Der reiche Libanese, die Rüstungsindustrie und die SPD
Ein arabischer Geschäftsmann mit Luxusimmobilien in Berlin sollte deutschen Rüstungsfirmen bei der Beschaffung von Aufträgen helfen. Zugleich unterhielt er enge Beziehungen zu mehreren SPD-Größen. Eine gemeinsame Recherche mit dem „stern“.
Er gilt als begnadeter Netzwerker und Strippenzieher und als vermögend dazu. Von seinem Berliner Büro im sechsten Stock über dem Pariser Platz blickte man direkt auf das Hotel Adlon und das Brandenburger Tor. Zu seinen guten Bekannten zählen SPD-Granden wie Gerhard Schröder, Otto Schily und Bodo Hombach.
Nur in der deutschen Öffentlichkeit ist sein Name kaum jemand ein Begriff: Ahmad El Husseini, 66 Jahre alt, gebürtiger Libanese, aber mit Wohnimmobilien auf mehreren Kontinenten dieses Erdballs. Schritt für Schritt hat er in den vergangenen Monaten seine Zelte in Deutschland abgebrochen. Das Büro am Pariser Platz: Verlassen. Seine Berliner Beratungsfirma Commodore Consult: aufgelöst. Die Rechte an der Berliner Luxuswohnung am Potsdamer Platz: An die Ehefrau in London übertragen.
Einige fürchten nun bestimmt, dass er seine Geheimnisse mit sich nimmt – und einige werden womöglich darauf hoffen, dass er sie für immer für sich behält.
Zum Beispiel über heikle Rüstungsgeschäfte zwischen deutschen Konzernen und Militärs im Nahen Osten. Wiederholt wurde El Husseini zur Anbahnung solcher Aufträge angeheuert – das ergaben gemeinsamen Recherchen des Magazin „stern“ und CORRECTIV. Bis zum Sommer diesen Jahres soll der lange mit El Husseini verbundene arabische Baukonzern Commodore Contracting in Abu Dhabi sogar mit der größten deutschen Waffenschmiede zusammengearbeitet haben, dem Rheinmetall-Konzern in Düsseldorf.
Sowohl Rheinmetall wie Husseini ließen Fragen dazu unbeantwortet. Aber sicher ist: Man kennt sich. Rheinmetall-Chef Armin Papperger wird ein freundschaftlich-vertrautes Verhältnis mit El Husseini nachgesagt. Einer der vier Söhne des Libanesen, damals 22 Jahre jung, durfte laut eines Lebenslaufs ab August 2013 zwei Jahre lang in der Düsseldorfer Firmenzentrale von Rheinmetall das Geschäft kennenlernen und sich um das Thema „Business Development“ kümmern.
Eine Drehtür und dubiose Deals
Ausweislich ihrer auf Karriereportalen veröffentlichten Lebensläufe wechselten wiederholt Beschäftigte zwischen Jobs bei Rheinmetall-Firmen und bei Commodore die Seiten. Als gebe es da eine Art Drehtür war etwa ein deutscher Manager erst jahrelang Vize-Präsident einer Rheinmetall-Tochter in Düsseldorf und gleich anschließend Finanzchef der Commodore-Gruppe in Abu Dhabi. Die ist eigentlich vor allem dafür bekannt, Bürotürme und Wohnanlagen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und den Nachbarstaaten hochzuziehen.
Sicher ist auch: Ein anderes deutsches Rüstungskonsortium schloss laut internen Unterlagen definitiv einen dubios erscheinenden Deal mit einer Commodore-Firma. Sie und El Husseini persönlich sollten ab Mai 2007 einem Gemeinschaftsunternehmen zwischen Thyssenkrupp und dem Industriedienstleister Ferrostaal helfen, U-Boote an die Regierung von Algerien zu verkaufen.
Prüfern einer Anwaltskanzlei kam es schon damals rätselhaft vor, was ein Baukonzern aus Abu Dhabi beim U-Boot-Verkauf im neun Flugstunden entfernten Algerien bewirken sollte. Warum „der nicht gebietsansässige Vertriebspartner“ hier helfen könne, „erschließt sich nicht aus den Prüfungsunterlagen“, bemängelten die Auditoren. Der Chef der Partnerfirma – also Ahmad El Husseini – sei angeblich „zur Leistungserbringung qualifiziert“, weil er „gute Beziehungen zu einem Berater des algerischen Präsidenten“ pflege, notierten sie.
Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten sollte Ahmad El Husseini beim Verkauf von U-Booten helfen – und dafür eine Provision von fünf Prozent kassieren. Einer der Mitarbeiter des Konsortiums erzählte den Prüfern, Commodore verfüge dort über „exzellente politische und geschäftliche Kontakte“ und vertrete zahlreiche deutsche DAX-Konzerne. El Husseini sei mit den Regierenden in den Emiraten lange „gut vernetzt“ gewesen – das bestätigt auch ein langjähriger Freund, der ehemalige deutsche Botschafter in Abu Dhabi, Jürgen Steltzer.
Seit 2009 plagten deutsche Staatsanwälte den Anlagenbauer Ferrostaal mit Korruptionsermittlungen, auch wegen des Vertriebs von U-Booten etwa nach Griechenland. Ein damaliger Großaktionär von Ferrostaal, ein Staatsfonds aus Abu Dhabi, wollte seine Anteile darum loswerden. Nun sprang der findige Ahmad El Husseini ein und übernahm indirekt 25 Prozent des Konzerns.
