Ein kurzer Rückblick auf das Jahr 2018
Wir hatten ein aufregendes Jahr. CORRECTIV konnte in mehreren großen Recherchen Missstände in unserer Gesellschaft aufdecken und Veränderungen anstoßen.
Die CumEx Files
Für großes Aufsehen sorgten die CumEx Files. CORRECTIV baute ein Netzwerk aus 19 Redaktionen auf und koordinierte über ein Jahr eine grenzüberschreitende Recherche in zwölf Ländern. Gemeinsam deckten wir auf, wie Banker, Anwälte und Investoren mindestens 55 Mrd. Euro Europas Staatskassen raubten. Steuergelder, die unserer Gesellschaft zu Gute kommen sollten, ob für Kitas, Krankenhäuser oder Bildungseinrichtungen.
In Folge der Recherchen diskutierte Deutschland über Verflechtungen von bekannten Politikern mit der Finanzindustrie und mögliche Fehler der Politik. Das Europa-Parlament beschäftigte sich mehrfach damit, hörte unseren Chefredakteur an und beauftragte schließlich die europäischen Finanzaufsichtsbehörden, die Systeme von Steuerdiebstahl und Steuerumgehung zu untersuchen. Die EU-Kommission soll eine europäische Finanzpolizei aufbauen. Auch das französische Parlament startete eine Untersuchung zu Cum Ex.
Wir stoßen Debatten für ein demokratisches, funktionierendes Europa an. Damit Bürgerinnen und Bürger dafür Sorge tragen können, dass in Deutschland und Europa der Rechtsstaat für ihre Interessen eintritt.
Wenn der Kapitalmarkt grenzenlos ist, muss es unser Journalismus auch sein.
Auf unser Projektseite cumex-files.com finden Sie ganze Geschichte, alle Veröffentlichungen, Making-ofs und ein 70-minütiges Interview mit dem Insider.
Black Sites Turkey
Der türkische Geheimdienst betreibt ein weltweites Entführungsprogramm, dass sich gegen Anhänger der Gülen-Bewegung richtet. Gemeinsam mit acht Medien aus Europa und Israel deckten wir das ganze Ausmaß des Programms auf. Außerdem recherchierten wir exklusiv Hinweise, dass die Türkei darüber hinaus geheime Folterstätten im eigenen Land betreiben soll. Die Recherche fand ein großes Echo in der deutschen Politik. Die regierungsnahe Presse in der Türkei startete eine tagelange Kampagne gegen CORRECTIV. Besonders die Zusammenarbeit von mehreren Medien in dieser Recherche löste die heftigen Reaktionen aus. Das zeigt uns: gemeinsam ist man stärker. Wir werden den Weg der Kooperation weiter gehen.
#MeToo beim WDR
Im April brachte CORRECTIV zusammen mit dem stern die deutsche #MeToo-Debatte ins Rollen. Wir berichteten erstmals über sexuelle Übergriffe eines Auslandskorrespondenten beim WDR. In der Folge meldeten sich viele Frauen mit weiteren Fällen und brachten ein strukturelles Defizit im Umgang mit Machtmissbrauch bei dem Sender ans Licht. Ein Korrespondent wurde entlassen, ein weiterer freigestellt. Eine externe Prüferin durchleuchtete den Umgang des Senders mit den Vorwürfen, Intendant Tom Buhrow geriet unter Druck. Er will Führungskräfte nun stärker für das Thema sensibilisieren und hat zwei Anwaltskanzleien als externe Anlaufstellen eingerichtet.
Wir bleiben dran und nehmen Hinweise auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz weiterhin ernst.
Unsere Recherchen zu #MeToo-Fällen beim WDR lesen Sie hier.
