CORRECTIV.Ruhr

Prinz von Lug und Trug

Gisbert Klingenberg ist zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Und treibt vom Ruhrgebiet aus weiter sein Unwesen.

von Frederik Richter

Die Fassade des Ruhr-Turms in Essen und ein Adelsschloss in Italien: Was ist echt, was ist gefälscht?© Ivo Mayr

Ein trüber Sommermorgen in Essen. Die braunen Fensterreihen des Ruhr-Turm, ehemals Hauptsitz der Ruhrgas AG, haben kein Licht zum Glitzern. Das Foyer ist so groß wie drei Schulturnhallen, in denen sich wenige Menschen verlieren. Am Empfangstresen warten drei Damen auf Besucher.

„Guten Tag, ich möchte zur Thurn und Taxis AG.“

„Ja, die sitzt hier“, sagt eine der Damen und greift zum Hörer. Meldet der Firma den Gast.

„Schön, ich möchte zu Herrn Klingenberg.“

Die Empfangsdame gibt die Rückfrage weiter, wen aus der Familie man denn sprechen möchte. Der Besucher werde abgeholt.

Einige Minuten später tritt eine junge Frau aus dem Lift. Aber nicht, um den Besucher hinauf zu geleiten zur Thurn und Taxis AG. Nein, sie erklärt: Die Firma gebe es hier nicht. Sie selbst arbeite für die Firma Aurum Ventures. Und von der Familie Klingenberg sei niemand zu sprechen. Das ist die Methode von Gisbert Klingenberg: Sich zu verstecken, hinter anderen Firmen, hinter Adelstiteln.

Gisbert Klingenberg, geboren 1953 in Lüdinghausen, Sohn eines Bergmanns. Der gelernte Maler und Lackierer macht sich Ende der 1970er zum ersten Mal selbstständig, sein Malereiunternehmen gerät aber schnell in Schieflage. Fortan steuert er seine Unternehmen aus dem Hintergrund, weil mit seinem Namen zu viele Fehlschläge und Schulden verbunden sind.

Gefälschte Unterlagen

Nachzulesen ist die Biographie von Klingenberg im Urteil des Landgerichts Dortmund vom 15. Februar 2011. Zu vier Jahren und neun Monaten verurteilt ihn das Gericht wegen Betrugs in zehn Fällen, sowie wegen Urkundenfälschung. Zwei Mal gaukelte er Opfern vor, eine Bankfinanzierung für Immobiliengeschäfte vermitteln zu können. Tatsächlich strich er jedoch einfach den Vorschuss auf die vereinbarte Provision ein, ohne je die versprochene Finanzierung zu besorgen.

Einmal versprach er Geschäftsleuten aus Kasachstan, ihnen über 200 Tonnen Waschpulver zu liefern. Kassierte den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von etwa 130.000 Euro, lieferte aber nur einen kleinen Teil der Ware. Als Klingenberg wieder einmal das Startkapital für eine seiner zahlreichen Firmengründungen nicht hatte, besorgte er zusammen mit weiteren Tätern das Geld über Konsumentenkredite im Namen seiner damaligen Lebensgefährtin. Die nötigen Bonitätsunterlagen fälschten die Betrüger.

Der ganz große Wurf ist Klingenberg dabei offenbar nie gelungen. Die Schadenssummen, die er laut dem Urteil angerichtet hat, bewegen sich normaler Weise im fünfstelligen Bereich.

Die Haftstrafe – abzüglich einer früheren Haftstrafe müsste Klingenberg noch zwei Jahre absitzen – ist nie vollstreckt worden. Mit ärztlichen Attesten erreicht er, dass ihm die Staatsanwaltschaft mehrmals Strafaufschub gewährt. Doch Klingenberg gibt keine Ruhe. Im Gegenteil – er versucht nun, die Bühne der richtig großen Geschäfte zu betreten. Und tut sich mit einem wohlklingenden Namen zusammen. Er arbeitet nun mit einem Prinzen aus dem Adelsgeschlecht Thurn und Taxis zusammen.

