Politik

Nein, Obama befahl der CIA nicht, ISIS zu trainieren

Ein aus dem Englischen übersetzter Artikel behauptet, es gebe Beweise für die gezielte Unterstützung der Terrororganisation durch die Obama-Regierung. Das ist falsch. Die Autoren des Original-Artikels haben sich bereits korrigiert. In Deutschland wird die Falschmeldung weiter geteilt.

von Cristina Helberg

GERMANY-EUROPE-US-DIPLOMACY-OBAMA
Barack Obama am 6. April 2019 bei einem Auftritt in Berlin (Symbolbild: John Macdougall/ AFP).
Bewertung
Falsch. Obama hat die CIA nicht angewiesen, ISIS zu trainieren

Die Webseite News for friends veröffentlichte am 24. Oktober einen Artikel mit dem Titel „Freigegebene Dokumente: Obama befahl der CIA, ISIS auszubilden“. Der Text wurde laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 2.700 Mal auf Facebook geteilt. Wir haben die aufgestellte Behauptung geprüft. 

Der Artikel mit den falschen Behauptungen (Screenshot: CORRECTIV).

Auch US-Faktenchecker haben die Behauptung geprüft

Als Quelle gibt News for friends einen Artikel der US-amerikanischen Webseite Newspunch vom 28. Mai 2015 an. Diesen haben US-amerikanische Faktenchecker von Snopes im Oktober 2019 geprüft. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Behauptung größtenteils falsch ist. 

In ihrer Bewertung schreiben sie, richtig sei, dass einige Waffen aus einem CIA-Programm in den Händes von Kämpfern des IS landeten. Das hätten mehrere seriöse Berichte und Untersuchungen ergeben. Die Waffen seien demnach zuerst durch das Programm namens Timber Sycamore an syrische Rebellen geliefert worden, die gegen das Regime von Baschar al-Assad kämpften. 

Weiter schreiben die Faktenchecker: „Der Diebstahl und Schmuggel der Waffen war jedoch unbeabsichtigt und nicht das Ergebnis einer absichtlichen Politik oder Anweisungen von Präsident Barack Obama oder einem Teil seiner Regierung, die tatsächlich ein separates Programm zur Bewaffnung und Ausbildung syrischer Rebellen im Kampf gegen den Islamischen Staat aufstellte.“

News for friends übernahm Korrektur des US-Artikels nicht 

Die Webseite Newspunch reagierte auf den Faktencheck und änderte die Überschrift, sowie fast den gesamten Artikeltext, nur der Teaser blieb gleich. In der älteren Version, die die Faktenchecker von Snopes am 28. Oktober 2019 archiviert haben, stimmen die Überschrift und der Artikeltext mit dem deutschen Text von News for friends überein. Die deutsche Seite hat den Text also offenbar vor der Korrektur kopiert und am 24. Oktober veröffentlicht. Bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks wurden die nachträglichen Korrekturen in der Version von News for friends nicht berücksichtigt. Dort fehlen die geänderte Überschrift, die im englischen Artikel nun lautet: „Freigegebene Dokumente: Obamas CIA hat unabsichtlich ISIS bewaffnet“, ein Korrekturhinweis und der gesamte geänderte Artikeltext. 

Im Korrekturhinweis von Newspunch steht: „Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Obama die CIA angewiesen habe, ISIS zu trainieren. Das ist eine Übertreibung der Fakten. Es ist zwar wahr, dass das Gesamtmanagement der Obama-Administration dazu geführt hat, dass Waffen in die Hände einiger ISIS-Kämpfer fielen, aber es ist nicht wahr, dass er ‘der CIA befohlen hat, ISIS auszubilden’. Die Überschrift und der Artikel wurden aktualisiert, um dieser Tatsache Rechnung zu tragen.“

Und was steckt hinter den Dokumenten, die Obamas Befehl angeblich belegen? 

Die Überschrift von News for friends „Freigegebene Dokumente: Obama befahl der CIA, ISIS auszubilden“, suggeriert, es gebe Dokumente, die die Behauptungen belegen. Weiter heißt es im Artikel: „Der Regierungswächter Judicial Watch veröffentlichte mehr als 100 Seiten früher klassifizierter Dokumente des US-Verteidigungsministeriums und des Außenministeriums.“ Auch in zwei verlinkten Artikeln, die Newspunch in der älteren Artikelversion als Quellen angab, wird auf diese Dokumente verwiesen. Dort wird aus den Dokumenten auch ein konkretes Dokument als Quelle benannt: ein Bericht des Verteidigungsministeriums. 

Richtig ist, dass die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Judicial Watch 2015 über Auskunftsklagen Dokumente der US-Regierung erhalten hat, darunter den Bericht des Verteidigungsministeriums von 2012. In dem Bericht geht es um die Situation im Irak, auch Syrien wird thematisiert, wo seit 2011 ein Bürgerkrieg herrschte. Auf diesen Bericht beruft sich Newspunch, stellt den Inhalt aber irreführend dar. 

Das US-Verteidigungsministerium warnt in dem Bericht tatsächlich deutlich vor einem Erstarken von Al Qaida. In dem Dokument steht, Al Qaida habe die syrische Opposition von Anfang an unterstützt und die „westlichen Staaten“ würden die Opposition unterstützen. Obama hatte die Unterstützung der syrischen Rebellen 2012 auch offen erklärt

Aus dem Dokument geht jedoch nirgends hervor, dass die US-Regierung Terroristen trainieren oder unterstützen wollte. Im Gegenteil: Unter Punkt 8 steht: „Die Verschlechterung der Situation hat verheerende Auswirkungen auf die irakische Situation und stellt sich wie folgt dar: 1. Dies schafft die ideale Atmosphäre für AQI [Anmerkung d. Red.: Al Qaida im Irak], um in ihre alten Besitztümer in Mosul und Ramadi zurückzukehren […]. ISI (Islamischer Staat des Irak, ein Vorläufer des Islamischen Staates des Irak und der Levante oder IS) könnte durch seine Verbindung mit anderen terroristischen Organisationen im Irak und in Syrien auch einen Islamischen Staat erklären, was eine große Gefahr für die Einheit des Irak und den Schutz seines Territoriums darstellen wird.“

Auszug aus einem von der US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Judicial Watch veröffentlichten Dokument des US-Verteidigungsministeriums (Screenshot: CORRECTIV).

Snopes schreibt über die Seite Newspunch, es handele sich um „eine Webseite, die früher YourNewsWire hieß und dafür bekannt ist, Junk-News sowie sensationelle Verzerrungen echter Nachrichten zu veröffentlichen.“

Auch die Seite News for friends haben wir bereits häufiger geprüft und immer wieder Falschmeldungen gefunden (hier und hier).