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NRW-Umweltministerin Schulze Föcking tritt zurück

Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU) ist in Düsseldorf von ihrem Amt zurückgetreten. Sie stolperte unter anderem über falsche Aussagen, die sie im Landtag gemacht hatte. Ein Untersuchungsausschuss ist damit aber nicht vom Tisch. Die Opposition zielt nun auf NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

von Marita Wehlus

Flucht vorm Landtag: NRW-Umweltministerin will nach ihrem Rücktritt nicht fotografiert werden.© Martin Gerten / dpa

Nach Monaten der Skandalmeldungen ist NRW-Umweltministerin Christina Schulze Föcking zurückgetreten. Als offiziellen Grund für ihren Rücktritt nennt die CDU-Politikerin Anfeindungen und Drohungen, die sie und ihre Familie erfahren haben. „Die Aggressivität der Angriffe hat mich in eine ständige Anspannung versetzt – und nicht nur mich: Der Preis meines politischen Amtes für meine Familie ist zu hoch.“

So die offizielle Version.

In den vergangenen Wochen geriet Schulze Föcking immer mehr unter Druck. Es ging um falsche Aussagen, die die damalige Ministerin vor dem NRW-Landtag gemacht hatte, um den privaten Schweinemastbetrieb ihrer Familie und einen vermeintlichen Hackerangriff.

Hier die möglichen Hintergründe im Überblick:

Der Hackerangriff, der keiner war

Erst vergangene Woche hatte die Ministerin mit viel Spott zu kämpfen. Im März hatte die Staatskanzlei noch bekannt gegeben, dass es einen Hackerangriff auf Schulze-Föckings privaten Fernseher gegeben habe. Unbekannte hätten einfach mitten im normalen Programm die Fragestunde des Landtages mit den Tierquälerei-Vorwürfen gegen den Mastbetrieb ihrer Familie abspielen lassen. Der ganze Landtag hatte ihr daraufhin geschlossen seine Solidarität ausgesprochen und den Eingriff in die Privatsphäre verurteilt. Vergangene Woche räumte die Umweltministerin dann ein, dass es sich um einen Bedienfehler an einem Handy und nicht um einen Hackerangriff gehandelt habe.

Die Opposition behauptet, dass dieses selbstverschuldete Missgeschick Schulze Föcking schon vorher bekannt war und sie es bewusst verschwiegen habe. Deswegen soll jetzt auch Ministerpräsident Armin Laschet Rede und Antwort stehen. Die SPD will in einer Fragestunde im Landtag klären, ob Laschet seine Ministerin wissentlich geschützt hat.

Alte Seilschaften und Informationen

Der vermeintliche Hackerangriff war nur der letzte einer ganzen Reihe von peinlichen Skandalen der ehemaligen Ministerin. Nach der Schließung der Stabsstelle Umweltkriminalität, die Schulze Föcking im August vergangenen Jahres veranlasst hatte, war die Politikerin ins Kreuzfeuer geraten. Sie sollte in einer Fragestunde im Landtag Ende März ihre Entscheidung begründen. Schulze Föcking machte dazu nachweislich falsche Angaben. Unklar ist bis heute, ob die damalige Ministerin bewusst gelogen hat oder nur falsch gebrieft worden war. Ihre Informationen erhielt sie von zwei engen Mitarbeitern: dem Leiter der Zentralabteilung des Ministeriums, Markus Fliege, und Schulze Föckings Staatssekretär, Heinrich Bottermann (beide CDU).

Laut Schulze Föcking hatte das Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) bestritten, dass die Stabsstelle bei der Aufklärung großer Umweltskandale beteiligt gewesen sei. Auch habe die Stabsstelle keinen Kontakt zu den zuständigen Bezirksregierungen unterhalten. Die Aussagen konnten durch die Akten der Stabsstelle widerlegt werden. Auf CORRECTIV-Nachfrage teilte das Ministerium mit, dass die Informationen der Zentralabteilungsleiter Markus Fliege selbst beim LANUV eingeholt hatte. Zur Entscheidung die Stabsstelle zu schließen, verweist Schulze Föcking auf ihren Staatssekretär Bottermann.

