Lohnt sich eine Wärmepumpe nach 18 Jahren? Robert Habecks Aussage im Faktencheck
Anfang April machte Robert Habeck mit der Aussage auf sich aufmerksam, eine Wärmepumpe rentiere sich nach 18 Jahren. Das lohne sich mehr als „jetzt noch schnell“ eine Öl- oder Gasheizung einzubauen. Wir haben uns über Habecks Prognose mit Expertinnen und Experten unterhalten. Die kurze Antwort: Sie sei nicht unrealistisch, hänge aber von mehreren Faktoren ab, die sich teils nicht kontrollieren ließen.
Wie lange dauert es, bis sich der Einbau einer Wärmepumpe rentiert? Diese Frage beschäftigt viele Menschen, seitdem die Ampel-Koalition alle neu eingebauten Heizungen ab 2024 mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben sehen möchte.
Laut Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck lässt sich die Frage sehr konkret beantworten. Gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) sagte er am 9. April: „Über einen Zeitraum von 18 Jahren rechnet sich die Wärmepumpe“. Anfang Juni wiederholte er diese Prognose. Aber stimmt das? Und woher kommt diese Zahl? Wir schauen uns an, auf welchen Grundlagen der Minister seine Aussage traf.
Der Stein des Anstoßes: Das Gebäudeenergiegesetz
Am 28. März legten die Parteien der Ampel-Koalition (SPD, Grüne und FDP) ein „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ vor. Das sieht vor, das Gebäudeenergiegesetz so zu reformieren: „Ab dem 1. Januar 2024 [soll] möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden“, heißt es in einem gemeinsamen Beschluss.
Als Alternative zu Öl- und Gasheizungen, wird seither öffentlich ausführlich über die Wärmepumpe diskutiert – damit kann elektrisch Wärme aus der Umgebungsluft generiert werden, die dann das Haus oder die Wohnung heizt. So titelte etwa die Tagesschau: „Für wen Wärmepumpen infrage kommen“. „Können Wärmepumpen in alten Häusern überhaupt funktionieren?“, fragte der Spiegel und „Heizverbot geplant! Das passiert, wenn Sie keine Wärmepumpe einbauen können“, schrieb der Focus.
Robert Habeck war sich der Brisanz des Ampel-Vorhabens offenbar bewusst: Im Interview mit der WAZ warnte er vor einer „Torschlusspanik“: „Niemand sollte jetzt noch schnell eine Öl- oder Gasheizung einbauen. Die fossilen Energien sind eine Sackgasse, keine Spardose“, sagte der Minister. Mittlerweile wurde das sogenannte Heizungsgesetz in einigen Punkten überarbeitet, es muss nun noch Bundestag und Bundesrat passieren.
Wärmepumpe rechne sich nach 18 Jahren: Wie das Wirtschaftsministerium auf diese Zahl kam
Wir haben das Wirtschaftsministerium (BMWK) nach den Berechnungsgrundlagen für Habecks Prognose gefragt. Pressesprecherin Susanne Ungrad antwortete uns am 24. April, man habe die „Preispfade aus dem T-45 Szenario der BMWK Langfristszenarien“ verwendet. Dieses Szenario enthält Prognosen für die Entwicklung der Öl-, Gas- und Strompreise sowie für den CO2-Preis.
Der Link zu den Berechnungen des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung, den Ungrad uns schickte, war zeitweise nicht aufrufbar. Zu sehen waren dort Preisentwicklungen für verschiedene Energieträger sowie CO2 – die den Angaben in einem Gutachten von April 2023, das unter der Leitung von Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg entstand, gleichen. Auf dieses wies uns Ungrad ebenfalls hin. Darin wurden verschiedene Heizkosten-Szenarien berechnet, sowohl für Gasheizungen als auch für Wärmepumpen.
Habecks Rechnung basiert auf verschiedenen Grundannahmen dazu, wie sich Preise für Wärmepumpen, Strom, Gas, Öl und CO2 über die nächsten Jahrzehnte entwickeln könnten. Über diese Annahmen haben wir uns mit Expertinnen und Experten unterhalten.
Wie realistisch ist die Prognose des Ministeriums?
