Lobbyismus

Orbáns Flirt mit der Union

Ungarische Denkfabriken, die Viktor Orbán nahestehen, bandelten auf einer Konferenz im vergangenen Oktober mit CSU-Politikern an. CORRECTIV war vor Ort und zeigt, wo sich die Meinungen überschnitten und wo Vertreter der Union klare Kante zeigten.

von Marcus Bensmann , Elena Kolb

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Trump und Orbán hätten „Vorbildcharakter“, schreibt der Chef einer CDU-nahen Denkfabrik an CORRECTIV. (Collage: Ivo Mayr/CORRECTIV; Vorlage:picture alliance)

Seit Jahren schmieden ungarische Denkfabriken rechtskonservative Bündnisse in Europa. Regelmäßig veranstalten sie Konferenzen zur Vernetzung von Entscheidungsträgern. Im vergangenen Oktober luden sie auch nach Berlin ein. Besonders bei der CDU, so betonen es die Veranstalter gegenüber CORRECTIV, sehen sie vielversprechende Verbündete für konservative Politik. 

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl helfen die Inhalte der Konferenz, zu verstehen, wohin sich die Union außenpolitisch entwickeln könnte. Einige CSU-Politiker suchen das Gespräch mit Ungarn, grenzen sich in einer Frage aber auch klar ab.  

In einem Business-Hotel in der Nähe des Potsdamer Platz in Berlin versammelten sich Vertreter von rechtskonservativen Denkfabriken, Wissenschaftler, Trump-Fans und Politiker. Es war ein öffentliches Treffen, zu dem Journalistinnen und Journalisten offiziell zugelassen waren. Unter dem Titel „Transatlantic Partnership in a new Era?“ wollten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen „nach einer Zukunftsvision für konservative Regierungen in Ungarn, Deutschland und den USA“ suchen. 

„Propaganda-Schule“ von Orbán lädt mit ein

Eingeladen hatten drei ungarische Denkfabriken: das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit, das ungarische Mathias Corvinus Collegium (MCC) und das ungarische Danube Institute. Die Denkfabriken stehen finanziell und ideologisch dem Ministerpräsidenten von Ungarn, Viktor Orbán, nahe. CORRECTIV hatte aufgedeckt dass das deutsche Außenministerium, das MCC intern als „Propaganda-Schule“ und „Kaderschmiede der Regierungspartei Fidesz“ bezeichnete. 

Auf Konferenzen und auf Social Media verbreiten Vertreter der Denkfabriken die rechtskonservativen Ansichten Orbáns: Der ungarische Ministerpräsident hetzt gegen Geflüchtete, torpediert das EU-Klimaziel, steht Putin nahe und beschränkt die Medienlandschaft in Ungarn immer weiter.

Wie Orbán seine Denkfabriken finanziert

Viktor Orbán findet verschiedene Wege, um die Meinungsmacher zu finanzieren. Das MCC hält beispielsweise zehn Prozent Anteile an dem staatlichen Öl-Konzern Ungarns. Der Konzern macht weiterhin Geschäfte mit Russland und ist das profitabelste Unternehmen Ungarns. Über die Anteile erhält das MCC jährlich hohe Dividenden. 

Das Danube Institut ist wohl noch näher dran an Orbán. Laut einer ungarischen Nichtregierungsorganisation (NGO) wird die Denkfabrik durch staatliche Gelder finanziert. Die NGO deckte auch auf, dass das Danube Institut Wissenschaftler in den USA dafür bezahlte, Artikel zu verfassen, in denen Ungarn als eine vorbildhafte „rechte Utopie“ dargestellt wird.  

CDU-nahe Denkfabrik ist ebenfalls Konferenzpartner

Zusammen mit den ungarischen Instituten lud auch eine deutsche Denkfabrik ein: The Republic trat in Berlin als Partner auf. Ihr Geschäftsführer Armin Petschner-Multari sagte gegenüber der Welt, er sei „CSU bis zum Umfallen“. An der Konferenz nahmen zwei CSU-Bundestagsabgeordnete teil: Mechthilde Wittmann und Thomas Silberhorn sprachen auf der Bühne. Außerdem redete noch Lukas Honemann. Er ist Bundesvorsitzender des Rings Christlicher Studenten (RCDS), der der Union nahesteht. 

