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G8 oder G9: Kritik am Volksbegehren

Würde das Volksbegehren Erfolg haben und die Forderungen der Elterninitiative „G9 jetzt NRW“ für die Gymnasien erfüllt, hätte das auch Auswirkungen auf den Unterricht der anderen Schulformen. Ihnen würden die Wochenstunden gekürzt werden, kritisiert unter anderem die Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW. Die vierte Folge unserer Serie „G8 oder G9“.

von Miriam Bunjes

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Die zentrale Forderung des Volksbegehrens, den Schülern an den nordrhein-westfälischen Gymnasien wieder mehr Freizeit zum Lernen und Leben einzuräumen, würde auch für Schüler anderer Schulformen weniger Unterricht bedeuten. Das kritisieren jetzt Eltern-, und Schulleitervertretung der Gesamtschulen scharf. Tatsächlich würde der nordrhein-westfälische Landtag nicht nur über den Bildungsweg am Gymnasium entscheiden, wenn das Volksbegehren der Initiative „G9 jetzt NRW“ die im Gesetz geforderten knapp 1,1 Millionen Unterschriften erreicht. Er müsste dann über den gesamten Gesetzentwurf der Bürgerinitiative abstimmen. Und der enthält Passagen, die dann auch für andere Schulformen verbindlich würden.

Konkret: Im Gesetzentwurf des Volksbegehrens wird eine Sekundarstufe 1 mit maximal 180 Jahreswochen gefordert. Diese Obergrenze würde – wird das Volksbegehren tatsächlich Schulgesetz – dann auch für alle weiterführenden Schulen gelten.

Verlust von Lernzeit

Gesamt-, Real- und Hauptschüler haben aber 188 Jahreswochenstunden in den Klassen fünf bis zehn: Zeitgleich mit dem G8 am Gymnasium wurden dort so genannte Ergänzungsstunden eingeführt, in denen Förderunterricht und Angebote wie Berufsvorbereitung oder an Gesamtschulen eine zweite Fremdsprache angeboten wird.

Mehr Unterricht, den vor allem die Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen nicht verlieren wollen. „Sie sind in das Schulprogramm integriert und tragen zur Qualität von Bildung an den Schulen bei“, sagt Ralf Radtke von der Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW. „Unsere Schüler verlieren mit dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens Lernzeiten.“

Vor allem an Ganztagsschulen wie den 314 Gesamtschulen in NRW habe man die Stundenpläne so gebaut, dass sich Lern-, Erholungs- und Wiederholungsphasen abwechseln. „Die zusätzlichen Stunden stressen die Schüler nicht, sondern nutzen ihnen“, sagt Radtke. „Auch um Inklusion oder die Integration geflüchteter Schüler hinzubekommen, wäre der Wegfall dieser Ergänzungsstunden für uns eine Verschlechterung.“

Eingriff in die Fördermöglichkeiten

Zusammen mit der Schulleitervereinigung der Gesamtschulen und der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschulen hat sich der Elternverein gegen das Volksbegehren positioniert. Die Verbände sehen den Gesetzentwurf als „Eingriff in die Fördermöglichkeiten anderer Schulformen“, die zu einer „Verringerung der Chancengleichheit“ führt. In ihrem Zusammenschluss vertreten die drei Verbände die 324 Gesamtschulen im Bundesland. „Für Gymnasien mag die geforderte Stundenaufteilung eine Verbesserung sein, für andere aber nicht“, sagt Radtke. „Im Volksbegehren wird aber auch über sie abgestimmt.“

Der Gesetzentwurf betrifft in Nordrhein-Westfalen neben den Gymnasien auch die Gesamt-, Haupt- und Realschulen – die wiedrum knapp 60 Prozent aller Schüler in Nordrhein-Westfalen stellen. „Inzwischen schlagen ja alle zur Wahl stehenden Parteien irgendeinen neunjährigen Weg für Gymnasiasten vor“, sagt Ralf Radtke von den Gesamtschuleltern. Diese Vorschläge seien im Gesetzgebungsverfahren anders als das Volksbegehren veränderlich. „Wer G9 befürwortet, muss nicht die Initiative „G9 Jetzt“ unterstützen“, betonen die Gesamtschulverbände in ihrer Pressemitteilung.

Hintergrund: So funktioniert direkte Demokratie

Tatsächlich kann das Volksbegehren diese Stundenplanänderung für die anderen Schulformen in NRW erzwingen. Erreicht es die erforderlichen Unterschriften, stimmt der Landtag nicht nur über einen prinzipiellen Richtungswechsel zu G9 am Gymnasium ab, sondern ob er genau diesen Gesetzentwurf unverändert übernimmt.

III.
Volksentscheid

§ 22 (2) Der Landtag hat innerhalb von zwei Monaten seit der Unterbreitung darüber abzustimmen, ob der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf unverändert zum Gesetz erhoben werden soll (Nummer 1). Fasst der Landtag innerhalb der vorgesehenen Frist keinen Beschluss, so gilt dies als Ablehnung.

Möchte der Landtag an irgendeiner Stelle Änderungen, bedeutet das rechtlich eine Ablehnung des Volksbegehrens – und das führt zu einem Volksentscheid. Bei dem bekommen dann die wahlberechtigten NRW-Bürger den Gesetzesentwurf des Volksbegehrens und den alternativen der Landesregierung zur Abstimmung präsentiert – und entscheiden dann bindend, welcher kommt. Der Text des Gesetzentwurfes zum Volksbegehren bleibt in jedem Fall unveränderlich.

§ 24 (1) Gegenstand des Volksentscheids ist

1. wenn es sich um ein Volksbegehren nach Artikel 68 Abs. 1 der Landesverfassung handelt, das begehrte Gesetz und, falls der Landtag aus Anlass des Begehrens ein abweichendes Gesetz beschlossen hat, die Frage, ob das begehrte an die Stelle des beschlossenen Gesetzes treten soll.