Die folgende Tabelle, die uns Pressesprecherin Ungrad per E-Mail zuschickte, zeigt die erwarteten Durchschnittspreise für verschiedene Energieträger über die nächsten 20 Jahre, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für seine Berechnungen nutzte:
Für die aktuelle Debatte sind der vom Ministerium kalkulierte Strompreis für Wärmepumpen (28 Cent) und der Erdgaspreis (13 Cent) besonders interessant. Denn immer wieder wird dem Einbau einer Wärmepumpe die kostengünstigere Gasheizung entgegengestellt (zum Beispiel hier und hier).
Die 28 Cent pro Kilowattstunde Strom entsprechen dem aktuellen Beschluss der Bundesregierung, den Strompreis fürs Heizen über die Energiepreisbremse auf 28 Cent zu deckeln. Marek Miara, Experte für Wärmepumpen am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE), hält diesen Preis für „nicht unwahrscheinlich“. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien könne er sogar noch weiter sinken. Seine Kollegin Gerda Deac, Energiesystem-Expertin am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), auf dessen Berechnungen uns das BMWK hinwies, schreibt uns, die 28 Cent kämen zwar nicht direkt aus den Langfristszenarien des ISI, passten aber zu den dortigen Prognosen.
Größere Fragezeichen gibt es für Miara beim Gaspreis. Der liegt laut Zeit Online aktuell bei 9,0 Cent pro Kilowattstunde (Stand: 20. Juni 2023). Bedingt durch den Ukraine-Krieg lag er im vergangenen Jahr zeitweise bei über 40 Cent. Das zeige, so Miara, dass hier eine verlässliche Prognose äußerst schwierig sei, zumal es mit der stärkeren Bepreisung von CO2 in der Zukunft weitere Einflussfaktoren gebe.
Entwicklung der CO2-Preise
Einen Preis für CO2 gibt es in der EU seit 2005, in Deutschland seit 2021. Welche Bereiche auf europäischer und welche auf nationaler Ebene am sogenannten Emissionshandel teilnehmen, zeigt die folgende Grafik der deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt:
Beim sogenannte Nationalen Emissionshandel werden „Inverkehrbringer“ von Brennstoffen dazu verpflichtet, pro Tonne CO2-Ausstoß 30 Euro zu bezahlen. Zu diesen Inverkehrbringern gehören zum Beispiel Lieferanten von Benzin, Diesel oder Erdgas. Grundlage für die CO2-Bepreisung ist das „Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen“.
Verbraucherinnen und Verbraucher nehmen nicht direkt am Emissionshandel teil. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung kann der Emissionshandel für sie aber zu höheren Preisen führen, denn Lieferanten können die Mehrkosten an Kundinnen und Kunden weitergeben.
Die Bundesregierung schrieb bereits im November 2020, dass der CO2-Preis fossile Brennstoffe teurer mache. „Damit wird die Nutzung klimaschonender Technologien wie Wärmepumpen und Elektromobilität, das Sparen von Energie und die Nutzung erneuerbarer Energie lohnender.“ Genau auf diesen Mechanismus bezieht sich die Aussage von Robert Habeck: Steigen die CO2-Preise, wird es teurer, mit fossilen Brennstoffen wie Öl oder Gas zu heizen. Dann, folgt man der Logik des Ministers, rentiert sich eine CO2-freie Heizung, die erneuerbare Energien verwendet, wie beispielsweise eine Wärmepumpe, schneller. Gegenüber der WAZ sagte er: „Die Preise für Erdgas und Heizöl werden ab 2027 durch den EU-Emissionshandel kontinuierlich steigen.“
Warum ab 2027? Damit bezieht sich Habeck auf ein Vorhaben der EU. Dieses sieht vor, den Emissionshandel ab dem Jahr 2027 um ein zusätzliches und eigenständiges Emissionshandelssystem für Gebäude, den Straßenverkehr und Brennstoffe zu erweitern (ETS2). Auf europäischer Ebene kalkulierte das Fraunhofer ISI, an dessen Berechnungen sich das BMWK orientierte, mit einem CO2-Preis für die Sektoren des EU Emissionshandels (unter anderem Stromerzeugung) von 150 Euro pro Tonne ab dem Jahr 2030. Für alle anderen Sektoren (unter anderem Wärme) mit 115 Euro.
Ob sich der letztgenannte Preise auf die nationale oder europäische Ebene (ETS2) bezieht, ist unklar. Das liegt daran, dass noch offen ist, wie sich das deutsche System entwickeln wird. Wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten erklärt, hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag verpflichtet, zu prüfen, ob die beiden Systeme zusammengeführt werden können.