Dass die Konferenz in Berlin stattfand, ist kein Zufall. Denn neben den USA sei Deutschland für die Denkfabriken aus Ungarn der „wichtigste Partner“ für konservative Bündnisse, wie ein Vertreter des MCC auf Anfrage von CORRECTIV schreibt. Ihr Interesse gelte insbesondere der CDU, denn die Partei werde in Deutschland „aller Voraussicht nach nach dem 23. Februar 2025 den Bundeskanzler stellen“, so schreibt es der MCC-Vertreter. The Republic hätte man für die Konferenz als Partner ausgewählt, weil es sich ebenfalls für den Aufbau von „Mitte-Rechts-Bündnissen“ einsetze.  

Meinungen in der CDU überschneiden sich nur zum Teil mit denen aus Ungarn

Ziel der Konferenz war es, gemeinsame Interessen zwischen den konservativen Teilnehmern aus Ungarn, Deutschland und den USA zu finden: Die Vorträge und Podiumsdiskussionen drehten sich um Migrationspolitik, Sozialpolitik und transatlantische Beziehungen. 

Im gedruckten Programm der Konferenz, das alle Teilnehmer vor Ort bekamen, werden die „12 Säulen für konservative Politik“ beschrieben. Darin wird beispielsweise für ein konservatives Familienbild und für Atomkraft geworben. Abgelehnt wird die sogenannte „Gender-Ideologie“: 

»Conservative parties strongley reject the many demands of identity policy, gender ideology, the woke movment, including newer trends like cancel culture, viewing them as threats to individual Freedom”

Übersetzt bedeutet das: „Konservative Parteien lehnen die vielen Forderungen der Identitätspolitik, der Gender-Ideologie, der Woke-Bewegung, einschließlich neuerer Trends wie der Cancel Culture, entschieden ab und betrachten sie als Bedrohung der individuellen Freiheit. 

Gemeinsamkeiten gibt es auch beim Thema „Cancel Culture“. Ungarische und deutsche Teilnehmer berichten von vermeintlicher Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Auf der Bühne war Lukas Honemann vom Ring christlicher Studenten im Gespräch mit Frank Furedi, dem Chef der Brüsseler Niederlassung der ungarischen Denkfabrik MCC. Honemann erzählte von seinem ehemaligen Geschichtsprofessor, der sich aus Angst vor öffentlicher Empörung zu bestimmten Themen nicht mehr äußere. Stattdessen akzeptiere er den „Status Quo“:  

Von links nach rechts: Lukas Honemann (Bundesvorstand, Ring Christlich-Demokratischer Studenten), Peter Hoeres (Professor für neueste Geschichte, Universität Würzburg), Frank Furedi (Direktor, MCC Brüssel) (Quelle: Mitschnitt der Konferenz)

 

Sein Gesprächspartner Frank Furedi vom ungarischen MCC ging noch weiter – auf der Bühne in Berlin sagte er im Gespräch über Meinungsfreiheit auch, dass die Leugnung des Holocaust kein Verbrechen sein sollte: 

Von links nach rechts: Lukas Honemann (Bundesvorstand, Ring Christlich-Demokratischer Studenten), Peter Hoeres (Professor für neueste Geschichte, Universität Würzburg), Frank Furedi (Direktor, MCC Brüssel), Patrick J. Deneen (Politikwissenschaftler, University of Notre Dame), Sebastian Ostritsch (Autor, Die Tagespost) (Quelle: Mitschnitt der Konferenz)

 

Später sprach Honemann vom Ring christlicher Stunden gemeinsam mit Furedi vom ungarischen MCC über deutsche Parteipolitik: Honemann zeigte sich besorgt darüber, dass viele junge Menschen immer weiter nach rechts rücken würden, weil sie nur das „Thema Migration“ sehen würden:

