TTIP

Industrie sichert sich TTIP-Einfluss

Ein Lobbytreffen bei der EU vor vier Jahren zahlt sich für die Industrie jetzt aus. Laut eines neuen EU-Vorschlages sollen bei TTIP bestimmte Gremien entstehen, die der Industrie mehr Einfluss auf Gesetze verschaffen könnten. Die EU erfüllt damit die Wünsche der Wirtschaft.

von Justus von Daniels

© Ivo Mayr

Für die Industrie ist schon seit Jahren klar, was TTIP bringen soll: Einen direkteren Zugang zur Macht. Einen stärkeren Einfluss auf neue Gesetze. Unternehmen wollen zukünftig ihre Wünsche leichter an die entscheidenden Beamten richten. Das könnte nun Wirklichkeit werden. Um in Zukunft Gesetze besser mit den USA abzustimmen, wollen die TTIP-Verhandler für einzelne Wirtschaftsbereiche eigene Arbeitsgruppen einrichten – mit Zugang für interessierte Unternehmen. Das hatte der mächtigste Industrieverband in Europa der EU-Kommission im Jahr 2012 vorgeschlagen. Verbraucherschützer warnen nun, dass zu viele TTIP-Gremien entstehen, die vor allem der Industrielobby nützen würden.

TTIP steht unter Druck. Bis Ende des Jahres müssen sich die Verhandler über die wichtigsten Themen einigen. Umstritten sind unter anderem die geplanten Ausschüsse, in denen die Behörden der USA und der EU zukünftig neue Gesetze abstimmen sollen. Umwelt- und Verbraucherschützer befürchten, dass es in Zukunft schwieriger werde, höhere Schutzstandards durchzusetzen. Der neue EU-Vorschlag kommt deshalb zu einem brisanten Zeitpunkt.

Industrie wollte Sonderstellung

Noch vor Beginn der Verhandlungen im Jahr 2012 hatte der größte europäische Industrieverband Business Europe bei einem internen Treffen mit der EU-Kommission eine Sonderstellung für die Wirtschaft gefordert. Auch der Bund der Deutschen Industrie (BDI) ist in Business Europe organisiert. Ein Protokoll dieses geheimen Treffens hatte die TTIP-kritische Organisation Corporate Europe Observatory von der EU-Kommission besorgt. Wörtlich heißt es in dem Protokoll dieses Treffens vom 8. November 2012, dass die Industrieverbände bei der Vereinheitlichung von Standards „eine formale und bevorzugte Beraterstellung bekommen sollen.“ Das wäre nichts anderes als eine Vorzugsbehandlung der Industrie, um Gesetze direkt beeinflussen zu können.

Protokoll über das Treffen der europäischen und US-Industrievertreter bei der EU-Kommission:

Die EU-Kommission hatte bei dem Treffen im November 2012 einen solchen Sonderzugang zunächst zurückgewiesen. Es gebe keinen Vorzug für bestimmte Interessengruppen. Aber die Kommission kam den Wünschen entgegen. Es soll, so steht es im Protokoll, eine „Übereinstimmung“ darüber gegeben haben, dass eine beratende Rolle „leichter in einzelnen Sektoren einzurichten“ sei.

EU stimmt Beratung durch Wirtschaft zu

Den aktuellen Plänen der EU-Kommission zufolge soll nun, fast vier Jahre später, offenbar genau das passieren. Die Kommission will Arbeitsgruppen für einzelne Wirtschaftssektoren einrichten, jeweils bestückt mit Beamten der USA und der EU. Diese sollen – so heißt es wörtlich – auch „Vorschläge von Interessengruppen bewerten“. Darauf hatte sich der größte Industrieverband vier Jahre zuvor mit der EU geeinigt, nachdem er mit seiner Forderung nach einer Privilegierung abgeblitzt war.

Im Vorschlag der EU finden sich die Arbeitsgruppen auf Seite 4:

Grundsätzlich sind solche Arbeitsgruppen nicht ungewöhnlich, diese gibt es auch in anderen Handelsabkommen der EU. In diesen Ausschüssen sitzen in der Regel Fachexperten, die regelmäßig überprüfen, ob die Vereinbarungen des Abkommens in bestimmten Industriezweigen wie Autobau, Pharma oder Chemie auch eingehalten werden.

Neu ist bei TTIP aber der explizite Zusatz, dass Lobbygruppen ihre Wünsche direkt an diese Arbeitsgruppen richten können. Im Unterschied zu früheren Abkommen hätten diese Gremien bei TTIP zudem mehr Gewicht, da dort explizit auch neue Gesetze geplant werden sollen.

Gremiendickicht

Prinzipiell kann sich nach dem Vorschlag der EU-Kommission jede Gruppe an die Fachleute wenden – nicht nur die Industrie. In der Praxis, so befürchten Verbraucherschützer, sind diese direkten Zugänge eher ein Vorteil für Industrievertreter. Der Bund der deutschen Verbraucherzentralen (vzbv) begrüßt es grundsätzlich, dass sich neben den Handelsexperten auch Fachleute austauschen sollen. Aber: „Die Pläne zur Zusammenarbeit in TTIP wachsen sich zu einem undurchschaubaren System aus“, sagt Linn Selle, Handelsreferentin beim vzbv.

Die EU hat für TTIP insgesamt drei eigene Kapitel vorgeschlagen, in denen die Einrichtung von Ober- und Untergremien besprochen wird – sowie die Einbeziehung von Interessengruppen. „Es ist nicht klar, wer in diesen Gremien sitzen soll, wie weit ihre Entscheidungsgewalt reicht und welche Gremien wichtiger sind als andere“, so Selle. Sie befürchtet, dass Macht und Geld der Industrie die Interessen der Bürger ausbremsen. „Wenn Vorschläge gleichzeitig an mehrere Gremien gerichtet werden, können die Fachleute leicht von den Handelsbeamten übertrumpft werden, denen die Liberalisierung über alles geht“, sagt die Verbraucherschützerin.

Die EU hat ihre Pläne für diese Gremien nun den US-Verhandlern übermittelt. Ob die Amerikaner damit einverstanden sind, ist bislang nicht bekannt.

 

Mehr zum Hintergrund zu der gemeinsamen Planung von Gesetzen findet Ihr hier

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