Alte Apotheke

Alte Apotheke: Anwälte gegen Whistleblower

Im Skandal um gepanschte Krebsmittel in der Alten Apotheke in Bottrop wird der Whistleblower Martin Porwoll schwer angegriffen. So will ihn die Kanzlei Höcker aus Köln nach unseren Informationen im Auftrag von angeblich 18 Mitarbeitern der Alten Apotheke zum Schweigen bringen.

von David Schraven

Die Whistleblower Marie Klein und Martin Porwoll vor der Alten Apotheke in Bottrop© Anna Mayr / Correctiv

Der Whistleblower Martin Porwoll soll nicht mehr sagen dürfen, dass etliche Mitarbeiter der Alten Apotheke wussten, dass der damalige Besitzer der Alten Apotheke in seinem Labor Krebsmittel unter katastrophalen hygienischen Bedingungen zusammenpanschte. Eine entsprechende Abmahnung versandte die Kanzlei Höcker an Porwoll vor wenigen Tagen. Zusätzlich zum Maulkorb soll Porwoll außerdem eine Zahlung an die Kanzlei Höcker in Höhe von mindestens 3465 Euro akzeptieren.

Die Kanzlei Höcker ist etwas besonderes: Sie vertritt unter anderem den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen den Satiriker und Moderator Jan Böhmermann. Böhmermann hatte es gewagt, ein Schmähgedicht auf Erdogan vorzutragen. Daneben vertreten Anwälte der Kanzlei Höcker immer wieder und regelmäßig AfD-Mitglieder, die sich benachteiligt fühlen.

Im Fall der Alten Apotheke in Bottrop ist die Kanzlei Höcker schon seit längerem aktiv. So vertritt sie in etlichen Presseanfragen die Mutter des Alten Apothekers Peters S.. Diese hatte die Alte Apotheke ursprünglich geführt und im Jahr 2009 ihrem Sohn übergeben. Nachdem er in Haft genommen wurde, ließ sich die Mutter die Alte Apotheke zurückübertragen. Peter S. wird vorgeworfen, zehntausende Krebsmittel gepanscht zu haben. Tausende Menschen in sechs Bundesländern sind betroffen. Der Fall geht weit über Bottrop hinaus.

Die Kanzlei Höcker hat in diesem Fall, jetzt im Auftrag der Mutter von Peter S., etliche Medien (auch CORRECTIV) angeschrieben und aufgefordert, nicht mehr vom Fall der Alten Apotheke zu schreiben. Die Alte Apotheke sollte in der Berichterstattung ausgeblendet werden, da die Apotheke mittlerweile wieder der Mutter gehören würde. Zudem sollte nicht von der Mutter geschrieben werden, die heute, wie früher, die Apotheke führt, da sie nicht für die Taten ihres Sohnes verantwortlich sei.

Während letzteres sicher richtig ist – es existiert keine Sippenhaft und die Mutter ist nicht für die Taten ihres Sohnes verantwortlich – ist erstes nicht zu bewerkstelligen. Der Skandal ist so groß, dass natürlich weiter von der Alten Apotheke geschrieben werden muss. Die Alte Apotheke ist der Name der Apotheke, der von Betroffenen erkannt werden kann. Es gehört zur Informationspflicht der Medien, hier keine künstliche Ungenauigkeiten zu verbreiten. Nur wenn klar ist, dass die gepanschten Mittel aus der Alten Apotheke kamen, können Betroffene eventuell auf ihren Rezepten erkennen, dass auch sie Medikamente von dort bezogen haben. Bis heute wissen etliche Menschen gerade außerhalb von Bottrop nicht, dass sie selbst persönlich zu den möglicherweise geschädigten Patienten gehören.

Zudem ist es auch notwendig, die Mutter als Eigentümerin und Betreiberin der Alten Apotheke zu benennen, da sie nach Angaben ihres Anwaltes in der kritischen Zeit an führender Stelle in der Apotheke aktiv war. Dieser Fakt gehört zu einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung.