Sagenhafter Reichtum

Thurn und Taxis – wer kennt den Namen nicht? Das in Regensburg ansässige Adelsgeschlecht gründete einst das erste europäische Postnetz und wird seitdem mit sagenhaftem Reichtum verbunden. Mit Karl Friedrich Prinz von Thurn und Taxis will die Familie jedoch nichts zu tun haben. Man habe keinen Kontakt, sagt das Stammhaus in Regensburg auf Anfrage.

Die genaue Beziehung zwischen Prinz Karl und Klingenberg ist nicht klar. Klingenberg erweckt in Emails zumindest den Eindruck einer Verbindung zu einer Firma, die einen ähnlichen Namen hat. Klingenberg bezeichnet sich als „Chairman of the Board of Management“ oder als „Transaction Director“. 

Und der alte, mit Adel und Reichtum verbundene Name wirkt auf potenzielle Geschäftspartner: Als seien sie benebelt, lassen einige von ihnen jede Vorsicht fahren und vertrauen Klingenberg. Er ist ja nun nicht irgendwer. Sondern Repräsentant eines namhaften Geschlechtes. Und sie unterzeichnen Verträge, die sie bei nüchterner Prüfung vielleicht nicht unterzeichnet hätten.

Gaukelei

Als Nebelkerzen setzt Klingenberg offenbar mehr als eine Firma ein. Auf den Webseiten der Firmen Aurum Ventures und German Petrol AG gibt es zahlreiche Verweise aufeinander. Einer aus der Familie Klingenberg posiert auf der Webseite der Aurum Ventures mit dem Formel-1-Rennfahrer Lewis Hamilton.

Doch die Darstellungen im Internet sind vor allem eines: Gaukelei.

Ein Vertrag mit dem Essener Baukonzern Hochtief über die Prüfung eines Bauprojekts im Saarland, wie es etwas verschwurbelt auf der Webseite von Aurum Ventures heißt? Erfunden. Hochtief sagt, es habe bloß einmal eine Anfrage gegeben.

Angeblich will man in diesem Jahr die Firma gekauft haben, die den Markenname Telefunken besitzt. Auch das stimmt nicht. Ein Sprecher sagt, es habe zwar einen Kaufvertrag mit der Aurum Ventures Michaela Braun GmbH gegeben. Doch dann sei die vereinbarte Summe nie bezahlt worden. Man habe Aurum Ventures bereits aufgefordert, die falschen Behauptungen von der Webseite zu entfernen.

Wie genau Klingenberg und seine Compagnons versuchen, mit diesen Gaukeleien Geld zu verdienen, ist nicht ganz klar. Offenbar hoffen sie, den tatsächlichen Besitzer der Objekte mit einem Käufer zusammen zu bringen und daran mitzuverdienen.

Ein dubioser Metallschatz

Im Jahr 2015 ist das Anlagevermögen von Aurum Ventures auf wundersame Weise explodiert, von wenigen hundert Euro auf fast 100 Millionen Euro. In den Fußnoten heißt es dort knapp: Man habe das Geld verdient mit Finanzpapieren im Zusammenhang mit „Nickeldraht auf Spulen“. Das ist wahre Alchemie. In der Bilanz von 2014 gab es keinerlei Hinweise darauf, dass die Firma sich einen derartigen Metallschatz leisten könne.

Die German Petrol schreibt auf ihrer Webseite: die „böhmisch-mährische Linie“ der Adelsfamilie habe sich mit einer Beteiligung in Höhe von 63 Prozent an German Petrol Zugang zum Energie- und Rohstoffsektor gesichert. Sage und schreibe 20 Milliarden Euro Umsatz will die Firma im vergangenen Jahr gemacht haben. Das wäre in etwa soviel, wie der Softwareriese SAP erwirtschaftet. German Petrol ist eine Luftnummer. Dafür spricht auch, dass auf der Webseite der Firma einer der Verwaltungsräte den Anschein erweckt, Anwalt zu sein. Doch im deutschen Anwälteverzeichnis ist er nicht zu finden.

Registriert wurde der Internetauftritt von German Petrol von der DPG Karl Prinz von Thurn und Taxis Grundstücksverwaltung. Das Kürzel DPG erinnert jedoch nicht an sagenhaften Reichtum aus der Welt der Adligen, sondern an ein Ganovenstück aus den 1990er Jahren. So berichtete der „Spiegel“ damals, dass die DPG Deutsche Planungsgesellschaft sich bei mehreren Banken in zweistelliger Millionenhöhe Immobilienprojekte in Ostdeutschland vorfinanzieren ließ. Ohne sie je zu bauen. Die Firma ging pleite, die Banken blieben auf den Verlusten sitzen. Karl Prinz von Thurn und Taxis saß damals im Vorstand einer der Pleitefirmen.

