Fußballdoping

Dopingkontrollen bei der Wm: Die PR-Nummer

Alle Spieler werden vor der WM mindestens ein Mal getestet, hatte die FIFA angekündigt. Das ist nicht passiert. 62 Spieler wurden vor der WM nicht getestet, von diesen Spielern nahm die FIFA nach eigenen Angaben während des Turniers Nachtests. Dazu reisten die Dopingkontrollen deutlich länger, als kalkuliert. Ein positiver Test hätte gravierende Konsequenzen gehabt. Es lohnt sich genau hinzuschauen, um die Schwachstellen zu entdecken.

von Daniel Drepper , Jonathan Sachse

© Nigel Trebelin / AFP

Die FIFA verkaufte ihre Arbeit als Erfolg: 91,5 Prozent der angestrebten Proben seien genommen worden. Doch Fakt ist: 62 Spieler wurden vor dem Turnier nicht getestet. Wir hatten vor der WM dazu aufgerufen, gemeinsam die FIFA-Kontrollen zu verfolgen. Ein Blick auf die gemeinsam erstellte Tabelle zeigt, dass es in vielen Ländern Spieler gab, die bei der ersten großen Kontrolle nicht anzutreffen waren.

Aus „personlichen Gründen“ nicht zur Dopingkontrolle

Ein Fall verdeutlicht, wie einfach das Kontrollsystem der FIFA zu umgehen war: Bei Deutschlands-Finalgegner Argentinien war bei der Dopingkontrolle am 27. Mai zum Beispiel Ezequiel Lavezzi nicht vor Ort. Lavezzi soll kurz bevor die FIFA-Kontrolleure auftauchten das argentinische Trainingscamp verlassen haben, aus „persönlichen Gründen“. Argentiniens Fußball-Präsident sagte im Anschluss, er habe die Entschuldigung für Lavezzi persönilch unterzeichnet, sein Spieler habe ein persönliches Problem zu klären gehabt. Das alles habe nichts mit Doping zu tun.

Da die meisten FIFA-Kontrollen vor Turnierbeginn noch im Mai durchgeführt wurden, verpassten zum Beispiel auch zahlreiche Spieler von Real Madrid und Atletico Madrid die Trainingskontrollen. Die FIFA nannte auf unsere Anfrage hin Mitte Juni keine Namen, antwortete aber: „In accordance with FIFA anti-doping regulations, the remaining players can and will be tested at any time during the competition“.

Keine überraschende Kontrolle für 62 Spieler

Wenige Tage später gab die FIFA auf einer Pressekonferenz am 7. Juli bekannt, dass die 62 fehlenden Spieler mittlerweile nachgetestet worden seien. Ob dies wirklich geschah und welche Spieler alles betroffen gewesen sind, können wir nicht sagen. Sicher ist, dass fünf Spieler von Costa Rica im Vorfeld der WM nicht getestet wurden. Die FIFA holte diese Tests nach dem Vorrundenspiel gegen Italien nach und bat neben zwei regulär ausgelosten Spielern fünf weitere Teammitglieder zu einer gezielten Kontrolle. Diese Tests hat die FIFA als Trainings-Kontrolle kommuniziert, sie waren faktisch aber eine berechenbare Wettkampf-Kontrolle. Damit wurden offenbar zumindest einige der 62 Spieler, die sich der einzigen Trainingskontrolle vor der WM entzogen haben, im Anschluss von der FIFA nicht mehr im Training überrascht. Für sie war es ein Kontrollsystem ohne Überraschungseffekt, es gab für sie keine unangekündigten Kontrollen abseits der Spiele.

Wir haben alle 23 Nationalmannschaften konfrontiert, bei denen laut unserer Auswertung eine Möglichkeit besteht, dass Spieler vor Turnierbeginn nicht von der FIFA kontrolliert wurden. Wir wollten wissen, ob das der Fall war und falls ja, welche Spieler das betraf und ob diese Spieler während der WM nachgetestet wurden. Mit Australien meldete sich nur eine einzige Nation zurück: „All members of our 30 man provisional squad were tested before we departed Australia and we have had regular testing after every match. Outside that it’s not appropriate to discuss individuals.“

Dopingtransport noch länger als erwartet

Die untersuchten Urin- und Blutproben der 674 WM-Spieler, die vor Turnierstart getestet wurden, waren übrigens alle negativ. Ebenso waren Proben bis zum Halbfinale negativ, die während der WM aus den Spielstätten unter Zeitdruck nach Lausanne transportiert wurden. Ein Glücksfall für die FIFA: Hätte es eine positive Probe gegeben, wäre die rechtzeitige Auswertung bis zum nächsten Spiel extrem schwierig gewesen. Wir hatten die Transportwege und -zeiten vor der WM detailliert aufgeschlüsselt.

Zum Transport der Proben äußerten sich die beiden FIFA-Mediziner Jiri Dvorak und Michel D’Hooghe am 7. Juli mit interessanten Details: Im Schnitt seien die Proben 37 Stunden lang unterwegs gewesen. Das ist sogar noch deutlich länger, als von uns kalkuliert. Schon bei unserer Rechnung mit einer Transportzeiten von etwa 24 Stunden wäre es kaum möglich gewesen, nach einer positiven Probe vor dem nächsten Anpfiff ein finales Ergebnis vorliegen zu haben.

Die FIFA hat erneut eine WM ohne Dopingfall abgeschlossen – vorausgesetzt das Finale birgt nicht noch eine Überraschung. Seit 1994 hat es keinen Dopingfall mehr bei einer WM gegeben. Immer mehr Menschen halten diese weiße Weste für zu rein. Darunter auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière. „Es fällt auf, dass es keine positiven Dopingfälle gibt – trotz der Hitze, trotz des begeisternden Fußballs. Schon die Wahrscheinlichkeit und die Analogie zu großen Sportereignissen spricht dagegen.“