Der Prozess

Der Prozess, Tag 32

Neben Kopfschmerzen soll Stadtmann auch unter einem Stimmungstief gelitten haben. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit ging es heute um Stadtmanns Beziehungen.

von Marita Wehlus

© CORRECTIV.RUHR

Welchen Eindruck macht Peter Stadtmann?

Peter Stadtmann blickt ab und an emotionslos zu den Zeugen. Nach den Befragungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit sitzt er mit hochrotem Kopf zwischen seinen Anwälten.

Welchen Eindruck machen die Betroffenen?

Zehn Betroffene verfolgen heute die Verhandlung von den Bänken der Nebenklage aus. Auch im Zuschauerraum ist es mit einem Dutzend Menschen gut besucht. Vier Journalisten verfolgen den Prozess.

Die wichtigsten Ereignisse des Tages

  • Verteidigung stellt keine Fragen. Die Zeugen werden heute zunächst vom Richter und dann vom psychologischen Sachverständigen Boris Schiffer befragt. Im Anschluss bekommen Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung die Möglichkeit Nachfragen bei den Zeugen zu stellen. Auffallend: Stadtmanns Anwälte befragen im öffentlichen Teil keinen der drei Zeugen. Doch als die Zeugin Barbara K. von ihrer Trennung von Stadtmann spricht, beantragt die Verteidigung den Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Zeugenbefragung bestreitet heute zu großen Teilen der psychologische Sachverständige Boris Schiffer. Er befragt die Zeugen zum Wesen des Angeklagten und  zu möglichen Auswirkungen einer Hirnverletzung. Anders als am 29. Verhandlungstag nutzt er dafür keinen standardisierten Fragebogen.

  • Unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bei der Befragung der Zeuginnen Barbara K. und Marina T. schließt das Gericht die Öffentlichkeit in weiten Teilen aus. Barbara K. führte von 2005 bis 2008 eine Beziehung mit Peter Stadtmann. Für intime Fragen, unter anderem zu Stadtmanns Sexualverhalten, mussten Zuschauer und Journalisten den Raum verlassen. Dasselbe galt für die Befragung von Marina T.. Nachdem Richter Hidding nach einer persönlichen Beziehung zu Peter Stadtmann gefragt hatte, beantragte der Anwalt der Zeugin sofort den Ausschluss der Öffentlichkeit. Die 30-Jährige war vom Gericht als Bekannte des Angeklagten eingeladen worden. Sie hatte nach ihrer Lehre in der Alten Apotheke gekündigt und war kurz vor Stadtmanns Verhaftung wieder zurück gekehrt.

  • Medi-City und der Zeuge Georg K. Schon mehrere Zeugen hatten den Kindheitsfreund Georg K. als besten Freund Stadtmanns benannt. Die Nebenklage fragt den Zeugen, ob er als Bauingenieur geschäftliche Kontakte zu Peter Stadtmann gehabt oder Bauprojekte mit ihm durchgeführt hätte. Der Kindheitsfreund des Angeklagten verneint das. Dennoch wird ein Diplom-Ingenieur mit seinem Namen auf der Webseite einer Dämmfirma als Projektleiter für die Medi-City Bottrop genannt. Das Gesundheitszentrum rund um die Alte Apotheke war Stadtmanns Prestigeprojekt. Erst nach der Verletzung 2008 habe sich der Kontakt zu Stadtmann wieder intensiviert, sagt Georg K. Bei seiner Aussage bleibt er aber in großen Teilen einsilbig. Durch den Stress hätten sie sich selten getroffen.

  • Ein Anruf und ein Drohbrief. Die Nebenklage befragt die Zeugin Marina T. zu einem Anruf, der in der Nacht des 9. Januar um 1:39 Uhr bei einer der Nebenklägerinnen eingegangen sei. Für den Nebenklage-Anwalt Goldbach steht dieser im Zusammenhang mit der Frage nach einem anonymen Drohbrief. Da auch hier Einfluss auf Prozessbeteiligte genommen wurde. Nach Beratung des Gerichts beschränkt sich die Frage jedoch auf den nächtlichen Anruf. Die Nebenklage fragt, ob Marina T. die Anruferin sei. Sie verneint. Die Nebenklägerin spielt daraufhin die Aufnahme der Mailbox vor Gericht ab. Der Wortlaut: „Warum wird nicht berichtet, dass die Schwester von Martin Porwoll seit den 70er Jahren in der Apotheke arbeitet“. Es ist eine schwer erkennbare weibliche Stimme. Die Reaktion der Zeugin: „Ich schlafe um diese Uhrzeit, ich habe ein Kind“. Die Zeugin sagt auch, dass sie nach Streitigkeiten mit der Schwester Porwolls in der Alten Apotheke gekündigt habe. Vor der Entlassung der Zeugin beantragt die Nebenklage sie zu vereidigen. Dies lehnt das Gericht jedoch ab.

