Faktencheck

Keine Belege, dass diese Mars-Verpackung jemals im Meer war

In den sozialen Netzwerken kursieren Bilder einer angeblich mehr als 33 Jahre alten Verpackung eines Schokoriegels, welche kürzlich an einen Strand gespült worden sei. Sie zeigt zwar das Logo des Riegels aus den 80er Jahren, jedoch lässt sich nicht überprüfen, ob sie jemals im Meer war.

von Hüdaverdi Güngör

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Es gibt keine Belege dafür, dass diese Verpackung kürzlich an einen Strand gespült wurde. (Foto: Beach Guardian / Instagram; Collage: CORRECTIV)
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Keine Belege: Die Urheber des Fotos haben nie behauptet, dass die Verpackung an den Strand gespült wurde. Tatsächlich wurde sie im Sand einer Düne gefunden.

Die Facebook-Seite „Train Hard Vienna by Melissa“ veröffentlichte am 24. Juni eine Text-Bild-Collage. Auf dem Text über den Bildern ist zu lesen: „Wer bei dieser kürzlich am Strand angespülten Verpackung denkt, wir hätten kein Problem mit Plastik, sollte seine Lebenseinstellung überdenken! Abgelaufen am am 27.09.1986!! Bitte ganz oft teilen“ Auf den Bildern ist eine Verpackung der Schokoriegel-Marke„Mars“ zu sehen. Auch erkennt man das im Beitrag erwähnte Haltbarkeitsdatum und einen Strand im Hintergrund. Der Beitrag wurde über 13.000 Mal geteilt. Wir haben recherchiert, woher das Bild stammt. 

Der Beitrag wurde mehr als 13000 mal geteilt. (Screenshot: CORRECTIV)

Ist die Verpackung echt?

Wir haben die Fotos aus der Behauptung der MARS GmbH in Deutschland vorgelegt. Auf Nachfrage wollte MARS die Echtheit der Verpackung nicht bestätigen, weil die Fotos die Verpackung nur Ansatzweise zeigen würden. Trotzdem haben wir die Logos der Marke verglichen. Zumindestens wurde das Logo auf der Verpackung auch in den 80’er Jahren verwendet. Mittlerweile nutzt MARS ein anderes Logo. 

Oben: Das Logo aus der Behauptung, Screenshot: CORRECTIV. Mitte: Logo von Mars aus den 80’ern, Quelle: CNBC. Unten: Das aktuelle Logo des Schokoriegels, Quelle:Kirschblut  via Wikimedia Commons

Bild stammt von einer Umweltschutzorganisation

Wir haben die Bilder der Verpackung durch die Google-Bilder-Rückwärtssuche laufen lassen und haben die Urheberin des Fotos gefunden. Laut eines am 10. Mai von Cornwalllive veröffentlichten Artikels hat Emily Stevenson das Foto gemacht. Stevenson säubert regelmäßig mit ihrer Organisation Beach Guardian (deutsch: Strandwächter) verschiedene Strände. Ihre Funde präsentieren die Umweltschützer regelmäßig auf Facebook und Instagram. 

Auszug der Bilder auf dem Instagram-Account von Beach Guardian. (Screenshot: CORRECTIV)

Bereits am 9. Mai veröffentlichte die Organisation die Fotos der Schokoriegel-Verpackung auf ihrem Instagram-Account. Allerdings ohne den deutschen Text. Im Beitrag zu den Bildern schreibt die Organisation unter anderem: „I found this #MarsBar wrapper from 1986 on a beach in #NorthCornwall this week…“ (Deutsch: Ich habe diese Mars-Verpackung von 1986 diese Woche an einem Strand in North Cornwall gefunden)

Bereits am 9. Mai veröffentlichte Beach Guardian auf Instagram beide Fotos. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Verpackung wurde also an einem Strand in England gefunden. Die Organisation Beach Guardian konkretisiert in den Kommentaren die Umstände des Fundes: „We find old packaging on this beach all the time. This beach has some of the biggest sand dunes in Cornwall. When they break down, the packets come out!“ (Deutsch: „Wir finden an diesem Strand immer wieder alte Verpackungen. Dieser Strand hat einige der größten Sanddünen Cornwalls. Wenn sie zusammenbrechen, kommen die Verpackungen heraus!“) 