Was Experten zu der Entwicklung der CO2-Preise sagen
Grischa Perino, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Hamburg, hält diese Preispfade für „vertretbar, aber am oberen Rand“. Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hält die erwartete Preisentwicklungen für möglich, wie wahrscheinlich sie seien, ließe sich aber nicht sagen.
Eine Forschungsgruppe, an der er beteiligt war, wertete verschiedene Berechnungsmodelle für CO2-Preise im aktuellen europäischen Emissionshandel im Rahmen des Kopernikus-Projektes „Ariadne“ aus. Für den aktuellen europäischen Emissionshandel schätzt die Mehrheit der Modelle, dass die Preise im Jahr 2030 bei 130 bis 160 Euro liegen würden. Für den neuen europäischen Emissionshandel (ETS2) könnten sie laut einer weiteren Veröffentlichung des Projektes zwischen 175 und 350 Euro pro Tonne liegen.
Für den Bereich des nationalen Emissionshandels gebe es kaum Berechnungen, und die, die es gebe, seien grob, schreibt uns Pahle. Das hängt damit zusammen, dass in Deutschland im Jahr 2025 über die zukünftige Preisbildung im Emissionshandel entschieden wird, wie die deutsche Emissionshandelsstelle schreibt. Je höher die Preise für CO2-Emissionen ausfielen, „desto besser für die Wärmepumpe“, so Pahle.
Zwischenfazit: Experten halten die vom BMWK zugrunde gelegten Strompreise für realistisch, die Annahmen über die Entwicklung der Gaspreise jedoch für unsicher. Bei den CO2-Preisen steht fest, dass es zu einer Preissteigerung kommen wird. Je teurer der CO2-Ausstoß wird, um so teurer werden Öl- und Gasheizungen für den Verbraucher und um so günstiger ist im Vergleich dazu eine Wärmepumpe.
Preisentwicklung und Effizienz von Wärmepumpen
Bleibt also noch die Frage, wie sich die Preise für Wärmepumpen entwickeln könnten und wie effizient diese in verschiedenen Häusern im Vergleich zu Gas- oder Ölheizungen sind.
Der Hersteller Bosch gibt auf seiner Webseite den Anschaffungspreis für eine Luft-Wärmepumpe, dem Wärmepumpen-Typ, mit dem auch das BMWK kalkuliert, mit 10.500 bis 17.500 Euro an. Der Hersteller Vaillant berechnet für seine Produkte 9.000 Euro. Hinzu kommen noch die Installationskosten.
Im Begleitgutachten des BMWK, wird der Einbau einer solchen Wärmepumpe unter anderem für ein Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche und für ein Sechsfamilienhaus mit 500 Quadratmetern Wohnfläche durchgerechnet. Für beide Gebäudetypen werden zudem vier verschiedene Wärmedämmstandards angenommen. Hinzu kommen in dem Gutachten noch andere Gebäude: Schulen, Kindertagesstätten und Verwaltungsgebäude. Für diese wird nicht nur ein Preis für den Einbau einer Wärmepumpe bei den Berechnungen einbezogen, sondern ihnen werden auch verschiedene Gasheizungs-Typen gegenübergestellt.
Christoph Weber, Professor für Energiewirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, und seine Mitarbeiter Julian Radek und Aiko Schinke-Nendza haben sich diese Berechnung für uns angeschaut. In ihrem dreiseitigen Gutachten (PDF) schreiben sie über die angesetzten Preise für Wärmepumpen und Gasheizungen: „Während die Kostenannahmen mit 22.000 bis 29.000 EUR für die Wärmepumpen (ohne Heizflächentausch) im Rahmen anderer (grober) Abschätzungen liegen, erscheinen die Kostenannahmen für eine neue Gasheizung eher höher als marktüblich, vor allem wenn eine bestehende Gasheizung ersetzt wird und entsprechend die Kosten für Gasleitung, Schornsteinsanierung und Ähnliches in der Regel nicht anfallen. Hier erscheint ein circa 20 Prozent niedriger Wert eher plausibel, allerdings wirkt sich dies auf die Gesamtkosten über 18 bis 20 Jahre betrachtet nur im Bereich von 1 bis 2 Prozent aus.“
Bei seinen Berechnungen hat das Team um Weber sowohl mögliche Förderungen für Wärmepumpen, als auch mögliche Preissenkungen nicht einbezogen. Auch das BMWK verzichtete darauf, mögliche Preissenkungen bei Wärmepumpen anzusetzen. Die Prognosen könnten also noch positiver für Wärmepumpen ausfallen, wenn man diese Faktoren mit berücksichtigte.