Viele Medien haben allerdings vor der Kanzlei Höcker gekuscht und nennen sowohl die Mutter nicht mehr als neue und alte Betreiberin der Alten Apotheke als auch nicht den Namen der Alten Apotheke selbst. Es wird stattdessen anonymisiert von einer Apotheke in Bottrop geschrieben. Diese Art der Verschleierung ist in unseren Augen falsch. Den Betroffenen wird so die Chance genommen, sich selbst ein Bild zu machen, ob sie gepanschte Mittel bekommen haben.

Im Fall des Whistleblowers Martin Porwoll wird die Kanzlei Höcker nun im Namen von angeblich 18 Mitarbeitern tätig. Die Kanzlei fordert Porwoll auf, nicht mehr zu verbreiten, dass die Panschereien von Peter S. ein offenes Geheimnis in der Alten Apotheke gewesen seien. Bei dieser Forderung bezieht sich die Kanzlei Höcker auf ein Interview, dass Porwoll der WAZ gegeben hatte. Obwohl Porwoll bereits direkt nach dem WAZ-Artikel präzisiert hatte, dass er mit den Mitarbeitern der Alten Apotheke die Mitarbeiter im Krebsmittel-Labor und nicht beispielsweise die Krebsmittel-Fahrer meinte, und sich hier von der WAZ ungenau zitiert fühlte, besteht die Kanzlei Höcker auf dem Maulkorb und der hohen Forderung von mehreren tausend Euro zu ihren Gunsten.

Der Anwalt von Porwoll, Stefan von Moers, weist den Angriff der Kanzlei Höcker ab. Porwoll habe die angegriffenen Zitate so nicht freigegeben. Sie seien zu sehr zugespitzt. Der Whistleblower könne sehr wohl zwischen den Mitarbeitern der Zytho-Abteilung und des Verkaufsraumes der Alten Apotheke unterscheiden. Zudem habe er die Mitarbeiter nicht diskreditieren, sondern deutlich machen wollen, dass sie sich kaum gegen den „Chef“ hätten wehren können. Sie hätten sich – ohne handfeste Beweise — machtlos gefühlt.

Ein Verfahren gegen den Whistleblower Porwoll könnte für die Kanzlei Höcker und die Alte Apotheke zum Bumerang werden. Vor Gericht kann der Whistleblower in einem Zivilverfahren alle Mitarbeiter der Alten Apotheke auffordern, als Zeugen auszusagen. Dann sind sie zur Wahrheit verpflichtet. Die Aussagen der Mitarbeiter dort könnten in weiteren Strafverfahren genutzt werden. Zudem müsste die Kanzlei die angeblich 18 Mitarbeiter der Alten Apotheke benennen, die nichts mitbekommen haben wollen.

Der Angriff der Kanzlei Höcker zeigt vor allem eines: Der Schutz für Whistleblower ist in Deutschland ungenügend. Nachdem Martin Porwoll die Taten des Alten Apothekers in Bottrop gemeinsam mit der Labormitarbeiterin Marie Klein enthüllt hatte, verloren beide ihren Job bei der Alten Apotheke – mit an den Haaren herbeigezogenen Gründen. So soll Porwoll Salbe im Wert von wenigen hundert Euro geklaut haben. Porwoll sagt, er habe Mittel über sein Mitarbeiterkonto bezogen, die Kosten sollten mit Überstunden verrechnet werden. Doch an diese Absprache wollte sich Peter S. nach der Razzia nicht mehr erinnern.

Bei dem aktuellen Angriff aus der Kanzlei Höcker geht es unserer Ansicht nach darum, den Arbeitslosen Whistleblower mit möglichst hohen Kosten an den Rand des Ruins und damit zum Schweigen zu bringen.

Wir starten deswegen ein Crowdfunding für die Whistleblower Martin Porwoll und Marie Klein, um sie gegen diesen und mögliche weitere juristische Angriffe verteidigen zu können. Wer Geld spenden will für die anstehenden Verfahren, kann das gerne hier tun.