Alte Apotheke

Angebliche Hirnschädigung bei Peter Stadtmann

Die Verteidigung des Apothekers Peter Stadtmann behauptet, ihr Mandant habe eine geminderte Schuldfähigkeit in Folge einer Hirnschädigung. Das von der Verteidigung beschriebene Krankheitsbild könnte dazu führen, dass dem inhaftierten Apotheker der Führerschein entzogen wird.

von Marcus Bensmann

© Ivo Mayr / Correctiv

Die Verteidigung von Peter Stadtmann hatte im Prozess um tausende gepanschte Medikamente behauptet, der inhaftierte Apotheker sei in Folge eines Sturzes 2008 schuldunfähig geworden. Er habe sich eine Hirnschädigung zugezogen und wenn er etwas tatsächlich falsch gemacht habe, wie tausende Medikamente zu panschen, dann geschehe dies unbewusst.    

Die Staatsanwaltschaft wirft Stadtmann vor, in den fünf Jahren vor seiner Verhaftung am 29. November 2016 über 60.000 Krebsarzneien teils dramatisch unterdosiert zu haben.

Steuerungsunfähigkeit nach Sturz

Seit November 2017 läuft der Prozess vor dem Landgericht Essen und lange hatte die Verteidigung des Apothekers die Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen.

Der Hinweis auf eine angebliche Schuldunfähigkeit infolge eines Hirntraumas weist auf einen drastischen Strategiewechsel der Verteidigung hin. Es scheint, als hielten sie die Unschuldsverteidigung für aussichtslos. Als sei nicht mehr zu bestreiten, dass tausende Patienten vom Apotheker gepanschte Medikamente bekamen. Vor Gericht sagten die Verteidiger Stadtmanns, sollten die Therapien tatsächlich unterdosiert gewesen sein, sei dies nicht Ausdruck seiner bewussten Handlung, sondern einer möglichen Steuerungsunfähigkeit infolge eines Schädel-Hirn-Traumas. Die Verteidiger sprachen von einem Leistungsabfall nach kürzester Zeit, als Stadtmann Testaufgaben bearbeitet habe.

Dieser Strategiewechsel könnte für den Angeklagten direkte Folgen haben, sollte er irgendwann das Gefängnis verlassen: Den Verlust des Führerscheins.

Führerschein weg?

Bei der Kfz-Zulassungsstelle in Bottrop ist Anfang März nach Informationen von CORRECTIV ein Schreiben eingegangen, das die Prüfung der Entziehung der Fahrerlaubnis für Herrn Stadtmann beantragt. Zur Grundlage für den Antrag nimmt das Schreiben den Antrag der Verteidigung. Demnach hätte Peter Stadtmann angeblich in Folge eines Sturzes eine „Frontalhirnschädigung“ erlitten, deren Folge die „Störung der Hirnleistungsfähigkeit“ sei, diese führe dazu, dass Stadtmann unter Stress bei „standardisierten Handlungsabläufen unbewusste Fehlleistungen“ unterlaufe. Der Apotheke hätte demnach „hirnorganische Psychosyndrome“.

Laut Schreiben müsse bei diesem Befund die Entziehung der Fahrerlaubnis geprüft werden. Nur Menschen, die sowohl die körperlichen als auch geistigen Voraussetzungen erfüllten, seien „zum Führen von Kraftfahrzeugen“ berechtigt. So steht es im Paragraph zwei des Strassenverkehrsgesetzes.

Vor der Verhaftung liebte Stadtmann protzige Autos. Er fuhr einen BMW X5. Der Sprecher der Stadt Bottrop Andreas Pläsken sagt auf CORRECTIV-Anfrage, dass er zu einem laufenden „Verwaltungsverfahren“ in Sachen Stadmann beim Straßenverkehrsamt keine Auskunft gebe.

Nach dem Eingang des Schreibens, muss die Behörde aber handeln.

Behörden müssen handeln

„Sobald die entsprechende Verkehrsbehörde Kenntnis von einem möglichen Eignungsmangel hinsichtlich des Führerscheins erlangt, muss sie der Sache nachgehen“, sagt Thomas Müther, Sprecher vom ADAC-Nordrhein. Das Verfahren sieht dann vor, dass der Betroffene angehört werde, zudem sei ein Attest des Arztes oder eine unabhängige Untersuchung nötig, sagt der ADAC-Sprecher.

Sollte die Verkehrsbehörde die Fahrtauglichkeit in Frage stellen, werde der Führerschein entzogen, sagt Müther.

Die Schädigungen, die einen Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge haben können, hat der Gesetzgeber aufgelistet. Nach Hirnverletzungen kann man zwar theoretisch weiter fahren, allerdings könnten „hirnorganische Psychosyndrome“ oder eine „hirnorganische Wesensveränderung“ die Fahrerlaubnis beeinträchtigen.

Und genau auf diesen Befund berufen sich die Verteidiger von Stadtmann in dem Strafverfahren gegen den Apotheker, um ihn vor einer Verurteilung zu schützen.