Anfang Dezember 2011 war das Geschäft besiegelt. Am Rande einer Aufsichtsratssitzung in Essen unterhielten sich die Firmenlenker über den neuen Großaktionär aus Arabien. Der sei ja sehr eng an einigen SPD-Größen dran. Laut Tonbandmitschnitten fielen die Namen Gerhard Schröder, Otto Schily und Bodo Hombach. Das also sollte nach dieser Lesart der neue Eigentümer sein: ein Geschäftsmann aus dem Umfeld der SPD.
Jahrzehntelange Kontakte in die SPD
Tatsächlich reichen seine Kontakte in die Sozialdemokratie lange zurück. Dem libanesischen Geschäftsmann würden „gute persönliche Beziehungen“ zu Gerhard Schröder zugeschrieben, hielt ein Mann der Firma Control Risks bereits vor zehn Jahren in einem Prüfbericht fest. Zehn Jahre zuvor ließ sich die landeseigene „Gesellschaft für Wirtschaftsförderung“ von Nordrhein-Westfalen mit El Husseini ein. Die damals SPD-geführte Landesregierung war der Meinung, die Gesellschaft brauche ein Büro im Libanon. Und bestallte niemand anders als Ahmad El Husseini als lokalen Vertreter in Beirut.
Zu denjenigen, die ihn empfahlen, gehörte seinerzeit Bodo Hombach – später Kanzleramtsminister und Chef der WAZ-Gruppe, damals Geschäftsführer bei dem Industriekonzern Preussag und einflussreicher SPD-Landtagsabgeordneter in Düsseldorf. Er habe El Husseini „im Handelsgeschäft mit Baustahl als seriösen Partner kennengelernt“, sagt Hombach heute.
Doch kurz nachdem Bodo Hombach Ende 1998 von Gerhard Schröder als Kanzleramtschef nach Bonn geholt worden war, befand das Land die Beiruter Vertretung als unnötig und stellte die Zusammenarbeit wieder ein.
Ein stiller Käufer
Dafür half El Husseini seinem Freund Bodo wenig später, eine für ihn unangenehme Affäre zu beerdigen. Im August 1999 hatte der stern herausgefunden, dass Hombachs Mutter Miteigentümerin eines sechs Hektar großen Anwesens auf Vancouver Island vor Kanadas Westküste geworden war – zusammen mit der Lebensgefährtin eines Agenturbesitzers, dem Hombach in seiner Eigenschaft als SPD-Landesgeschäftsführer Aufträge in Millionenhöhe verschafft hatte. Doch die Geschichte verlief rasch im Sande. Man habe das gesamte Anwesen in Kanada bereits wieder „weiterverkauft“, verkündete der Agenturchef schon im August 1999.
Was bis heute unerwähnt blieb, war der Name des Käufers. Es war Ahmad El Husseini. Sogleich überließ der arabische Freund Hombach das Anwesen zur Miete – und das auf Lebenszeit. Der ehemalige Chef der WAZ-Mediengruppe fährt nach eigenen Angaben einmal im Jahr hin. El Husseini selbst hingegen war offenbar nur ein einziges mal vor Ort. Er profitiere als Besitzer ja von der Wertsteigerung, sagt Hombach. „Der von mir beigebrachte und beizubringende Betrag ist keineswegs gering“, versichert Hombach.
„Herr El Husseini hat viele Immobilien und Grundbesitz weltweit“, weiß Hombach auch. Von den Geschäften mit Ferrostaal oder Rheinmetall wisse er nichts, versichert der SPD-Politiker und Verlagsmanager.
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ließ Fragen von „stern“ und CORRECTIV zu seiner Beziehung zu El Husseini ganz unbeantwortet. Und Schröders seinerzeitiger Innenminister und Noch-Skatpartner Otto Schily lehnte Auskünfte über El Husseini ab, weil er für den Geschäftsmann „anwaltlich tätig“ gewesen sei.
Keine „Sonderaufgaben“ mehr?
Zumindest bei der Ferrostaal-Mutter MPC stieg El Husseinis Firma Commodore im September 2015 wieder aus. Auch für El Husseini läuft offenbar nicht mehr alles rund. Früher wurde sein Führungsstil bei Commodore als „hoch autokratisch“ beschrieben; er herrschte offenbar uneingeschränkt. Doch heute soll er bei der Herrscherfamilie in Abu Dhabi nicht mehr so wohl gelitten sein wie früher. Den Führungsjob bei dem Konzern musste er angeblich aufgeben, wie eben kürzlich auch das Büro am Pariser Platz.
In der Vergangenheit habe El Husseini für die in den Vereinigten Arabischen Emiraten regierenden „Sheikhs auch politische Sonderaufgaben“ wahrgenommen, sagt der Ex-Botschafter Steltzer.
Aber was waren das für Sonderaufgaben? Und warum war er für all die illustren Freunde in Deutschland so wichtig? Wie genau liefen die Geschäfte des Ahmad El Husseini in Deutschland ab? Einige würden das jetzt gerne herausfinden – jetzt, wo er offenbar geht.
Der Autor Hans-Martin Tillack ist Redakteur des Magazin „stern“.