Hintergrund

Verhaftungen bei russischer Firma Aeza: IT für Kreml-Propaganda und Verdacht auf Drogenhandel

Mehrere Mitarbeiter des russischen Hosting-Anbieters Aeza wurden verhaftet. Ihnen wird Drogenhandel in großem Stil vorgeworfen. CORRECTIV hatte zuvor über die Verbindungen der Firma zu einer Propaganda-Kampagne des Kreml berichtet.

von Max Bernhard , Alexej Hock , Sarah Thust

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Der Gründer von Aeza, Arseniy Penzev (links) und der Geschäftsführer, Juri Bozoyan (rechts), hier in einem Youtube-Video der Firma zu sehen, wurden Anfang April von russischen Behörden verhaftet (Quelle: Youtube; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die russische Desinformations-Kampagne „Doppelgänger“ verbreitet seit fast drei Jahren gefälschte Artikel von westlichen Medien, wie dem Spiegel, Guardian oder von Le Monde im Netz. Für die Verbreitung der Kreml-Propaganda wurde auch die IT-Infrastruktur von einem Netzwerk aus russischen Firmen verwendet, an deren Spitze das Unternehmen Aeza stand. Das legten Recherchen von CORRECTIV zusammen mit der schwedischen NGO Qurium und dem tschechischen Investigativportal Investigace im Juli 2024 nahe.

Nun wurden mehrere Führungskräfte und Mitarbeiter von Aeza in Russland verhaftet. Russische Behörden werfen ihnen die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Handel mit Betäubungsmitteln im großen Stil vor. Das gab das Moskauer Bezirksgericht Meschtschanskij Anfang April bekannt.

Wie CORRECTIV vergangenen Juli berichtete, ließ Aeza neben „Doppelgänger“ auch mutmaßlich Kriminelle auf den eigenen Servern agieren. Dazu bewarb die Firma ihre Dienste unter anderem in Untergrund-Foren im Darknet. Das russische, laut Medienberichten staatsnahe Medium Mash berichtet, dass die Firma mit dem Online-Drogenhandel „Black Sprut“ zusammengearbeitet haben soll – das sei der Hintergrund der Vorwürfe der russischen Behörden.

„Wagner Zentrum“: Razzia im früheren Söldner-Hauptquartier 

Auch eine Analyse von Qurium zeigt, dass „Black Sprut“ mindestens zeitweise über die Infrastruktur von Aeza lief. „Black Sprut“ war laut dem Analyse-Unternehmen Chainalysis 2024 der weltweit drittgrößte Darknet-Drogenmarkt, mit über 200 Millionen US-Dollar Umsatz. Weil „Black Sprut“ 2023 in aller Öffentlichkeit mit Werbeplakaten für seine Dienste warb, wurde damals spekuliert, wieso russische Behörden nicht dagegen vorgingen.

Auch bei Aeza stellt sich die Frage, wie der rasante Aufstieg der Firma möglich war. Denkbar ist, dass Behörden Aeza zunächst gewähren ließen, im Gegenzug stellte das Unternehmen seine internationale und verzweigte Struktur zur Verbreitung der Doppelgänger-Kampagne zur Verfügung. Experten vermuten schon lange, dass es eine solche Zusammenarbeit zwischen Hosting-Firmen und russischen Geheimdiensten geben könnte. Wieso die russischen Behörden sich nun entschieden haben, gegen Aeza vorzugehen, ist unklar.

Laut den russischen Behörden befinden sich der Gründer von Aeza, Arseniy Penzev, und der Geschäftsführer, Juri Bozoyan, in Untersuchungshaft. Auch vier weitere Personen, die laut Moskauer Gericht in Haft kamen, stehen Medienberichten zufolge im Zusammenhang mit Aeza. Fotos, die das Gericht veröffentlichte, sollen die Aeza-Chefs eingesperrt in einer Gitterzelle zeigen.

„Angesichts der Situation, die sich bei zwei Führungskräften des Unternehmens ergeben hat“ wolle man bekannt geben, dass das Unternehmen trotzdem normal weiter arbeiten werde, erklärte Aeza in einem Telegram-Beitrag. Eine neue Geschäftsführung solle bald ausgewählt werden. In einem Blog-Eintrag behauptete die Firma zudem, die Verhaftungen hätten nichts mit dem Unternehmen zu tun. Eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck über Telegram erreichte Penzev offenbar nicht.

Den Verhaftungen war eine Razzia auf das Sankt Petersburger Büro von Aeza vorausgegangen, wie die Petersburger Zeitung Fontanka berichtet. Für ihre Firma hatten sich die Aeza-Chefs eine interessante Adresse ausgesucht: das ehemalige Hauptquartier von „Wagner“, der früheren Söldnertruppe von Jewgeni Prigoschin. Prigoschin leitete vor seinem Tod im August 2023 auch die berüchtigte Trollfabrik Internet Research Agency (IRA). Für eine Verbindung zu Aeza gibt es jedoch keine Hinweise.

Aeza nutzte Dienste von deutschem Anbieter Aurologic 

Wie CORRECTIV vergangenes Jahr berichtete, liefen Verbindungen laut Analysen von Qurium zu den von der Doppelgänger-Kampagne verbreiteten Inhalten bei Aeza und Co. auch über den Hosting-Anbieter Aurologic in Deutschland. Das war überraschend, denn das hieße, dass ein deutsches Unternehmen seine Leistungen – ob wissentlich oder nicht – für eine Desinformationskampagne zur Verfügung stellt, deren Verantwortliche von der EU sanktioniert sind. Diesen Hinweisen nachgegangen waren deutsche Behörden scheinbar nicht.  

Im Interview mit CORRECTIV im Juni 2024 meinte Aurologic-Geschäftsführer Joseph Hofmann, sich zu erinnern, Aeza habe bei ihm im Datencenter wohl mal einen Server gehabt. Die Vorwürfe in Bezug auf Doppelgänger waren für ihn demnach neu gewesen. Aktuelle Fragen von CORRECTIV dazu, ob Aeza zuletzt noch Kunde war oder er mit dem Aeza-Geschäftsführer in Kontakt stand, beantwortete er nicht. Hoffmann schrieb stattdessen: Aurologic dulde keine Aktivitäten, die „nicht im Einklang mit deutschen oder europäischen Recht zugegen“ sind. Lägen „relevante Nachweise“ für solche Aktivitäten vor, möge man ihm das bitte mitteilen.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann

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