Geheime Spenden: Die große Bilanz
Wir blicken auf ein dreiviertel Jahr Berichterstattung zu Parteispenden zurück und berichten über die Folgen der Recherchen.
Wir haben uns zu Beginn des Jahres ganz bewusst entschieden: Das Thema Parteispenden ist wichtig. Es wird noch zu wenig hingeschaut. Und im Wahljahr ist Transparenz besonders wichtig. Wir ahnten damals noch nicht, wie öffentlichkeitswirksam das Thema werden würde. Unser News-Ticker auf unserer Themenseite füllte sich immer mehr. In kaum einem Jahr wurde so viel über Parteispenden gesprochen wie in diesem Super-Wahljahr.
- Ausgelöst durch die Masken-Affäre wurden im Frühjahr die Rufe nach mehr Transparenz bei der Finanzierung von Abgeordneten und Parteien lauter.
- Die FDP und die Grünen erhielten die höchsten Großspenden mit jeweils mehr als drei Millionen Euro; womöglich flossen 2021 Parteispenden in rekordverdächtiger Höhe.
- Die Recherchen zu dubiosen und illegalen Parteispenden zeigen, wie unsere Demokratie mit Millionen-Zahlungen unterwandert wird.
Hier fassen wir die Höhepunkte der vergangenen Monate zusammen und ziehen Bilanz.
März: Frauke Petry über geheime Treffen der AfD-Parteispitze mit einem Milliardär
Die AfD-Spitze hat sich nach Aussage der früheren Parteichefin Frauke Petry ab 2015 mehrfach mit dem Milliardär Henning Conle getroffen. Es ging um anonyme Spenden an die Partei. Im Interview mit uns und Frontal spricht Petry erstmals exklusiv über die Treffen.
April: Antworten von 363 Bundestagsabgeordneten
Kurz bevor mehrere CDU/CSU-Politiker mit missbräuchlichen Maskendeals aufflogen, befragten wir alle aktuellen Bundestagsabgeordneten mit einer systematischen Anfrage zur Transparenz bei Spenden, die sie erhalten. Herausgekommen sind auf der einen Seite unterhaltsame Antworten (Gregor Gysi: „Gelegentlich bekomme ich eine Wurst oder eine Flasche Wein geschenkt.“) und Summen, die alle in einer Datenbank durchsuchbar sind. Auf der anderen Seite meldeten sich ausgerechnet die Politikerinnen und Politiker der Union am wenigsten zurück, die am meisten Spenden erhalten.
Welche Mitglieder des Bundestages Auskunft zu Geldspenden geben – und wer lieber schweigt
Mai: Union blockiert Transparenzreform
Seit der Maskenaffäre der Union diskutierten die Parteien über eine Reform des Parteiengesetzes. Konkrete Entwürfe lagen auf dem Tisch. Doch dann platzte eine Einigung vor den Bundestagswahlen. Wenige Wochen später sorgte ein Vorschlag von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) für Diskussion, der sich sogar für weniger Transparenz aussprach.
Reform des Parteiengesetzes geplatzt
Juli: Neue Datenbank zu Parteispenden
Rund 850 Kreisverbände der Parteien geben auf unsere Anfragen erstmals an, wie viel Spenden sie erhalten haben. In einer neuen Datenbank von CORRECTIV.Lokal sind alle Spenden durchsuchbar. Auf der unteren Politik-Ebene ist es bisher nicht verpflichtend, die Spenden aufzuschlüsseln. Allerdings zeigen sich gerade dort mögliche Abhängigkeiten. Auffällig: Von der Union und AfD schweigen fast alle.
Wie Parteispenden über Deutschland verteilt werden
Die Grünen kündigen als Reaktion auf die Recherche an, zukünftig Spenden an ihre Kreisverbände detailliert offenzulegen. Und es werden neue Vorschläge gemacht für eine Gesetzesänderung.
August: Anonym finanzierte Anti-Grünen-Kampagne sorgt für Furore
Mit einer konzertierten Schmähkampagne versuchen offenbar vermögende Hinterleute, mit viel Geld die Grünen vor der Bundestagswahl zu schädigen. Durch eine Recherche mit Bürgerinnen und Bürgern kann CORRECTIV mehr als 3.500 Plakatstandorte nachweisen und die immensen Kosten schätzen. Wenig später folgt eine weitere Anti-Grünen-Kampagne durch das Compact-Magazin, das seit dem vergangenen Jahr als rechtsextremer „Verdachtsfall“ eingestuft wird.
Es beginnt eine Diskussion um politische Außenwerbung. Sollte der Marktführer Ströer bestimmte Formen von Werbung ablehnen? Und sind Transparenzverpflichtungen notwendig, um die Finanziers solcher Kampagnen offenzulegen?
Mindestens eine halbe Million Euro aus anonymen Quellen
September: Verdacht auf illegale AfD-Spenden in Millionenhöhe
Neue Recherchen von CORRECTIV, ZDF Frontal und Spiegel zeigen, dass die AfD in weit größerem Umfang Wahlkampfhilfe von anonymen Gönnern bekommen hat als bislang bekannt. Es geht um Plakate im Wert von mehr als drei Millionen Euro, für die nun erstmals konkret gezeigt werden kann, wie die Buchungen abliefen. In internen Buchungsunterlagen für die Kampagne wird die AfD als „Direktkunde“ aufgeführt. Mehrere Ex-AfD-Politiker äußerten sich zudem über gemeinsame Absprachen zu der anonym finanzierten Wahlkampfhilfe. Der Partei könnte ein Verfahren wegen illegaler Parteispenden drohen – was Strafzahlungen in Millionenhöhe zur Folge hätte. Es wäre eines der größten Spendenskandale der Republik.
Wieder steht der Außenwerber Ströer im Fokus, weil das Unternehmen die Plakatkampagnen umsetzte. Als Folge der Recherche kündigt der Außenwerber an, sich aus der parteipolitischen Werbung in Zukunft zurückzuziehen.
AfD taucht bei Millionen-Kampagne von anonymen Spendern als „Direktkunde“ auf
Oktober: Viele offene Fragen
Noch ist offen, ob die Staatsanwaltschaft und die Bundestagsverwaltung neue Ermittlungen in der AfD-Spendenaffäre aufnehmen wird.
Unklar ist auch, wann eine Reform des Parteiengesetzes wieder angefasst wird. Verbot von Parallelaktionen, mehr Transparenz bis runter zu den Kreisverbänden, eine Obergrenze für Parteispenden: Es liegen viele Vorschläge auf dem Tisch. Unser Rechercheteam wird dran bleiben.