Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist mehr als ein Jahrzehnt her, dass sich eine Gruppierung im deutschsprachigen Raum ausbreitete, die rechtsextrem war – dabei aber neu und anders. Mit Sneakers und Jeans, oft aus dem studentischen Umfeld, sorgten sie mit Aktionen für Aufsehen: die „Identitäre Bewegung“ (IB). Es sei der Versuch des Rechtsextremismus, sich ein neues Gesicht zu geben, sagte kurze Zeit später ein Verfassungsschützer in einem Interview. 

Später, beim Geheimtreffen von Potsdam, spielte die IB eine tragende Rolle: Ihr Kopf, der Österreicher Martin Sellner, stellte dort sein Konzept zur „Remigration“ vor. Und jetzt – eine späte Folge der Strategie, die wir von CORRECTIV damals offenlegten – gerät die Gruppierung unter Druck. Darum geht es im Thema des Tages.

Gut gestylt und rechtsextrem: IB-Mann Martin Sellner. Quelle: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Außerdem: Im SPOTLIGHT-Projekt „Gemeinsam aufgedeckt“ verfolgen wir ja mit Ihrer Unterstützung, wohin die 500 Milliarden Euro „Sondervermögen Infrastruktur“ wirklich fließen. Morgen führen wir dazu ein Gespräch im Bundesfinanzministerium. Geben Sie mir heute Ihre Fragen mit auf den Weg: Was möchten Sie von den Staatsbeamten wissen? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.

Über das Wochenende haben mir viele von Ihnen geschrieben, weil sie sich aufgeregt haben: über die Pläne des Verkehrsministeriums, das Fliegen wieder billiger zu machen. Zum Beispiel Gerd S. aus Hamburg, der fragte: Kann man denn auf juristischem Wege nichts dagegen machen, zum Beispiel wegen Menschenrechtsverletzungen? 

Eine gute Frage, finde ich. Wir gehen ihr einmal nach.

Thema des Tages: Das Ende der rechtsextremen Hipster?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Früher war es auch schon heiß – warum das den Klimawandel nicht widerlegt

Gute Sache(n): Wie weiter bei der Wahl der Verfassungsrichter? • Friseursalons helfen gegen Wasserknappheit • Wie sich der Klimawandel auf unsere Gesundheit auswirkt

CORRECTIV-Werkbank: Proteste in Serbien: Kann man Autokratie abwählen?

Grafik des Tages: Höherer Mindestlohn: Wer am meisten profitiert

Bei einem Vortrag vor AfD-Abgeordneten und Fraktionsmitarbeitern am vergangenen Donnerstag in Berlin sagte Krah: 

„Dobrindt könnte heute den Stecker ziehen.“
Maximilian Krah
AfD-Bundestagsabgeordneter

Warum gibt es diese Erwartung?
Es gibt zwei Gründe, warum Krah und andere ein Verbot für zunehmend wahrscheinlich halten.

Erstens: Kürzlich gab es staatsanwaltschaftliche Untersuchungen bei der IB – nach einem „Remigrationskongress“ in Mailand. Das heißt, derzeit beschäftigen sich Strafermittlungsbehörden mit der IB.

Zweitens: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat kürzlich in seinem Urteil zur Rechtsaußen-Zeitschrift „Compact“ einen wesentlichen Teil der IB-Ideologie als verfassungsfeindlich bezeichnet. Konkret ging es um Martin Sellners „Remigrationskonzept“. Also den Plan, den wir im Januar 2024 offengelegt hatten: Er besagt, dass Sellner und seine Gesinnungsgenossen gern Menschen mit Migrationshintergrund, aber deutschem Pass aus Deutschland vergraulen würden – mithilfe von „maßgeschneiderten Gesetzen“. 

Das ist also, gerichtlich bestätigt, eindeutig völkisch und somit verfassungsfeindlich.

Weshalb ist das relevant?
Im Grunde geht es um die AfD. Genauer gesagt darum, wie nah die Partei der Identitären Bewegung steht. 

Die Wirkungskette ist die: Wenn die Behörden die IB verbieten würden – und gleichzeitig der AfD nachweisen, enge Kontakte zu ihr zu haben – dann ist womöglich der Weg zu einem AfD-Verbotsverfahren nicht mehr weit.

Ausführlicher ordnen wir die Zusammenhänge in unserem heute veröffentlichten Text ein.