Von links nach rechts: Lukas Honemann (Bundesvorstand, Ring Christlich-Demokratischer Studenten), Peter Hoeres (Professor für neueste Geschichte, Universität Würzburg), Frank Furedi (Direktor, MCC Brüssel), Patrick J. Deneen (Politikwissenschaftler, University of Notre Dame), Sebastian Ostritsch (Autor, Die Tagespost) (Quelle: Mitschnitt der Konferenz)

 

Beim Abendessen, bei dem CORRECTIV anwesend war, zeigte Furedi klare Sympathien für die AfD. Die CDU hingegen sei ihm eigentlich momentan noch zu wenig rechts ausgerichtet. Trotzdem scheinen die ungarischen Denkfabriken sich dafür entschieden zu haben, den Fokus auf die Partei mit den größten Chancen auf Regierungsbildung zu legen. 

In der Außenpolitik geht ein CSU-Abgeordneter auf Konfrontation

Doch nicht in allen Punkten stimmten die Vertreter aus Ungarn und die CSUler überein. Auf dem Podium zu dem Thema „Strategische Autonomie und transatlantische Zusammenarbeit“ diskutierten CSU-Politiker Thomas Silberhorn und Bence Bauer, Direktor des deutsch-ungarischen Instituts, einer der Veranstalter. Bauer machte sich für eine liberale Wirtschaftspolitik mit Russland und China stark. Thomas Silberhorn, der auch transatlantischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ist, sagte, dass man im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine den „imperialen Ansatz“ von Russland sehe. Er warnte deshalb wiederholt vor einer Annäherung an Russland: 

Von links nach rechts: Armin Petschner-Multari (Geschäftsführer, The Republic), Gladden Pappin (Hungarian Institute of International Affairs), Bence Bauer (Direktor, Deutsch-Ungarisches Institut für Europa), Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestags, CDU/CSU) (Quelle: Mitschnitt der Konferenz) 


Auf Anfrage von CORRECTIV betont Thomas Silberhorn, dass er für eine klare Westbindung Deutschlands und der EU stehe. Orbáns Konzept der „Konnektivität“ für die EU, ebenso wie die „fragwürdige Appeasement-Position“ im Krieg Russlands gegen die Ukraine, lehne er ab. An der Konferenz in Berlin habe Silberhorn teilgenommen, weil er es für „sinnvoll und notwendig“ halte, mit Ungarn im Gespräch zu bleiben, und die „offensichtliche Spaltung innerhalb der EU nicht durch gegenseitige Geringschätzung weiter zu vertiefen“. 

Trump und Orbán hätten „Vorbildcharakter“, sagt Chef einer CDU-nahen Denkfabrik

Einige Wochen nach der Konferenz im Oktober wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Die Vernetzung rechtskonservativer Denkfabriken wird dadurch gestärkt. Sowohl die Meinungsmacher aus Ungarn als auch die deutsche Denkfabrik The Republic kooperierten auch schon mit der Heritage Foundation – jener US-amerikanischen Denkfabrik also, die das Project 2025 für Trumps Regierungszeit geschrieben hat.

Armin Petschner-Multari, der Chef von The Republic, schreibt auf Anfrage von CORRECTIV, dass der Westen in den nächsten Jahren „eine gewaltige Transformation erleben“ werde. Die USA und Ungarn seien hierbei im Bereich systemischer Fragen „zentrale Player“, deren Perspektiven in Deutschland stärker wahrgenommen werden müssten. Gerade bei der Migrationspolitik hätten „die Ansätze von Donald Trump und Viktor Orbán beispielsweise durchaus Vorbildcharakter“. 

Auf die Frage von CORRECTIV, ob The Republic als Vermittler für die ungarischen Denkfabriken zur CDU fungiere, antwortet Petschner-Multari, dass er als politischer Akteur gerne „seine vorhandenen Kontakte in alle Richtungen“ nutze. So, schreibt Petschner-Multari, komme er seiner „staatsbürgerlichen Verantwortung nach“. 

Text und Recherche: Marcus Bensmann, Elena Kolb
Redaktion: Justus von Daniels
Faktencheck: Marie Bröckling
Design: Ivo Mayr
Kommunikation: Luise Lange-Letellier, Esther Ecke