  • Traurigkeit nach dem Unfall. Der psychologische Sachverständige befragt, wie am 29. Verhandlungstag, die Zeugen zu Veränderungen bei Stadtmann nach der Kopfverletzung 2008. Stadtmann hätte keinen Geschmacks- und Geruchssinn mehr gehabt, sagt Marina T.. Das hatten schon andere Zeugen ausgesagt. Georg K. spricht von starken Kopfschmerzen beim Angeklagten. Auch habe er Konzentrationsprobleme gehabt. Jedoch habe Georg K. dies auf Stress zurückgeführt. Stadtmann sei außerdem nicht mehr so leistungsfähig gewesen, sagt die ehemalige Lebensgefährtin Barbara K.. Sie und auch die Zeugin Marina T. sagen aus, sie hätten Veränderungen in der Stimmung des Angeklagten bemerkt. Er sei öfter bedrückt und traurig gewesen, sagt Barbara K. über die Zeit nach dem Unfall. Marina T. spricht von einem Zustand „wie nach einem Schlaganfall.“ Der persönlich Blick sei nicht mehr da gewesen. Der Sachverständige Boris Schiffer will in etwa zwei Wochen mit dem Gutachten zu Stadtmanns Zurechnungsfähigkeit fertig sein. Das Gericht hat vor, ihn dann noch einmal dazu zuhören.

  • Das Schweigen der Mutter. Am Tag von Stadtmanns Verhaftung habe die Mutter des Angeklagten alle Mitarbeiter in die Apotheke bestellt, sagt die Zeugin Marina K.. Man sei aber nicht mundtot gemacht worden, wie es von mancher Stelle hieß. Sie wären lediglich darauf hingewiesen worden, bitte nichts zu sagen. Die Mutter sei sehr nervös und traurig gewesen und habe erzählt, sie hätten Stadtmann mitgenommen. Außerdem habe sie gebeten mit keinem Außenstehenden zu sprechen, sagt Marina K.. Sie hatte noch unter der Mutter des Angeklagten in der Apotheke ihre Lehre gemacht.

  • Hat Peter Stadtmann ein Kind? Die Nebenklage fragt den Zeugen Georg K. nach einer möglichen Vaterschaft von Peter Stadtmann. Obwohl Stadtmann, laut dem Zeugen, einer seiner besten Freunde gewesen sei, wisse Georg K. nichts von einem Kind. Stadtmann habe nicht erwähnt Vater geworden zu sein. Ein Streitpunkt war Stadtmanns Kinderwunsch auch in seiner Beziehung mit Barbara K. gewesen. Es sei mit ein Grund für die Trennung gewesen, aber nicht der einzige, sagt die Zeugin.

  • Befangenheit verschoben. Bereits am 31. Verhandlungstag hatte die Nebenklage angekündigt einen Befangenheitsantrag gegen die Gerichts-Protokollantin stellen zu wollen. Heute entscheidet sie sich, dies vorerst nicht zu tun. Dennoch liefert Nebenklage-Anwalt Khubaib-Ali Mohammed eine Begründung für den zunächst angedachten Antrag. Die Protokollantin habe gegenüber einer handvoll Nebenklägern über Stadtmann gesprochen. Sie habe gesagt, er sei so ein lieber Mensch und man könne sich gar nicht vorstellen, dass er das alles gemacht habe. Zudem habe sie Begrüßungen und Höflichkeitsfloskeln mit dem  Angeklagten ausgetauscht. Die Nebenklage sei zu dem Schluss gekommen, dass dies rechtlich noch nicht für einen Ausschluss ausreiche. Jedoch behalte sie sich vor, diesen noch zu beantragen, sollten mehr Gründe hinzukommen. Das Protokoll für den heutigen Sitzungstag schreibt eine Kollegin der besagten Urkundsbeamtin.

Ausblick auf den nächsten Verhandlungstag

Morgen will das Gericht mindestens einen Beschluss verlesen. Zeugen sind für den Verhandlungstag nicht geladen.

Die nächsten Verhandlungstage im Überblick (Beginn jeweils 09:30 Uhr):     18.05., 23.05., 24.05., 11.06., 13.06., 14.06., 18.06., 19.06., 20.06., 22.06., 25.06., 27.06. und 29.06.