Maximilian Krah, hier vor Beginn der konstituierenden Sitzung des Bundestages im März, warnt seine Fraktion vor möglichem Verbot der Identitäten Bewegung. © picture alliance / SZ Photo | Jens Schicke

Wichtig ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass unter einigen AfD’lern derzeit schon eine „Welle der Solidarität“ mit der IB wogt. Einige aus der Partei erklären sich gerade in Sozialen Netzwerken mit dem „rechten Vorfeld“ als solidarisch. Zu sehen zum Beispiel in diesem Post der Rechtsaußen-Vertreterin Lena Kotré:

Der ideologische Kampf um die völkische Ideologie erreicht nun aber auch die Parteispitze. Alice Weidel outete sich gerade im Bundestag mit einem völkischen Verständnis des Grundgesetzes – das berichteten wir vor ein paar Tagen: Sie behauptete bei einer Rede, unserem Grundgesetz liege ein „ethnisches Volksverständnis“ zugrunde.

Krah, aber auch Verfassungsrechtler, halten diese Sichtweise für verfassungswidrig. Der ideologische Streit wird offenbar zu einem Machtkampf zwischen Krah und dem Lager Weidel/Höcke.

Was sagt das Bundesinnenministerium dazu?
Wir haben das Haus von Alexander Dobrindt heute Morgen gefragt: Erwägen Sie tatsächlich ein Verbot der Identitären Bewegung? Ein BMI-Sprecher teilte uns am Telefon mit: „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu möglichen Vereinsverboten, auch um etwaige Maßnahmen nicht zu gefährden.“

Nord Stream 2: Neue Arbeiten an Pipeline werfen Fragen auf
In Bezug auf eine mögliche Wiederinbetriebnahme der Nord Stream Pipelines sendet die Bundesregierung gemischte Signale. Nun hat die Betreibergesellschaft neue Arbeiten angekündigt – unter anderem, um die Pipeline vor weiteren Schäden zu sichern. 
correctiv.org

Lokal: Jahrestag der Flut im Ahrtal 
Entlang der Ahr finden heute mehrere Gedenkveranstaltungen statt. Heute vor vier Jahren wurde die Flut im Ahrtal von heftigen Regenfällen ausgelöst, dabei kamen 135 Menschen ums Leben. 
swr.de/rhein-ahr-anzeiger.de

CORRECTIV: Achtung Barriere – die Stadt als Gefahrenzone
Seit mehr als zwanzig Jahren ist Menschen mit Behinderung in der Schweiz ein gleichberechtigtes Leben gesetzlich garantiert. Ein großes Rechercheprojekt, das CORRECTIV.Schweiz gemeinsam mit der Hochschule Luzern durchführt, zeigt: Die Realität sieht vollkommen anders aus. Gerade unsichtbare Hürden sorgen für Angst und Unsicherheit im Alltag.
correctiv.org

So geht’s auch
Abgeschnittene Haare helfen gegen Wasserknappheit. Das klingt zunächst seltsam, ist aber eine Idee, die in Chile bereits erprobt ist. Die abgeschnittenen Haare aus Friseursalons werden zu festen Matten gewebt und landen dann auf Feldern oder in Gewächshäusern. Dort schützen sie Pflanzen vor dem Austrocknen. 
wdr.de

Fundstück
Hitze, Dürre, Extremwetter: Die Erderwärmung ist schon jetzt spürbar. Die Folgen dürften noch weitaus gravierender werden. Die Zeit ergründet, wie sich der Klimawandel auf die Gesundheit und das Land auswirken wird.  
zeit.de


Nun habe ich erneut mit Jovana Đurbabić gesprochen: Inzwischen fordern die Protestierenden genau diese Neuwahlen – während Präsident Vučić sie nun ablehnt. Was ist passiert? Es hat eine deutliche Politisierung stattgefunden. In lokalen Versammlungen diskutieren Bürger inzwischen über lokale Politik, über Infrastruktur, Wahlbeobachtung und Straßenblockaden. Die Protestbewegung ist stärker mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und der Opposition vernetzt, und der Konsens ist gereift: Man muss es mit Wahlen versuchen.

Übrigens ist Vučić durchaus erfahren im strategischen Umgang mit Neuwahlen. CRTA zeigt: Seit 2012 (also seit seine Partei an der Macht ist) wurden in vier von fünf Fällen vorgezogene Wahlen ohne akute Krise angesetzt. Meist dann, wenn sich Vučićs Partei besonders stark wähnte und sie durch Neuwahlen ihre Parlamentsmehrheit stärken konnten.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.