Karl Prinz von Thurn und Taxis bestätigte gegenüber CORRECTIV, dass er der Frau von Klingenberg sowie einem weiteren Compagnon von Klingenberg Vollmachten ausgestellt habe. Allerdings habe er schon seit über einem Jahr keinen Kontakt mehr zu Klingenberg. Konkrete Fragen beantwortete er nicht.

Freude im Leben

Das gilt auch für Gisbert Klingenberg. In einer Kurznachricht schreibt Klingenberg Anfang August zunächst, er halte sich seit mehreren Wochen im Krankenhaus auf, könne jedoch Fragen schriftlich beantworten. Doch dann antwortet er nicht auf die vorgelegten Fragen. Stattdessen schreibt er eine verworrene Email. „Machen Sie es gut und viel Freude in meinem Leben“, schließt sie.

Die Gläubiger haben schon lange keine Freude mehr am Leben von Klingenberg. Trotzdem schafft es bis heute, Leute anzuziehen, die mit ihm arbeiten, die zum Beispiel Geschäftsführerposten übernehmen. Wer da Opfer und Täter ist, ist nicht immer leicht zu unterscheiden.

Ist Klingenberg untergetaucht?

Wo Klingenberg sich aufhält ist unklar. Zuletzt wohnte er offenbar in Oberhausen. Schon einmal ist er untergetaucht: um die Jahrtausendwende entzog er sich seiner Verhaftung, indem er aus dem Hinterausgang seines Büros türmte. Die Polizisten hatten ihn nicht rechtzeitig erkannt. Anschließend tauchte er über ein Jahr in Süddeutschland unter, bis er schließlich doch verhaftet wurde.

Von den drei Firmen Aurum Ventures, German Petrol und Karl Prinz von Thurn und Taxis AG kam auf Emails mit Fragen keine Reaktion. Stattdessen antwortete Klingenberg zwei Stunden nach dem Versand mit einer Droh-Email. Er arbeite weder für Aurum Ventures noch für das Haus Thurn und Taxis.

Eines kann man Klingenberg nicht vorwerfen: mangelnde Kreativität beim Finden der vielen Firmennamen, die in seinem Umfeld herumgeistern.

Anfang 2016 wurde die „Graf von Bozena Holding“ aus dem Handelsregister Düsseldorf mangels Vermögen gelöscht. Bozena ist der Vorname von Klingenbergs Ehefrau. Und der letzte Geschäftsführer der vermeintlichen Adelsfirma stammte ebenfalls aus der Familie: Kenny Klingenberg. Für eine Weiterführung des Geschlechtes ist offenbar gesorgt.

*Anmerkung 28.9.2016: Das Landgericht Essen hat uns in einer einstweiligen Verfügung auf Antrag der Aurum Ventures Capital AG, der German Petrol Holding AG, der Karl Prinz von Thurn und Taxis AG und von Karl Prinz von Thurn und Taxis vier Sätze in dem oben stehenden Artikel verboten.

*Anmerkung 14.10.2016: Das Landgericht Essen hat uns in einer weiteren einstweiligen Verfügung auf Antrag von Gisbert Klingenberg, neun weitere Punkte in dem oben stehenden Artikel verboten.

*Anmerkung 31.03.2017: Das Landgericht Essen hat am 02.03.2017 seine Verfügung vom 6.10. 2016 wieder aufgehoben. Wir haben den Artikel angepasst und halten Euch über die juristischen Auseinandersetzungen weiter auf dem Laufenden.

*Anmerkung 12.09.2017: Das Landgericht Essen hat am 06.07.2017 seine Verfügung vom 28.09.2016 wieder aufgehoben. Wir haben Artikel leicht angepasst wieder hergestellt.

In der Zwischenzeit haben wir einen weiteren Artikel über die fragwürdigen Geschäftspraktiken der Firma Aurum Ventures veröffentlicht.