Politik

Collage mit falschen Zitaten von Grünen-Politikern im Umlauf

Auf Facebook werden wieder unbelegte und falsche Zitate von Politikern der Grünen geteilt. Viele haben wir schon in der Vergangenheit als Fälschungen offenbart.

von Cristina Helberg

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Dem Grünen-Politiker Jürgen Trittin wird in einer Collage ein frei erfundenes Zitat zugeschrieben. Das genannte Zitat seiner Parteikollegin Katrin Göring-Eckardt ist jedoch korrekt. (Symbolfoto: AFP: Johannes Eisele)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Von acht angeblichen Zitaten sind nur drei richtig und eins teilweise richtig. Die anderen sind teilweise falsch, abgeändert oder sogar frei erfunden.

Eine in sozialen Netzwerken verbreitete Collage führt angebliche Zitate von mehreren Grünen-Politikern auf. Ein Facebook-Beitrag mit der Collage vom 28. April 2019 wurde bisher mehr als 5.000 Mal geteilt. Wir haben jedes Zitat geprüft.

Facebook-Beitrag vom 28. April 2018 (Screenshot: CORRECTIV)

1. Angebliches Zitat von Jürgen Trittin (Grüne):

„Es geht nicht um Recht oder Unrecht in der Einwanderungsdebatte, uns geht es zuerst um die Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils in diesem Land.“

Stimmt dieses Zitat? Mit dieser Frage beschäftigte sich 2016 auch die Braunschweiger Zeitung, nachdem sie das vermeintliche Zitat in einem Leserbrief abgedruckt hatte. Die Zeitung veröffentlichte am 2. August 2016 mehrere Leserbriefe zu dem berühmten Satz „Wir schaffen das“ von Angela Merkel. Ein Leser warf Merkel in seinem Brief vor, sich grüner Politik anzunähern und erwähnte in diesem Zusammenhang ein vermeintliches Zitat von Grünen-Politiker Jürgen Trittin.

Nach Beschwerden von Lesern prüfte die Redaktion das angebliche Zitat und kam zu dem Schluss, dass es sich um ein frei erfundenes Zitat handele: „Erschienen ist das angeblich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vom 2. Januar 2005. Nach Rücksprache mit den Kollegen im FAS-Archiv hat es dieses Interview nicht gegeben, es handelt sich um kein FAS-Zitat, es ist frei erfunden“, so die Redaktion der Braunschweiger Zeitung. Auch wir konnten keinen Beleg dafür finden, dass Trittin dieses Zitat irgendwann tatsächlich gesagt hat

Fazit: Die angebliche Quelle und das Zitat sind frei erfunden.

2. Angebliches Zitat von Sieglinde Frieß (Grüne):

„Ich wollte, dass Frankreich bis zur Elbe reicht und Polen direkt an Frankreich grenzt.“

Wer im Internet nach Quellen für dieses Zitat sucht, stößt auf einen Artikel des Spiegel aus dem Jahr 1990. Dort steht: „Lieber als ein wiedervereinigtes Deutschland sähen linke Grünen-Abgeordnete wie Siggi Frieß offenbar gar kein Deutschland: ‘Das Beste wäre für Europa’, zitierte sie vor dem Bundestag ein Kabarettistenwort, ‘wenn Frankreich bis an die Elbe reicht und Polen direkt an Frankreich grenzt.’ “

Im Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages vom 5. September 1989 kann man auf Seite 11758 nachlesen, was Frieß genau gesagt hat. Im Spiegel ist der Zusammenhang nur unvollständig wiedergegeben. Dem Protokoll zufolge sagte Frieß: „Wir fordern erstens die konsequente Absage an jegliche Großmachtsbestrebungen, zweitens die Anerkennung der DDR und der DDR-Staatsbürgerschaft und drittens eine grundsätzlich andere Politik für Immigrantinnen bzw. Immigranten und Flüchtlinge, um in Zukunft das zu verhindern, was derzeit noch Wahres in dem Zitat von Wolfgang Neuss steckt, den ich zum Schluß zitieren will: ‘Es läßt mich nicht ruhen: Wie kann ich wirklich was für Europa tun? Und wenn Du mich einen Landesverräter nennst — das Beste wäre für Europa, wenn Frankreich bis an die Elbe reicht und Polen direkt an Frankreich grenzt.‘“

Fazit: Frieß zitierte 1989 ein Zitat des deutschen Kabarettisten Wolfgang Neuss und bezeichnete einen Teil davon als etwas „Wahres“, dass es in Zukunft zu verhindern gelte.

