In eigener Sache

CORRECTIV und Spiegel erwirken Waffengleichheit für Medien vor Gericht

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Medien angehört werden müssen, bevor eine Klage gegen sie anlaufen kann.

von Anna Mayr

verfassungsgericht
Uli Deck / POOL / AFP

Waffengleichheit – das klingt nach einem Ehrenkodex bei Duellen im Wilden Westen. Das Wort steht aber auch im Gesetzbuch: Bei einem Gerichtsverfahren müssen die zwei Parteien, die sich streiten, Waffengleichheit besitzen. Niemand darf bevorzugt oder benachteiligt werden. Heute, am 26. Oktober, beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass auch Medien vor Gericht nicht mehr benachteiligt sein dürfen. Bis jetzt war das nämlich so.

Bisher konnten Personen und Firmen, die meinten, dass in einem Artikel ihre Rechte verletzt werden, bei Gericht einen Antrag stellen: auf eine einstweilige Verfügung gegen das Medium, das den Artikel veröffentlichte. Wenn das Gericht den Antrag bewilligte, bekamen die Medien einen Brief. Manchmal stand in diesen Briefen keine ausführliche Begründung, sondern lediglich der Hinweis, jemand fühle sich „in seinen Rechten verletzt“.  Danach ging die Sache üblicherweise vor Gericht, in Berufungsverfahren, die bis zu zwei Jahre dauern können. Erst dort konnten die Journalisten und Verlage sich rechtfertigen.

„Ab jetzt müssen die Gerichte die Medien vor dem Erlass einer einstweiligen Verfügung anhören“, sagt Thorsten Feldmann, Rechtsanwalt von CORRECTIV. Und die Gerichte müssen Medien informieren, wenn sie einem Antragssteller Hinweise geben oder mit ihm sprechen. „Das bedeutet Waffengleichheit, weil alle Parteien die gleichen Informationen bekommen“, sagt Feldmann.

Medien können jetzt zeigen, dass die Recherche legal ablief

Konkret ging es bei der Recherche von CORRECTIV um Protokolle aus Sitzungen der Firma Ferrostaal, eine Geschichte unseres Reporters Frederik Richter. Die Argumentation von Ferrostaal vor dem Landgericht in Köln: CORRECTIV habe die Aufzeichnungen aus den Sitzungen illegal bekommen, etwa durch Diebstahl oder Erpressung. Das Gericht gab CORRECTIV nicht die Möglichkeit, sich dazu zu äußern.

Auch das Magazin Spiegel hatte eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Der Spiegel hatte über die Steuertricks eines Fernsehmoderators berichtet. Der Moderator stellte drei Anträge auf eine einstweilige Verfügung gegen das Magazin. Das Gericht wies alle Anträge ab – aber den Journalisten sagte man von der ganzen Sache nichts. Erst, als der vierte Antrag erfolgreich war, und sie direkt zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet wurden.

In Zukunft müssen Gerichte den Medienhäusern sagen, wenn gegen sie Beschwerden vorliegen. Dann haben sie eine Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. „So sollten Zivilprozesse sein”, sagt Thorsten Feldmann. Die Verfahren würden auch „ökonomischer”, weil sich einige Fälle direkt bei der ersten Anhörung klären könnten.