Experte: Preissenkungen für Wärmepumpen seien nicht unrealistisch
In einem Gutachten der Denkfabrik Agora Energiewende („Durchbruch für die Wärmepumpe“, PDF) heißt es, „verbunden mit neuen Produktionsverfahren und einer Verkürzung der Installationszeiten“ könnten die Kosten für eine Wärmepumpe um bis zu 40 Prozent fallen.
Marek Miara vom Fraunhofer ISE erklärte uns, warum solche Preissenkungen nicht unrealistisch seien. Zum einen sei durch eine höhere Nachfrage nach Wärmepumpen zu erwarten, dass sich die Herstellungsprozesse in der Industrie verändern würden. Dadurch könnten Wärmepumpen effizienter und kostengünstiger hergestellt werden. Zum anderen sei zu erwarten, dass auch Handwerksbetriebe eine größere Expertise bei der Installation von Wärmepumpen aufbauen würden. Gäbe es in Zukunft mehr Personal, das die Wärmepumpen installieren könne, würden die Preise sinken.
Darüber hinaus sei es wichtig, dass Anbieter von Wärmepumpen ihr Portfolio verkleinerten. Gegenüber dem Spiegel sagte Miara, aktuell gebe es mehr als 7.000 Produkte auf dem Markt, zehn Prozent davon würden jedoch reichen. Das würde die Installation der Geräte vereinfachen und es leichter machen, das richtige Modell auszuwählen.
Studie: Wärmepumpen können in vielen Häusern funktionieren
Eine letzte Frage bleibt noch: In welchen Häusern können Wärmepumpen sinnvoll genutzt werden? Darauf gibt eine Studie, an der Miara mitgearbeitet hat, eine klare Antwort.
Gegenüber dem Spiegel sagte er, die Studie habe gezeigt, sowohl Neubauten als auch Bestandsimmobilien, teils unsaniert und ungedämmt, könnten „mit einer vernünftigen Effizienz“ durch Wärmepumpen beheizt werden. Brauche ein Haus 150 Kilowattstunden Heizenergie pro Quadratmeter, könne eine Wärmepumpe sinnvoll sein.
Mit Blick auf die Berechnungen des BMWK und die Aussage von Robert Habeck bilanziert Miara, dass es zumindest nicht unrealistisch sei, dass sich eine Wärmepumpe nach 18 Jahren rentiere. Gerda Deac hält die Prognose für „machbar, aber ambitioniert“ und Christoph Weber und sein Team sind der Meinung, die Berechnungen des BMWK seien weitgehend schlüssig, hingen aber letztendlich davon ab, wie stark die CO2-Preise steigen und davon, in welchem Zustand ein Gebäude sei.
Fazit: Die Prognose des BMWK und damit Robert Habecks Aussage ist nicht aus der Luft gegriffen, wie unsere Gespräche mit Expertinnen und Experten zeigen. Dennoch ist sie von verschiedenen Faktoren abhängig und daher mit Vorsicht zu betrachten. Denn vor allem der Anstieg der CO2-Preise und die Entwicklung des Gaspreises lassen sich nur schwer vorhersagen. Davon hängt ab, ob die Rechnung des BMWK schlussendlich aufgeht.
Korrektur, 22. Juni 2023: Im Abschnitt über die Entwicklung der CO2-Preise schrieben wir, das Fraunhofer ISI habe Preise von 300 Euro pro Tonne auf europäischer Ebene ab dem Jahr 2030 und auf nationaler Ebene von 200 Euro angenommen. Diese Angabe haben wir korrigiert. Wir haben zudem einen Absatz zu Prognosen über die Preisentwicklung im neuen europäischen Emissionshandelssystem ergänzt.
Redigatur: Max Bernhard, Steffen Kutzner, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Hintergrund:
- Interview der WAZ mit Robert Habeck vom 9 April 2023: Link (archiviert)
- Gutachten „Heizen mit 65 % erneuerbaren Energien – Begleitende Analysen zur Ausgestaltung der Regelung aus dem Koalitionsvertrag 2021“: Link (PDF)