Auf Nachfrage eines Nutzers konkretisiert Beach Guardian die Umstände des Fundes. (Screenshot: CORRECTIV)

Keine Belege dafür, dass die Verpackung im Meer war

Anders als in der deutschen Behauptung wird jedoch nicht erwähnt, dass die Verpackung kürzlich aus dem Meer an den Strand gespült worden sei. Wir haben die Text-Bild-Collage Dr. Ulrike Braun von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung vorgelegt und um eine Einschätzung gebeten. In einer Mail an CORRECTIV schreibt Braun: „Eine Bewertung des Materials anhand eines Bildes ist natürlich aus wissenschaftlicher Sicht nicht möglich, insbesondere auch nicht deshalb, weil ich nicht weiß, welches Material eine Mars Verpackung ist. Persönlich halte ich es aber für unwahrscheinlich, dass die Verpackung über 20-30 Jahre einer Beanspruchung in der Umwelt, inklusive UV, Wasser und Wärme, ausgesetzt war.

Die vollständige Antwort von Dr. Ulrike Braun. (Screenshot: CORRECTIV)

Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe e.V. schreibt in einer Einschätzung für CORRECTIV: „Angenommen, die Verpackung und das Ablaufdatum sind echt, dann muss es zunächst für etwa 30 Jahre in einer sehr konservierenden Umgebung gelagert gewesen sein und erst kurz vor dem Foto an den Strand gelangt sein.“

Die vollständige Antwort von Philipp Sommer. (Screenshot: CORRECTIV)

Auch ein Facebook-Nutzer stellt in den Kommentaren unter dem Instagram-Beitrag von Beach Guardian die Echtheit des Bildes infrage: „… all I am seeing here is a wrapper from 1986 & no proof of where it came from either…“ (Deutsch: „… alles, was ich sehe, ist eine Verpackung von 1986 und keinen Beweis dafür, woher sie kommt…“)

Ein Nutzer stellt die Echtheit des Fotos infrage. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Organisation verweist in ihrer Antwort auf ein Video, das den Fund zeigen soll. Auf dem Video (ab Minute 5:35) ist zu sehen, wie die Verpackung aus einem Gebüsch am Strand herausgeholt wird. Auch soll die Verpackung jahrelang unter dem Sand gelegen haben; sie sei erst durch die Erosion der Dünen zum Vorschein gekommen.

Anders als in der deutschen Text-Bild-Collage behaupten die Urheber der Fotos also nicht, dass die Verpackung kürzlich an den Strand gespült wurde. Tatsächlich wurde die Verpackung im Sand am Strand gefunden.

Beach Guardian bestätigt Fund im Sand

In einer Mail an CORRECTIV bestätigt Beach Guardian, dass die Verpackung nicht im Meer, sondern im Sand gefunden wurde und vermutet: „This Mars bar wrapper must have been dropped by someone having a picnic on a beach in 1985 or 1986. It would have blown into the sand dunes and was covered by sand where it could have stayed preserved probably in definitely…“ (Deutsch: „Diese Mars-Verpackung muss von jemandem fallen gelassen worden sein, der 1985 oder 1986 ein Picknick an dem Strand machte. Es könnte vom Wind in die Sanddünen geblasen worden sein und war mit Sand bedeckt, wo er wahrscheinlich in diesem Zustand erhalten blieb.“)

Die vollständige Stellungnahme von Beach Guardian. (Screenshot: CORRECTIV)

Kein Grund zur Entwarnung vor Plastik im Meer 

Trotzdem gibt der Fundort der Verpackung keine Entwarnung für die Gefahr von Plastik im Meer. Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe weist in seiner Antwort darauf hin, dass die Zersetzung von Plastikmüll im Meer Jahre bis Jahrzehnte dauern kann.