In eigener Sache

Grand Theft Europe gewinnt den Deutsch-Französischen Journalistenpreis

Unsere Recherche #GrandTheftEurope gewinnt den Deutsch-Französischen Journalistenpreis in der Kategorie Multimedia.

von Marta Orosz

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Einmal im Monat trafen wir uns zwischen Februar und Mai 2019 mit Kolleginnen und Kollegen aus 30 europäischen Ländern in Berlin. Eigentlich war unser Büro viel zu klein für so viele Menschen, einige saßen acht Stunden lang auf einem Klappstuhl. Die Kollegen von einer dänischen Tageszeitung hatten eine achtstündige Busfahrt hinter sich: „Wir müssen, wo es nur möglich ist, umweltfreundlich reisen“, sagten sie. Ein niederländischer Kollege kam mit einem Kinderwagen – die Kinder gab er während des Treffens bei Freunden ab. Und die Reporterin aus Malta hat es zwischen zwei anderen Reisen doch geschafft nach Berlin zu kommen – und flog dann sofort zu einer weiteren Konferenz in einem anderen Land weiter.

So bunt und divers sind auch die Geschichten aus der Grand Theft Europe Recherche-Kooperation geworden. Unter der Leitung von CORRECTIV recherchierten 35 Medien in 30 europäischen Ländern zum größten laufenden Steuerbetrug in Europa: die Umsatzsteuerkarusselle. Eine relativ einfache und altbekannte Betrugsmasche, die mittlerweile auch von der organisierten Kriminalität als lukrative Investition gesehen wird. Millionenbeträge kommen direkt von europäischen Finanzämter,, die nichts ahnend nicht gezahlte Umsatzsteuer erstatten. Der Schaden für die europäischen Steuerzahler: 50 Milliarden Euro im Jahr.

Den Betrug gibt es in jedem der teilnehmenden Länder, die Interessen und Perspektiven waren jedoch unterschiedlich.

Kollegen aus Italien, Slowenien und Kroatien fanden heraus, dass in der Region Treibstoff im Karussell gedreht wurde. Medien aus Dänemark und Schweden taten sich mit Reporterinnen aus Spanien zusammen, um sich auf die Spuren von Terrorismusfinanzierung durch Umsatzsteuerkarusselle zu begeben. Die Geschichten, die wir zusammen mit Frontal21 und dem Handelsblatt recherchierten, hatten einen gemeinsamen Punkt: die Deutsche Bank, die damals in den Umsatzsteuerkarussellen auch direkt involviert war. Außerdem haben wir gezeigt, wie die Steuerkarusselle die Stahlunternehmen in Deutschland und Polen beinah zugrunde richteten.

Am 7. Mai 2019 erschien Grand Theft Europe in 30 Ländern in allen journalistischen Formaten: Als Titelstory in Tages- und Wochenzeitungen, Online-Artikelserien, Podcast, Fernseh- und Radiobeiträge, Dokus, Satireshow und ein Newsgame. Dass aus Grand Theft Europe ein Multimedia-Produkt geworden ist, ist erstens unserem IT-Team und Designern zu verdanken: Ein komplexes Thema um Steuerbetrug lässt sich am besten visuell erklären, wie auch die Größenordnung des Betrugs. Die diversen Erzählformate und technischen Umsetzungen entstanden aber auch organisch – durch die Ideen jeder einzelnen Partner-Redaktion. Die Seite grand-theft-europe.com bietet eine Übersicht für diese Geschichten und zeigt auch, die vielfältig und einfallsreich europäische Medienmacher sind.

Wir freuen uns sehr auf den Deutsch-Französischen Journalistenpreis in der Kategorie Multimedia. Für uns ist Multimedia eine Möglichkeit, Rechercheinhalte aus stets anderen Perspektiven wahrzunehmen. Es ist ein Weg, auf neue inhaltliche Fragen zu kommen und die traditionellen Veröffentlichungswege zu verbessern und zu bereichern.