Vergewaltigungen auf Spaniens Feldern
Sexueller Ausbeutung schutzlos ausgeliefert waren bislang marokkanische Erntehelferinnen auf andalusischen Erdbeerfeldern. Wochenlang reisten wir durch die Region und sprachen mit rund 100 Frauen. Die gemeinsame Recherchen von CORRECTIV, BuzzFeed News und dem RTL Nachtjournal haben in Spanien, wo das Thema bis dahin tabu war, eine Debatte in Gang gesetzt. Die Staatsanwaltschaft in der Region begann zu ermitteln, die nationale Justiz nahm den Faden im Sommer ebenfalls auf. In Deutschland wiederum beschloss ein großer Discounter, keine Erdbeeren mehr von dem genannten Produzenten zu kaufen. Viele Deutsche überlegen jetzt genau, von wo sie Erdbeeren kaufen.
Die Recherche wurde mit dem Otto-Brenner-Preis sowie dem Georg von Holtzbrinck-Preis ausgezeichnet.
Die ganze Recherchereihe lesen Sie hier.
“Wem gehört Hamburg?”
Um den Wohnungsmarkt transparenter zu machen, sind wir neue Wege gegangen: Wir haben Bürgerinnen und Bürger von Anfang an in eine Recherche einbezogen. Mithilfe von Hinweisen über ihre Vermieter, die über 1.000 Mieter auf unsere redaktionelle Plattform hochluden, konnten wir ca. 15.000 Wohnungen in Hamburg zuordnen. Auf Basis dieser Daten evaluierten wir zusammen mit dem Hamburger Abendblatt, wie Eigentümerstrukturen die Situation von Mietern beeinflussen.
Unsere Auswertungen der Grundstücksverkäufe der Stadt der letzten sieben Jahre warfen ein Schlaglicht darauf, wie leichtfertig Hamburg die Kontrolle über Wohnflächen aufgegeben hat. Der Senat plant daraufhin nun, Grundstücke zur Wohnbebauung seltener an Investoren zu verkaufen und häufiger in Erbpacht zu vergeben. Vergleichbare Bürgerrecherchen haben wir bereits in Berlin und Düsseldorf mit lokalen Partnern, dem Tagesspiegel und der Rheinischen Post, gestartet und werden sie 2019 auf weitere Städte ausweiten.
Mit CORRECTIV.Lokal, unserem Netzwerk für kollaborativen Lokaljournalismus, werden wir 2019 weitere Themen anstoßen, die eine nationale Bedeutung haben und gleichzeitig für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort besonders relevant sind.
Mehr Informationen finden Sie hier.
Alte Apotheke
Der Fall von Peter Stadtmann ist schwer erträglich: ein Apotheker, der über Jahre in großem Stil Krebsmedikamente panscht und so tausende Menschen um lebensrettende Arzneien bringt. Wir machten die Verbrechen der Alten Apotheke in Bottrop nicht nur öffentlich, sondern begleiteten die Menschen auch direkt vor Ort: Wir informierten Betroffene über die Situation und ihre Möglichkeiten. In einer von uns gegründeten Facebook-Gruppe mit knapp tausend Mitgliedern vernetzten sich Betroffene und Angehörige. Sie treiben Veränderungen nun selbst weiter voran. Wir berichteten über ein Jahr lang über das Verfahren gegen Stadtmann, über nötige Kontrollen und die Schwächen im Gesundheitssystem.
Die gesamte Berichterstattung zum Fall der Alten Apotheke finden Sie hier.
Campfire Festival
Mit unserem Campfire Festival tragen wir Journalismus näher an die Menschen heran. Wir wollen die Grenzen einreißen zwischen „den“ Medien und „den“ Konsumenten. Wir alle sind Teil einer Gesellschaft, in der wir gemeinsam über unsere Zukunft reden und entscheiden müssen. Bei schönstem Wetter kamen im August gut 11.000 Besucher in Düsseldorf zusammen, um Diskussionen für eine bessere Zukunft zu führen und positive Veränderung anzustoßen. Wir waren begeistert: Der direkte Austausch vor Ort funktioniert. Offen und transparent; zugänglich und freundlich – so soll auch das nächste Campfire Festival werden. Vom 30. August – 1. September 2019 kommen wir wieder auf dem Platz des Landtags zusammen.
Alle Informationen finden Sie unter campfirefestival.org.