Alte Apotheke

Apotheken-Kontrollen: Ein Erlass ohne Wirkung

Gesundheitsminister Laumann wollte die Apotheken-Kontrolle in NRW verbessern. Dafür hat er einen Erlass aufgesetzt. Auslöser war der Fall der “Alten Apotheke” in Bottrop und die in Kritik geratene Kontrollkette von Krebsmedikamenten. Die zuständigen Behörden in NRW sagen aber: Der Minister hat noch gar nichts verändert. Welchen Sinn und Zweck hat also der Erlass?

von Anna Mayr

Die Kontrolle der Apotheke in NRW soll nach dem Skandal in Bottrop verschärft werden.

Die Kontrolle der Apotheke in NRW soll nach dem Skandal in Bottrop verschärft werden.© Michel Weigel /CORRECTIV.ORG

Es ist niemandem aufgefallen, dass der Apotheker Peter S. über Jahre hinweg Krebsmedikamente gepanscht hat. Jetzt fordern viele Betroffene und ihre Angehörigen, dass man die Kontrollen der Apotheken verbessern muss. Darauf wollte der neue Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) reagieren. Also hat er einen Erlass geschrieben und an die Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen geschickt. Die Nachricht: Alles wird jetzt besser kontrolliert, alle Gesundheitsämter müssen ihre Kontrollen neu ausrichten. Aber tatsächlich verändert der Erlass nichts. Außer, dass in den Behörden alle verwirrt sind. Jeder scheint Laumanns Erlass anders zu interpretieren.

Kaum Kontrollen ohne Ankündigung

Simone Schmidt ist Amtsapothekerin der Stadt Köln. Als Amtsapothekerin ist sie dafür zuständig, Apotheken zu kontrollieren. Sie sagt aber, dass der Erlass von Laumann nur bekräftigt, was bereits besteht – nämlich dass unangemeldete Kontrollen von Apotheken möglich sind. Das war vorher auch schon so. Die Amtsapotheker durften auch schon immer die sterilen Räume kontrollieren, in denen die Apotheker Medikamente zubereiten und Proben aus den Zubereitungen ziehen. Auch ohne Ankündigung. So steht es im Gesetz. Laumann hat das nur noch einmal in seinem Erlass wiederholt.

Allerdings scheint es, als würden die Amtsapotheker diese Möglichkeit schlichtweg nicht nutzen. Simone Schmidt selbst ist seit Ende 2014 Amtsapothekerin der Stadt Köln und hat noch keine solche unangemeldete Kontrolle in einem Reinraum mit Probenentnahme durchgeführt. Sie seien unüblich und würden nur gemacht, wenn konkrete Hinweise bei den Behörden eingingen.

Alles wie es war

Laumann erhöht nicht die Taktung der Kontrollen, auch schreibt er nichts vor. Kein Amtsapotheker muss unangemeldete Kontrollen durchführen – er darf lediglich. So steht es im Gesetz, so stand es dort auch schon vor dem Erlass. Pflicht ist wie schon zuvor: Normale Apotheken werden alle vier Jahre kontrolliert – mit Ankündigung. Und Apotheken, die besondere Aufgaben haben, wie zum Beispiel ein Labor für Krebsmedikamente, werden alle drei Jahre kontrolliert – mit Ankündigung.

Alles bleibt, wie es war. Also wird es wohl keine häufigeren, unangemeldeten Kontrollen geben. Ein Sprecher des Kreises Unna sagt, dass unangemeldete Kontrollen eben schwierig zu realisieren seien. Vor allem in sterilen Räumen, in denen Krebsmedikamente hergestellt werden: „Da kann man ja nicht einfach so reinplatzen.“ Der Apotheker Peter S. hatte übrigens in Hemd und Sakko im sterilen Raum gearbeitet. Und seinen Hund mit hineingenommen.

Kein Mittel gegen kriminelle Energie

Rainer Kundt aus Essen macht sich Sorgen um den neuen Erlass. Er ist Leiter des dortigen Gesundheitsamts. Die zwei Amtsapotheker, die bei ihm arbeiten, sind für drei Städte zuständig: Essen, Mülheim und Oberhausen. Auch sie machen höchstens zehn unangekündigte Kontrollen im Jahr. Kundt findet, dass unangekündigte Kontrollen keinen Sinn machen, weil nicht zu jeder Zeit kompetentes Personal in der Apotheke ist. „Wir brauchen ja jemanden, den wir auf Kritik und Rückfragen ansprechen können“, sagt er. Er denkt außerdem, dass der Skandal um Peter S. auch mit unangemeldeten Kontrollen „nur sehr schwer zu verhindern“ gewesen wäre. Denn wo so viel kriminelle Energie vorhanden sei, da würden auch Kontrollen kaum helfen. Unangemeldete Besuche würde seine Behörde kaum machen. „Weil wir einerseits Vertrauen zu den Apothekern haben und weil wir bei den Kontrollen vernünftige Leute antreffen wollen.“