3. Zitat von Çigdem Akkaya (ehemalige stellvertretende Direktorin des Essener Zentrums für Türkeistudien):

„Die Leute werden endlich Abschied nehmen von der Illusion, Deutschland gehöre den Deutschen.“

Auf Nachfrage von CORRECTIV erklärt Çigdem Akkaya den Hintergrund dieses Satzes: „Dieses Zitat stammt aus einem Interview mit WAZ gegen Ende 90er Jahre aus Anlass der Novelle des Einbürgerungsgesetzes. Es war aber leider ein unglückliches Interview, da ich mich nicht gut und präzise ausdrücken konnte, und ich leider aus zeitlichen Gründen nicht darauf bestand, das Interview vor dem Druck zu sehen, da es für den Journalisten sehr eilig war. Somit blieb eine Menge Raum für Missinterpretationen.“

Sie betont: „Es ist klar, dass es von meiner Seite aus nicht so gemeint sein kann, wie es für viele, vor allem für rechte Szene als eine ‘Deutschlandseroberungserklärung durch eine Zugewanderte’ verstanden wird. Ich hatte mit illusionierten ‘Leuten’ eigentlich die Rechtsradikalen und deren berühmten Spruch ‘Deutschland gehört den Deutschen’ gemeint. Zur Präzisierung hätte ich das Wort ‘nur’ (‘Deutschland gehört nur den Deutschen’) auswählen und betonen müssen, was mir aber im Nachhinein auffiel.“

Fazit: Çigdem Akkaya hat den Satz nach eigenen Angaben in einem Interview Ende der 90er so gesagt. Allerdings fühlt sie sich falsch verstanden und betont, dass sie meinte, Rechtsradikale müssten sich von der Illusion verabschieden, Deutschland gehöre nur den Deutschen.

4. Angebliches Zitat von Daniel Cohn-Bendit (Grüne):

„Wir, die Grünen, müssen dafür sorgen, so viele Ausländer wie möglich nach Deutschland zu holen. Wenn sie in Deutschland sind, müssen wir für ihr Wahlrecht kämpfen. Wenn wir das erreicht haben, werden wir den Stimmenanteil haben, den wir brauchen, um diese Republik zu verändern.“

Auch dieses angebliche Zitat ist nicht neu. Im Jahr 2015 hatte die Politikerin Erika Steinbach (zu diesem Zeitpunkt CDU) die Aussage bei Twitter verbreitet. Eine Quelle oder einen Beleg nannte sie nicht. Darüber berichteten auch Focus und Der Westen im Jahr 2015. Wir haben bereits im Januar 2019 einen Faktencheck dazu veröffentlicht.

Fazit: Nach unseren Recherchen gibt es keinen Beleg für dieses Zitat.

5.) Zitat von Robert Habeck (Grüne):

„Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“

Ja, diesen Satz hat Robert Habeck in seinem Buch „Patriotismus – Ein linkes Plädoyer“ geschrieben. Er plädiert in dem Buch in Abgrenzung zu Vaterlandsliebe für einen „linken Patriotismus“: „Als Adressat und Verbindung zwischen den Gegensätzen zwischen ‘Liberalität’ und ‘Paternalismus’, zwischen ‘verantwortungsvoll’ und ‘kreativ’, zwischen ‘Bürger’ und ‘Konsument’ braucht man ein positives Gesellschaftsverständnis.“ […] Man braucht eine Erzählung, die auf Veränderung setzt, auf Gerechtigkeit und Internationalität. Dieses Engagement nenne ich einen ‘linken Patriotismus’.“

Fazit: Das Zitat ist korrekt.

