CORRECTIV.Ruhr

Die Chaosliste der AfD in NRW

Die AfD in NRW wählte am Wochenende die letzten Kandidaten für die Landtagswahl in NRW. 40 Plätze konnten belegt werden. Die Liste soll nun dem Landeswahlleiter vorgelegt werden. Eine Initiative in der völkischen Partei will sich damit nicht abfinden und sammelt Unterschriften, um eine Neuwahl der Kandidatenliste zu erzwingen.

von Marcus Bensmann

© Marcus Pretzell auf dem AfD-Listenparteitag / Foto: Marcus Bensmann

Das Chaos um die Landesliste der AfD in NRW geht weiter. Die AfD-Wahlversammlung besetzte am Wochenende in Euskirchen die Landesliste für die kommende Landtagswahl in NRW bis zum Listenplatz 40. Zum Schluss stimmten nur noch 146 der 400 Delegierten in der westfälischen Stadt mit. Der Rest war nach Hause gegangen oder sonst wohin verschwunden. Die Mehrheit der Versammlung beauftragte am Ende den Landesvorstand, die bisher gewählte Kandidaten-Liste beim Landeswahlleiter einzureichen, „vorbehaltlich der Möglichkeit zur Ergänzung weiterer Kandidaten“.

Abwahl „wegen gravierender Mängel“

Gleichwohl sammelte eine Initiative von AfD-Mitgliedern unter den anwesenden Delegierten Unterschriften, um in einer neuen Wahlversammlung die bisherige Liste  „wegen gravierender Mängel in Gänze aufzuheben und insgesamt neu zu wählen“. Nach Informationen aus dem Umfeld dieser Initiative, die zum rechten Lager der AfD-NRW gehört, hätten bereits einhundert Mitglieder unterschrieben, obwohl fast ein Drittel der gewählten Delegierten gar nicht mehr nach Euskirchen gekommen war.

Die Initiative zur Neuwahl benötigt die Zustimmung von fünf Prozent der Mitglieder in NRW, das wären 250 Unterschriften. Dann müsste der Landesvorstand der AfD eine neue Wahlversammlung  einberufen. Die fehlenden Stimmen sollen nun per „Umlaufverfahren“ gesammelt werden, sagt ein Mitglied aus dem Umfeld der Gruppe.

Zweifel an der Rechtmässigkeit

Die Rechtmässigkeit der AfD-Kandidatenliste steht in Zweifel, nachdem Protokolle aus einer WhatsApp-Gruppe, die dem Machtzentrum um AfD-NRW-Landeschef Marcus Pretzell nahesteht, veröffentlicht wurden. Die Protokolle zeigen, wie Funktionsträger aus dem Pretzell-Lager die Wahlen mit teilweise rüden Methoden beeinflusst haben.

Zudem wurde bekannt, dass bei mindestens einem Wahlgang Stimmzettel vernichtet worden sind. Pretzell selbst hatte diesen Vorgang zunächst als „Wahlbetrug“ eingeordnet und mit dem Staatsanwalt gedroht. Später spielte er die Stimmenvernichtung herunter, sie habe die Wahl nicht beeinflusst.

Pretzell sagte, dass er nicht Teil der WhatsApp-Gruppe war und auch von deren Machenschaften nichts gewusst habe. Zudem würden weder die vernichteten Wahlzettel noch die WhatsApp-Protokolle die Rechtmässigkeit der Liste gefährden, sagt der Landessprecher und Lebensgefährte von der Bundessprecherin Frauke Petry. Deswegen könne diese beim Landeswahlleiter eingereicht werden. Pretzell wurde auf die Kandidatenliste knapp zum Spitzenkandidaten der AfD in NRW gewählt.

Die Mehrheit der AfD-NRW-Delegierten beurteilen die Lage anders als Pretzell. Sie waren mehrheitlich am letzten Wochenende in Rheda-Wiedenbrück für eine Neuwahl der Liste. Sie konnten aber darüber nicht abstimmen. Denn für eine Neuwahl der Liste hat eine einfache Mehrheit der Stimmen nicht ausgereicht. Nach der Geschäftsordnung der AfD hätte für eine Neuwahl der Liste die Tagesordnung geändert werden müssen und dafür wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig gewesen. 

Jeder Platz auf der Liste bedeutet Macht und Geld. Einem Landtagsabgeordnete winken Einnahmen von 500.000 Euro brutto. Und die AfD könnte nach dem bisherigen Stimmungsbild bis zu 30 Plätze im Landtag in Düsseldorf besetzen.

Pretzell ohne Mehrheit

Pretzell hat  durch die Diskussion um die WhatsApp-Protokolle die Mehrheit unter den Delegierten verloren. Kurz vor der Landeswahlversammlung in Rheda-Wiedenbrück am letzten Wochenende hatte CORRECTIV.Ruhr eine Wunschliste veröffentlicht, die unter Pretzell erstellt wurde. Pretzell hatte bis zum Platz 40 die Personen benannt, die von der Wahlversammlung der AfD-NRW an den Wochenenden in Rheda-Wiedenbrück und Euskirchen gewählt werden sollten.  Aber nur sieben Namen aus Pretzells Wunschliste schafften es am Ende auf die gewählte Liste. 

Bei dem Gerangel geht es nicht nur um Pretzell und den Landesverband der AfD in NRW. Pretzell ist der Lebensgefährte der Bundessprecherin Frauke Petry und ihr politisches Schicksal ist mit seinem verbunden.

Machtkampf im Bund

Das wissen auch die innerparteilichen Gegner der Bundessprecherin. Der Landeschefs von Brandenburg und Thüringen Alexander Gauland und Björn Höcke nutzen die WhatsApp-Affäre für einen Angriff auf den NRW-Landesverband. Die Schiedskommission solle die die Wahl der Kandidateniste für die NRW-Landtagswahl prüfen, fordern nun Gauland und Höcke.

Hin und Her mit dem Wahlleiter

Vor der Wahlversammlung in Euskirchen ließ Pretzell nach einem Treffen mit dem Landeswahlleiter in NRW verlauten, dass dieser keine rechtlichen Bedenken wegen den Liste gebe. Ein Sprecher des Wahlleiters widersprach dieser Darstellung des Spitzenkandidaten der AfD-NRW. Die Liste werde erst auf Rechtmäßigkeit geprüft, wenn sie eingereicht worden sei.