Minister Laumann hat in seinem Erlass außerdem angekündigt, dass in Zukunft sogenannte „Rückläuferbeutel“ kontrolliert werden sollen. „Das ist die einzige wirklich neue Regelung im Erlass“, sagt eine Sprecherin des Düsseldorfer Gesundheitsamts. Der Apotheker Peter S. ist durch den Test eines Rückläuferbeutels aufgeflogen. Eine Mitarbeiterin stahl den Beutel in der Apotheke und brachte ihn als Beweisstück zur Polizei.  Wenn Patienten ihre Infusionen nicht bekommen, gehen die Infusionsbeutel zurück in die Apotheken. Das kann passieren, wenn die Patienten zu schlechte Blutwerte haben, um eine Chemo-Therapie aushalten zu können. Man kann diese Beute testen. Darauf, ob sie wirklich Wirkstoffe enthalten.

Verwirrung bei den Kosten

Dieser Kontrollmechanismus macht Rainer Kundt aus Essen allerdings besonders unsicher. „Die Medikamente in diesen Beuteln kosten mehrere tausend Euro“, sagt er. Er sorgt sich, dass seine Behörde die Wirkstoffe dann bezahlen müsste. In Anbetracht der Tatsachen ist das aber nicht denkbar. Denn die Rückläufer kommen normalerweise auf den Sondermüll. Den Wirkstoff darin bezahlen die Krankenkassen – ganz egal, ob der Patient die Infusion wirklich bekommt oder nicht. Und die Krankenkassen haben wahrscheinlich großes Interesse daran, dass sich Fälle wie der von Peter S. nicht wiederholen. Peter S. hatte die Rückläuferbeutel nach Zeugenaussagen einfach ein zweites Mal an andere Patienten verkauft, anstatt sie zu entsorgen.

Aber eine wichtige Frage bleibt in Laumanns Erlass offen: Wer soll die Rückläuferbeutel aufbewahren? Die Apotheken? Die Onkologen? Eine Behörde? Und können die Apotheker überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden, wenn in den Beuteln zu wenig Wirkstoff ist? Schließlich haben sie ja keine Kontrolle über die Infusionen mehr, sobald die die Apotheke verlassen. Also kann man sie juristisch nicht ganz so leicht verantwortlich machen, wenn etwas falsch dosiert sein sollte. So sagt es eine Sprecherin des Düsseldorfer Gesundheitsamts.

Sicher ist immerhin, wer die Proben kontrollieren soll: Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. Das regelt Laumanns Erlass sehr deutlich. Die Analyse einer Probe kann laut Angaben des Düsseldorfer Gesundheitsamts mehr als 1000 Euro kosten.

Unterstützung vom Verband der Zyto-Apotheker

Für die Stadt Bottrop ist der Amtsapotheker des Kreises Recklinghausen zuständig. Allerdings kann das dortige Gesundheitsamt zu dem Erlass bis jetzt noch nichts sagen. Die zuständige Vorsitzende ist gerade im Urlaub.

Der Verband der Zyto-Apotheken unterstützt den Erlass von Herrn Laumann. Er weist aber darauf hin, dass es keine Kontrollmechanismen gebe, die kriminelles Verhalten in jedem Fall verhindern können.

In der kommenden Woche werden die Amtsapotheker der Bezirksregierung Düsseldorf besprechen, was der Erlass von Laumann nun für sie bedeutet. Rainer Kundt sagt: „Wenn ich über die Kontrollen bestimmen könnte, würde ich zunächst mehr Personal fordern. Wir würden gerne mehr kontrollieren, aber wir brauchen dann auch die entsprechenden Mittel.“

Update 29.8.17: In einer früheren Version dieses Artikels wurde nicht klar, ob die Amtsapothekerin Simone Schmidt bereits unangemeldete Kontrollen durchgeführt hat. Wir stellen dazu klar: Simone Schmidt hat seit 2014 unangemeldete Kontrollen in Apotheken durchgeführt, allerdings keine unangemeldeten Kontrollen von sterilen Räumen mit Probenentnahmen aus den Infusionsbeuteln.