeglichen [werden], sondern nur noch mit der Liste der für ungültig erklärten Wahlscheine“. Wahlscheine von erfundenen Personen können aber nicht für ungültig erklärt werden, da die Existenz dieser Wahlscheine der Wahlbehörde gar nicht bekannt wäre. 

Dass jemand mit so gefälschten Briefwahlstimmen in großem Stil Wahlbetrug begeht, ist jedoch unwahrscheinlich, da der Aufwand sehr groß wäre. Außerdem gäbe es noch ein logistisches Problem, auf das Arnim Rupp hinweist: „Jede Kommune hat […] wieder eigene Wahlscheine, Stimmzettel und Umschläge.“ Für die Fälschungen an dieses Originalpapier zu kommen, wäre der schwierigste Teil, wird Rupp einem Artikel des Spiegel 2013 zitiert. 

Dass gefälschte Wahlscheine mit Fantasienamen bei der Auszählung theoretisch nicht auffallen würden, bestätigte uns auch die Landeswahlleitung Berlin. Bei der Bundestagswahl 2013 habe es jedoch in Berlin eine detaillierte Gegenprobe von Wahlscheinen gegeben: „Damals gab es keinen bestätigten Fall eines Missbrauchs.“

Ein rundum sicheres System gibt es nicht – aber für die Briefwahl gibt es zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen

Auch die Jura-Professorin und Co-Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung, Sophie Schönberger, erklärt uns gegenüber per E-Mail: „Tatsächlich birgt die Briefwahl bestimmte Probleme.“ So sieht sie die Änderung des Bundeswahlrechts im März 2008 kritisch – seit dieser Änderung müssen keine Gründe mehr für eine Briefwahl angegeben werden. Bis dahin mussten glaubhafte Gründe angegeben werden, warum man nicht an der Urne wählen könne. Trotz der gegenüber der Urnenwahl erhöhten Fehleranfälligkeit der Briefwahl hat Schönberger jedoch keine grundlegenden Bedenken: „Es gibt überhaupt keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Briefwahl unsicherer wäre.“ 

Es gab in den vergangenen Jahren einige Versuche, Briefwahlstimmen zu manipulieren. Diese Versuche bezogen sich jedoch stets auf einen kleineren Umfang von Stimmen bei Kommunalwahlen. Bei einer Landtags- oder Bundestagswahl müssten erheblich mehr Stimmen gefälscht werden, um wirklich das Ergebnis zu beeinflussen.

Es ist wichtig, zu unterscheiden zwischen einem System, das ein geringes Risiko für Manipulationen in sich trägt, und einem Risiko, das tatsächlich Manipulationen in relevantem Ausmaß ermöglichen würde. An jedem Punkt des Wahlprozesses kann es theoretisch zu Fehlern kommen. Wahlbetrug in großen Stil ist das nicht. 

Die Bundeswahlleitung fasst zusammen: „Die Briefwahl gibt es seit 1957, und wir haben bis heute keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten in einem Ausmaß, dass sie das Wahlergebnis hätten beeinflussen können.“

Redigatur: Alice Echtermann, Till Eckert

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