Beide Politiker sind keine Unbekannten: Markus Fliege hatte schon früher eine zentrale Rolle im Umweltministerium gespielt. Bis die Grünen unter Johannes Remmel im Jahr 2010 das Amt übernommen hatten. Markus Fliege hatte unter dem damaligen CDU-Umweltminister Eckhard Uhlenberg versucht, den PFT-Skandal um verseuchtes Wasser aus der Ruhr zu vertuschen. Fliege war daran beteiligt gewesen, den damaligen Minister Uhlenberg mit offenkundig irreführenden Informationen, die vom Ministerium veröffentlicht wurden, in eine schwierige Lage zu bringen. Anschließend war Fliege von 2013 bis 2017 Zentralabteilungsleiter im LANUV und hat nun unter Schulze Föcking das NRW-Umweltministerium mit umgebaut. Auch Heinrich Bottermann war – wie Fliege – im LANUV tätig. Von 2007 bis 2013 leitete er das Amt. An ihn ging als Staatssekretär eine der letzten Mails der Stabsstelle. Thema: Die Vorwürfe gegen den Schweinemastbetrieb der Umweltministerin.

Der Schweinestall

Und damit zum ersten Skandal der ehemaligen NRW-Umweltministerin: Vergangenen Sommer hatte es Vorwürfe wegen Tierquälerei im privaten Schweinemastbetrieb der Familie Schulze Föcking gegeben. Die Stabsstelle hatte kurz vor ihrer Schließung dazu eine Akte angelegt und auch den Staatssekretär Bottermann darüber informiert. Die besagte Akte enthielt einen Medienbericht über die mutmaßlich schlimmen Zustände in den Schweineställen der Ministerin und die Mail an Bottermann. Schulze Föcking geriet wegen dieser persönlichen Verwicklungen in Kritik. Die Opposition warf ihr Befangenheit vor. Die Staatsanwaltschaft hatte Ermittlungen aufgenommen, diese aber wieder eingestellt.

Zögerliche Rückendeckung von Armin Laschet

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte sich nach ihren falschen Aussagen zur Schließung der Stabsstelle im Landtag noch hinter Schulze Föcking gestellt. Seiner Meinung nach, hatte die damalige Umweltministerin die Vorwürfe geklärt. Dennoch: Vollstes Vertrauen hatte er ihr nicht aussprechen wollen. Nach dem Rücktritt erklärt Laschet nun, er habe großen Respekt vor der Entscheidung seiner ehemaligen Ministerin. Außerdem verurteilte er die Anfeindungen gegen Schulze Föcking in den vergangenen Wochen. Wird nun der Fall Schulze Föcking auch ein Stolperstein für Laschet?

Untersuchungsausschuss ist noch nicht vom Tisch

Auch nach dem Rücktritt will sich die Opposition weiter offenhalten, ob sie einen Untersuchungsausschuss fordert. Zumal die ehemalige Umweltministerin auch in ihrer Rücktrittserklärung keine Fehler einräumt. „Ich stehe auch heute zu allen inhaltlichen Entscheidungen, die ich in diesem Amt getroffen habe“, heißt es in ihrer Stellungnahme.  

Schon nach der letzten Landtagssitzung hatten SPD und Grüne über einen U-Ausschuss beraten. Sollte es zur Untersuchung kommen, wollen sich die Grünen auch mit den anderen Beteiligten in Schulze Föckings Mitarbeiterstab beschäftigen. „Herr Bottermann und Herr Fliege sind natürlich potentielle Zeugen, und wir werden sie sicher in den Untersuchungsausschuss vorladen“, so ein Fraktions-Sprecher. Die SPD hingegen fühlt sich noch nicht unter Zeitdruck, da ein U-Ausschuss ohnehin erst im Juni beschlossen werden könne. Auch die Fragestunde mit Ministerpräsident Laschet zu dem vermeintlichen Hackerangriff wolle man noch abwarten.  

Wird die Stabsstelle nun wieder aktiviert?

Führt Schulze Föckings Rücktritt nun dazu, dass die Schließung der Stabsstelle Umweltkriminalität rückgängig gemacht wird? Sie war die bundesweit einzige Stabsstelle dieser Art. CORRECTIV hat bei den Landtagsfraktionen nachgefragt: Die NRW-Grünen fordern, dass die Stelle wieder eingesetzt wird. Auch die SPD ließ uns wissen, dass die Stabsstelle gute Arbeit geleistet hätte. Sie sei ein geeignetes Instrument zur Bekämpfung der Umweltkriminalität gewesen. Die Parteikollegen der scheidenden Umweltministerin und auch die Koalitonspartner von der FDP verweisen hingegen auf die Verantwortung des nächsten Umweltministers. Die Entscheidung liege bei ihm oder ihr, so die CDU-Fraktion. Eine Meinung dazu will die Fraktion derzeit nicht äußern.

Wer das Umweltministerium nun übernehmen soll, ist noch nicht geklärt.