6.) Zitat von Katrin Göring-Eckardt (Grüne):

„Natürlich gehört der Islam zu Deutschland, und natürlich gehören Muslime zu Deutschland. Und ich finde, darüber können wir ganz schön froh sein. Es wäre sehr langweilig, wenn wir nur mit uns zu tun hätten“.

Die auf Facebook verbreitete Bildcollage nennt für diese Aussage keine Quelle. Auf der Seite Wikiquote wird das Zitat mit Verweis auf ein Interview in der RBB-Radio Eins-Sendung „Der Kandidatencheck“ am 18. September 2017 aufgeführt. Online kann man das Radiointerview nachhören. Ab Minute 9:55 sagt Katrin Göring-Eckardt den zitierten Satz.

Fazit: Das Zitat ist korrekt.

7.) Angebliches Zitat von Renate Künast (Grüne):

„Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen“.

Dieses falsches Zitat der Grünen-Politikerin verbreitet sich seit 2015 im Netz. Trotz aufklärender Artikel und einer Klarstellung der Politikerin, teilen Nutzer es auf Facebook weiter. Alles begann mit einem Auftritt von Renate Künast vor knapp neun Jahren.

Am 30. August 2010 war Künast zu Gast in der Fernseh-Gesprächsrunde „Beckmann“ der ARD, unter anderem zusammen mit Thilo Sarrazin und Aygül Özkan. Die Aufzeichnung der Diskussion war bis Januar 2019 als Webvideo verfügbar und konnte von uns geprüft werden. Ab Minute 1:46:53 sagte Renate Künast zu Thilo Sarrazin: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher sich ihren Namen mal merken.“ Sarrazin hatte zuvor Aygül Özkan mit einem falschen Nachnamen angesprochen. Heute ist das Video nicht mehr abrufbar, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk Inhalte nur begrenzte Zeit online stellen darf.

2015 stellte Renate Künast in einem Facebookpost klar, was sie gesagt habe und was nicht. „Seit einiger Zeit gibt es eine Kampagne, die behauptet, ich hätte gesagt, Integration beginne damit, dass wir alle erstmal türkisch lernten. Diese Aussage habe ich nicht gemacht“, schrieb die Politikerin.

Fazit: Das Zitat ist frei erfunden.

8.) Angebliches Zitat von Stefanie von Berg (Grüne):

„Es ist gut so, dass wir Deutsche bald in der Minderheit sind“.

Das Zitat kursiert ebenfalls schon seit einigen Jahren in den Sozialen Netzwerken. Bereits im Oktober 2018 und im Mai 2019 haben wir darüber berichtet.

Die Grünen-Politikerin Stefanie von Berg hielt nach Recherchen des österreichischen Faktencheck-Vereins Mimikama im November 2015 eine Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft, in der es um die Beschulung von Flüchtlingen ging. Zu Beginn ihrer Rede sagte die Politikerin demnach: „Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft wird sich ändern, unsere Stadt wird sich radikal verändern, ich bin der Auffassung, dass wir in 20, 30 Jahren gar keine ethnischen Mehrheiten mehr haben in unserer Stadt. Das ist auch das was Migrationsforscher und Forscherinnen sagen: wir werden in einer Stadt leben, in der es – einfach gesagt – dass unsere Stadt davon lebt, dass wir ganz viele verschiedene Ethnien haben – ganz viele Menschen – dass wir eine superkulturelle Gesellschaft haben. Das ist das, was wir haben werden in der Zukunft. Und ich sage Ihnen auch ganz deutlich, gerade in Richtung rechts: das ist gut so!“

Die Rede ist öffentlich auf Youtube für jeden zugänglich. Das angebliche Zitat aus der Behauptung („Es ist gut so, daß wir Deutsche bald in der Minderheit sind“) hört man dort nicht.

Im März 2016 führte Mimikama ein Interview mit Stefanie von Berg. Sie erzählte, dass sie den Satz „Und das ist gut so!“ in ihrer Rede, „nachdem in den Reihen der AfD Unruhe entstand“, hinzugefügt habe. Sie betonte, wie ihre Aussage in einem Sharepic verdreht und sie nachher zum Opfer eines Shitstorms geworden sei.

Fazit: Das ist falsch. Von Berg hat den Satz so nicht gesagt.